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Die Biobastler von Boston

Biologie.- Das MIT in Boston ist die weltweit führende Technische Universität. Nirgends sonst ist man neuen Technologien gegenüber so aufgeschlossen. Aber ein Wettbewerb für gentechnische Maschinen ist selbst dort etwas Besonderes.

Von Michael Lange | 02.11.2009
    Bakterien, die in bunten Farben leuchten oder einen ekligen Gestank produzieren, sobald sie Nikotin in der Luft wahrnehmen. Kleinste Organismen, die Landminen aufspüren oder Schwermetalle aus dem Wasser filtern. Die insgesamt 112 Studenten-Teams aus aller Welt, die an der Meisterschaft der Biokonstrukteure teilnehmen, haben sich viel einfallen lassen. Wer hier am MIT gewinnen will, darf nicht nur Spielereien präsentieren, meint Roman Jerala vom Team Slowenien.

    "Jahr für Jahr werden die Projekte immer ausgefeilter. Es steigt nicht nur die Zahl der Projekte, sondern auch die Qualität. Das ist ein wirklich harter Wettbewerb."

    Roman Jerala ist der Meistermacher unter den Teamchefs. Zwei Titel hat er bereits. Im letzten Jahr siegte sein Team Slowenien mit einem Konzept für einen Impfstoff gegen den Magenkeim Helicobacter pylori. Mit umgebauten Bakterien gelang es den Slowenen, Mäuse erfolgreich zu immunisieren.

    Auch in diesem Jahr setzen viele Teilnehmer auf medizinische Anwendungen. Die Medizin- und Biologiestudenten der Universität von Süd-Dänemark präsentierten einen Wundverband mit speziell gezüchteten Bakterien.

    Die guten Bakterien hemmen die schlechten Bakterien, erklärt Kristine Jacobsen das Konzept. Die Bakterien im Verband sollen verhindern, dass in einer Wunde gefährliche Biofilme entstehen. Das sind Schleimschichten, in denen sich die Bakterien verstecken und schützen, zum Beispiel vor Antibiotika. Deshalb haben die dänischen Studenten vier Gene in Escherichia coli-Bakterien eingeschleust, so dass sie einen Biofilm-Hemmstoff produzieren. Helle Thomasen, Studentin der Universität von Süd-Dänemark:

    "Der Verband hemmt den Biofilm durch das Protein Rip. Es wird von den guten Bakterien im Wundverband gebildet. Wenn erst gar kein Biofilm entsteht, lassen sich die Bakterien viel leichter bekämpfen. Weil Rip die Bakterien aber nicht tötet, sondern nur die Biofilmbildung stört, entstehen keine Resistenzen."

    Auch eines der vier deutschen Teams setzt auf synthetische Biologie für die Medizin: Dem Team Heidelberg sind umgebaute Bakterien aber nicht genug, meint Lars Velten.

    "Für die wirklich medizinische Anwendung gibt es einfach ein Limit für das, was man mit bakteriellen Zellen machen kann. Wenn man sich zum Beispiel überlegt, dass es wünschenswert wäre, künstliche Gewebe, zum Beispiel Muskelgewebe, herzustellen, oder wenn man sich überlegt, dass es wünschenswert wäre, Gene zu haben, die Krebszellen töten, dann lässt sich das mit bakteriellen Systemen nicht machen."

    Deshalb haben die Heidelberger Studenten ein neues Register geschaffen. Was am MIT mit biologischen Bauteilen für Bakterien bereits existiert, soll jetzt auch mit Säugetierzellen möglich sein. Ein Biobauteil-Register, frei zugänglich für alle Bio-Konstrukteure. Einige genetische Bauteile zur Steuerung von Säugetierzellen haben die Studenten bereits konstruiert.

    "Was uns viel wichtiger ist, ist, dass wir Techniken entwickelt haben, mit denen sich sehr schnell Bauteile entwickeln lassen. Was auch für ein derart komplexes System unerlässlich ist. Es gibt so viele Mechanismen in Säugetierzellen, dass eine Bibliothek von Teilen, die alles abdeckt, nicht herstellbar ist. Aber wenn man Techniken bereitstellt, mit denen sich sehr einfach solche Teile herstellen lassen, denke ich, ist allen vielmehr gedient."

    Studenten und Wissenschaftler aus aller Welt sollen mitmachen, um das neue Register aus Heidelberg zu füllen. Der Anfang ist gemacht, und der Wettbewerb Igem am MIT ist genau das richtige Forum.

    "Also ich habe mir das Ziel gesetzt, ins Finale zu kommen."

    Sechs von 112 Studententeams dürfen im Finale ihr Projekt noch einmal vorstellen vor über 1000 Zuhörern. Dann wird eine Jury den Sieger küren.