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"Die Böcke haben in dieser Partei jetzt schon genug Schaden angerichtet"

Ulrich Maurer (Die Linke) ist die "Grabenkriege" um die Führung in seiner Partei leid. Der Konflikt zwischen Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch zeigt für ihn, wie "vergiftet die Geschichte ist". Maurer will einen Neuanfang, jung - und weiblich.

Das Gespräch führte Christiane Kaess | 23.05.2012
    Christiane Kaess: Seit Wochen bereits tobt der Führungsstreit in der Linken um den Vorsitz der Partei. Schon vor einiger Zeit hatte Fraktionsvize Dietmar Bartsch seine Kandidatur angekündigt, dann betrat der frühere Parteichef Oskar Lafontaine die Arena und die Grabenkämpfe begannen. Vor dem Hintergrund des sich weiter verschärfenden Konfliktes hat Lafontaine dann gestern seinen Rückzug erklärt. Jetzt haben die Landeschefin der Linken in Nordrhein-Westfalen, Katharina Schwabedissen, und die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping gemeinsam ihre Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt..

    Am Telefon ist jetzt Ulrich Maurer, er ist stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Maurer.

    Ulrich Maurer: Guten Tag!

    Kaess: Herr Maurer, für welche Kandidaten werden Sie sich denn entscheiden?

    Maurer: Also ich werde alles wählen und alles gut finden, was jung ist, was vornehmlich weiblich ist, weil ich finde, die Böcke haben in dieser Partei jetzt schon genug Schaden angerichtet und sollten sich vom Acker machen. Und ich denke, dass sich das alles erst noch sortiert. Ich glaube, wir brauchen jetzt einen Neuanfang, wir brauchen auch früher als gedacht einen Umbruch in den Generationen.

    Kaess: Aber, Herr Maurer, wieso trauen Sie denn jungen Frauen weniger Grabenkämpfe zu als den Männern?

    Maurer: ... , weil ich die alle beobachtet habe. Ich habe ja jetzt leider Gelegenheit gehabt, mir zwei Jahre anzugucken, wie diese Partei mit Personaldebatten, mit Intrigen, mit Mobbing beschäftigt worden ist, und ich weiß, wer da herumgetobt hat, und da war keine von denen dabei.

    Kaess: Aber, Herr Maurer, mit Verlaub: Die Kandidatur von Katharina Schwabedissen wirkt ein bisschen so, als hätte man Norbert Röttgen nach seiner Wahlschlappe in NRW zum CDU-Bundesvorsitzenden gemacht.

    Maurer: Ja, wer weiß, was da noch alles kommt bei denen. Aber das verstehe ich schon. Ich glaube allerdings, dass die Situation, in die die Nordrhein-Westfalen-Wahl gekommen ist, ganz wenig mit den Leistungen oder Nicht-Leistungen von einzelnen Personen zu tun hat. Das war eine katastrophale strategische Ausgangslage, mit dem Aufkommen der Piraten, mit einer SPD-Spitzenkandidatin, die als einzige aus der derzeitigen SPD-Führungsriege nicht mit der Agenda 2010 identifiziert wird, sich da auch geschickt abgesetzt hat. Also es war objektiv außerordentlich schwierig. Im Übrigen: Wir sind natürlich noch nicht am Ende. Ich denke, es wird noch intensive Diskussionen geben über die Frage, wer welche Rolle übernimmt in einer solchen neuen Führung. Die, die sich da zusammengefunden haben, sagen das ja ausdrücklich, sie wollen auch reden und einen möglichst breiten Konsens ja auch für die Partei abbilden. Also da kann ich nur jedem raten, sich weder so noch so jetzt irgendwie festzulegen.

    Kaess: Aber, Herr Maurer, noch mal nachgefragt: Wenn die weibliche Doppelspitze als dritter Weg gilt, dann sollte auch für Sie in der Konsequenz Dietmar Bartsch seine Kandidatur zurückziehen?

    Maurer: Ich habe das schon gesagt. Es ist einfach so, dass die, die jetzt die Partei zwei Jahre lang mehr oder weniger lahmgelegt haben mit diesen Auseinandersetzungen, die sollten wirklich Platz machen für einen wirklichen Neuanfang. Ich meine es also wirklich ganz ernst. Sonst ist es zunehmend existenzbedrohend für diese Partei. Es ist ja am Schluss – das war ja die Tragik sozusagen an dem Angebot von Lafontaine. Lafontaine hat angeboten, als der nun mit Abstand beste Wahlkampfpolitiker, als der, der in der Lage ist, auch charismatisch Massen zu begeistern, ...

    Kaess: Sich aber dann zurückgezogen hat aus der Sorge vor einer möglichen Niederlage.

    Maurer: Nein, nein, eben gar nicht. Gegen Bartsch hätte er haushoch gewonnen, haushoch.

    Kaess: Das ist Ihre Interpretation.

    Maurer: Das ist nicht meine Interpretation, das ist objektiv so. Und er hat zurückgezogen, weil er gesagt hat, man kann Erfolg nur haben, wenn sich eine Partei hinter so einem Angebot dann auch formiert. Wenn die Grabenkriege weitergehen – und man musste nach dem, was passiert ist, insbesondere seit dem Rücktritt von Gesine Lötzsch und den Äußerungen, die es dann wieder gab aus dem Bartsch-Lager, davon ausgehen, dass die Grabenkämpfe - - Schauen Sie, gestern Abend war eine Konferenz in Berlin und bei der Bekanntgabe des Rückzugs von Lafontaine haben die Bartschisten geklatscht. Also da sehen Sie doch schon, wie vergiftet die Geschichte ist. Nein, man braucht jetzt einen Neuanfang, und deswegen bleibe ich dabei: Die Böcke, die den Kampf bisher geführt haben, müssen vom Acker.

    Kaess: Ulrich Maurer war das, er ist stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Interview, Herr Maurer.

    Maurer: Danke schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.