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Die Brückenbauer

Christ und Muslimin, Buddhistin und Hindu – nicht immer gelingt es, Gemeinsamkeiten zu entdecken und Trennendes zu überwinden. Auch deswegen, weil die kirchlichen Institutionen Paaren oft nicht hilfreich zur Seite stehen.

Von Isa Hoffinger | 14.10.2013
    "Liebe ist immer da möglich, wo sie hinfällt, auch wenn das vielen Leuten nicht gefällt. Ich denke, dass Gott alle Menschen liebt, das ist das Vertrauen, das ich in Gott habe – als Christ. Und deshalb möchte ich auch einem gemischt-religiösen Paar den Segen Gottes zusprechen anlässlich seiner Eheschließung."

    Hans Martin Gloel ist evangelischer Pfarrer. Er leitet ein Zentrum für interreligiösen Dialog in Nürnberg. Es heißt "Die Brücke". In der Brücke lesen Christen den Koran und Muslime die Bibel. Manchmal kommen auch Paare hierher, die sich nicht sicher sind, ob sie in einer Moschee oder in einer Kirche heiraten sollen. Wie Andreas Metzner und seine Frau Jasemin Ölcüm.

    "Mein Mann ist gläubiger Christ und deshalb war es ihm auch sehr wichtig, dass eine christliche Komponente bei unserer Trauung vorhanden ist. Und dann haben wir überlegt, ob wir uns in der Kirche trauen lassen, und dann habe ich aber gemerkt, dass es für mich nicht stimmt. Und in der Brücke haben wir eine religiöse Muslimin getroffen, die gesagt hat, es ist überhaupt kein Problem, wenn ein Christ und eine Muslimin heiraten. Und da war ich sehr froh, denn ich hatte vorher mit Imamen gesprochen, ob die uns trauen würden, und die Gespräche waren immer sehr unbefriedigend. Es wurden Bedingungen daran geknüpft, falls wir Kinder haben, dass wir die dann muslimisch erziehen. Und da waren wir ganz froh, dass wir die Muslimin gefunden haben, die den muslimischen Teil übernommen hat. Also wir haben auf einem grünen Hügel geheiratet, und dann gab es einen muslimischen Teil und einen christlichen Teil – und es war einfach ein toller Tag."

    Seit vier Jahren sind Andreas Metzner und Jasemine Ölcüm-Metzner glücklich verheiratet. Konflikte mit Verwandten oder wegen Meinungsverschiedenheiten in Glaubensfragen gab es bisher nicht. Hans-Martin Gloel meint, dass bi-religiöse Partnerschaften genauso harmonisch sein können wie Ehen von Christen. Wenn die Bereitschaft da ist, dem Partner den eigenen Glauben zu erklären.

    "Ich denke, die Gefahr ist, wenn es Probleme in einer solchen Ehe gibt, dass man sehr schnell geneigt ist, das auf die Religionsverschiedenheit zu schieben. Und dass dann die Mutter beziehungsweise Schwiegermutter schnell sagt: Ich hab's ja sofort gewusst, das kann ja gar nicht gut gehen."

    Aus katholischer Sicht ist die Ehe ein Sakrament. Vor einer Heirat müssen Katholiken den Ortsbischof um Erlaubnis bitten. Andreas Renz von der Erzdiözese München:

    "Es besteht aus katholischer Sicht das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit. Das heißt, es muss ein Dispens erbeten werden, den nur ein Ortsbischof erteilen kann. Also es muss ein Gespräch geben zwischen dem Paar und dem zuständigen Seelsorger. Und der Seelsorger wird dann aufklären über das katholische Eheverständnis. Der katholische Partner muss dabei ein Versprechen abgeben, nämlich, dass er seinem katholischen Glauben treu bleibt, dass er sich nach Kräften darum bemüht, die Kinder im katholischen Glauben zu erziehen. Der nicht-katholische Partner muss die Wesenseigenschaften der Ehe anerkennen – und diese sind Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe. Das heißt, es darf keine Mehr-Ehe geschlossen werden. Und Unauflöslichkeit heißt, es ist nicht einfach nur ein Vertrag, der wieder aufgelöst werden kann, sondern nach katholischem Verständnis ist die Ehe eben für immer."

    Jede achte Eheschließung in Deutschland erfolgt bi-national. 21,6 Prozent der hierzulande geborenen Kinder haben einen ausländischen Elternteil, das ist mehr als jedes fünfte Kind. Die Scheidungsrate bei bi-nationalen Paaren ist nicht höher als bei deutschen Paaren. Aber gerade bei der Kindererziehung treten oft Konflikte in gemischt-religiösen Partnerschaften auf. Die christlichen Kirchen und die islamischen Gemeinschaften seien daran nicht ganz unschuldig, findet die evangelische Theologin Regine Fröse:

    "Die Kirche hat zwar den interreligiösen Dialog immer befördert, aber wenn es um konkrete Formen geht, tut sie sich schwer, Unterstützungsvarianten zu finden. Zum Beispiel eine christliche Frau, die in einen muslimischen Mann verliebt ist, wird sich schwertun zu einem Pfarrer zu gehen, und ihn um Rat zu fragen, weil sie da natürlich auch keine kompetente Beratung vermutet."

    Auch von den Muslimen wünscht sie sich mehr Toleranz.

    "Ich hab den Fall erlebt von einer Familie im Rheinland, da war es so, dass die Familie zwei Kinder hatte, beide wurden getauft. Der Mann war türkischer Muslim, sie war deutsche Christin. Er hatte damals zugestimmt dieser Taufe. Und dann war das so: Das eine Kind wollte, als es neun Jahre alt war, im katholischen Rheinland feiert man dann ja die Kommunion, auch Kommunion feiern. Und jetzt war die Schwierigkeit, dass das ja ein offizieller Akt ist. Der Vater hatte eine Riesenangst, dass die türkische Community von dieser Kommunion erfährt und dann natürlich auch davon, dass das Kind getauft ist."

    Wie destruktiv Ängste und Vorurteile sein können, hat Regine Fröse selbst erlebt. In den 1980er-Jahren war sie mit einem Muslim liiert. Nach dem Pfarrdienstrecht von Baden-Württemberg hätte sie ihren marokkanischen Freund zwar heiraten, aber nicht mit ihm zusammen im Pfarrhaus leben dürfen. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Vor zwei Jahren wurde eine Vikarin aus Baden-Württemberg sogar entlassen, nachdem sie einen Muslim geheiratet hatte. Regine Fröse findet das skandalös:

    "Die Kirchen müssen sich dringend interreligiös öffnen. Das bedeutet eben in der Praxis, dass eine evangelische Pfarrerin auch die Möglichkeit hat, mit einem muslimischen Mann im Pfarrhaus zu leben."

    Wie bereichernd und schön eine Ehe mit einem Muslim sein kann, hat Gerda el Banna erlebt. Die Katholikin lernte in einer fränkischen Kleinstadt einen Palästinenser kennen, vor über 50 Jahren. Sie heiratete ihn, obwohl ihre Eltern und das gesamte Umfeld gegen die Verbindung waren:

    "Als er mich fragte, ob wir heiraten sollen, wusste ich jetzt nicht, weil alle Welt gegen uns war. Da hab ich mich in unsere Kirche gesetzt und hab gefragt: Lieber Gott, was willst jetzt du? Was soll ich denn jetzt machen? Und dann wurde mir klar, okay, ich kann jetzt ja sagen, gegen alle Kräfte, wenn es stimmt zu mir mit dem lieben Gott. Die Katholische Kirche setzt ja voraus, dass der nicht-katholische Partner sich bereit erklärt, dass die Kinder katholisch werden. Das musste ich dann meinem Mann sagen – und dann – er ist ja auch religiös gewesen, und hat sich Bedenkzeit ausgebeten, und hat dann gesagt: Für mich als Muslim sind die drei Buch-Religionen Judentum, Christentum und Islam Wege, die zu Gott führen. Und da du die Mutter unserer Kinder sein wirst, ist es gut, wenn du die religiöse Erziehung übernimmst und ich vertraue dir, dass du unsere Kinder – auf welchem Wege auch immer – zu Gott führst."

    Der Respekt vor dem anderen Glauben habe ihre Liebe mit den Jahren größer werden lassen, erzählt Gerda el Banna.

    "Der Dialog setzt voraus, dass man sich selbst anschauen muss. Ich kann dir nicht meine Religion erklären, wenn ich mich nicht selber hinterfragt habe. Ich hab da gemerkt, also schon sehr frühzeitig, du bist in der Kirche, du betest irgendwas, schaust dir allein das Vaterunser, wer denkt jetzt wirklich darüber nach, welche Aussagen da dahinter stecken. Um das jemandem zu erklären, der jetzt einen anderen Hintergrund hat, das ist herausfordernd. Das Schöne daran ist, dass man sein eigenes eben entdeckt, und neu lieb gewinnt."

    Gemeinsamkeiten entdecken. Gegensätze erkennen, Grenzen überwinden. Hans-Martin Gloel und Andreas Renz sehen in Ehen von bi-religiösen Paaren auch eine Vorbildfunktion für gesellschaftliche Veränderungen. Andreas Renz:

    "Wir haben ja heute keine andere Wahl, wir sind heute in religiös-pluralen Gesellschaften und wir können nur durch den Dialog und ein friedliches Zusammenleben ermöglichen, wenn das nicht gelingt, dann endet das im Bürgerkrieg wie im Nahen Osten."

    Hans-Martin Gloel:

    "Es ist eben nicht nur eine spirituelle Sache, dieser interreligiöse Dialog, sondern es geht um gesellschaftliche Verantwortung, um die Frage in welcher Gesellschaft wollen wir leben. Und wir dürfen das Konfliktpotenzial, aber auch die versöhnenden Chancen, die von Religionen ausgehen, nicht unterschätzen."