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"Die CDU hat in Teilen ein gewisses Modernitätsdefizit"

Heute gibt Deutschlands erster Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Regierungserklärung ab. Peter Hauk, Chef der zur Opposition gewählten CDU-Fraktion, will Lehren aus der Wahlschlappe ziehen - die FDP wird das nicht freuen.

Peter Hauk im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 25.05.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Die politische Landkarte in Deutschland, sie hat sich dramatisch gewandelt. In Baden-Württemberg hat die CDU ihre jahrzehntelange Herrschaft verloren. Mehr noch: Winfried Kretschmann hält heute als erster grüner Ministerpräsident seine Regierungserklärung ab. Politikwissenschaftler sind sich sicher: Auch wenn die Grünen wieder Federn lassen werden, sie dürften sich auf hohem Niveau stabilisieren. Die Wahlen in Bremen scheinen den Befund zu bestätigen; erstmals rutschte hier die CDU hinter die Grünen auf Platz drei. Wie also wieder heraus aus dem Umfrage- und auch Wahltief? Dazu begrüße ich jetzt am Telefon Peter Hauk, er ist der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen!

    Peter Hauk: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Hauk, Sie werden heute einem grünen Ministerpräsidenten gegenübersitzen, der die Leitlinien für die kommenden Jahre im Südwesten darlegen wird. Haben Sie schon schlechte Träume davon gehabt, oder haben Sie sich schon an diesen Gedanken gewöhnt?

    Hauk: Nein, überhaupt gar nicht. Es ist ganz klar: Die Wahl ist demokratisch erfolgt und jetzt haben wir einen grünen Ministerpräsidenten. Aber wir haben in Baden-Württemberg uns ja immer noch wacker geschlagen und wir haben auch wieder vor, dass wir auch die Mehrheiten in Zukunft wieder sehen werden.

    Heckmann: Wie werden Sie sich denn in der Opposition positionieren? Das ist doch eine sehr ungewöhnliche Rolle für Sie nach jahrzehntelanger Herrschaft und die Aufgabe ist gar nicht so einfach, denn für einen schnellen Atomausstieg beispielsweise gibt es eine breite Mehrheit in der Bevölkerung und außerdem müssen Sie sich ja möglicherweise auch die Grünen so ein bisschen warmhalten als potenzieller Koalitionspartner, oder?

    Hauk: Es geht nicht um die Frage des Warmhaltens, wir werden da auch niemandem nachlaufen. Aber wahr ist natürlich eines, dass wir ein, zwei Punkte haben, wo wir uns gegebenenfalls nicht neu justieren, aber wo wir uns einfach ein Stück weit auch ausrichten müssen. Erstens: Die CDU hat in Teilen ein gewisses Modernitätsdefizit, das haben wir gemerkt. Wir sind in den Altersgruppen der bis 60jährigen, sage ich mal, nicht mehr ganz die große Volkspartei, die wir waren. Und das Zweite ist, dass wir in den Augen der Bevölkerung durch eine jahrzehntelange babylonische Gefangenschaft, die wir mit der FDP eingegangen sind, zu sehr Markt- und Wirtschaftspartei waren und zu wenig Partei der sozialen Sicherheit. In diesen Fragen werden wir auch innerparteilich, innerfraktionell diskutieren müssen, wie wir unsere Zukunft ausrichten. Dort, glaube ich, müssen wir etwas nachjustieren.

    Heckmann: Das heißt, Sie sprechen von einer babylonischen Gefangenschaft mit der FDP. Bedeutet das, dass Sie dafür plädieren würden, auch Koalitionsoptionen mit der SPD in Zukunft stärker in den Blick zu nehmen?

    Hauk: Nein. Am Ende geht es nur darum, dass man die Schnittmengen entlang der Sachthemen in der Zukunft stärker definiert und diese Schnittmengen dann emotions- und leidenschaftslos letztendlich betrachtet, und da können auch andere Koalitionen das Ergebnis sein. Aber die Frage ist doch nicht in erster Linie die Frage nach Koalitionen; die Frage ist doch, wie wir unsere Politik als Volkspartei im Prinzip den Menschen herüberbringen, und in der Vergangenheit hatten wir und haben wir zum Teil das Problem, dass wir uns zu sehr an der FDP ausgerichtet haben und zumindest von den Menschen so wahrgenommen wurden und unsere ureigenen Positionen einer auch sozial ausgerichteten Volkspartei so gar nicht mehr wahrgenommen wurden.

    Heckmann: Herr Hauk, die Südwest-CDU, die hatte ja besonders für die Verlängerung der Laufzeiten im letzten Herbst getrommelt. Jetzt will die CDU möglichst bald raus. Wann, glauben Sie, werden die Wähler Ihnen diese Wende abnehmen? Wie lange wird das dauern?

    Hauk: Wie lange das dauern wird, das weiß ich nicht. Ich glaube, was uns die Wähler nicht abgenommen haben, war die Frage der Glaubwürdigkeit, ob wir das tatsächlich durchziehen werden. Und wenn wir das umsetzen – und dafür spricht ja jetzt einiges -, dann gewinnen wir einen Teil unserer Glaubwürdigkeit letztendlich wieder zurück. Die Energiepolitik ist ja nicht ideologisch ausgerichtet, sondern für uns ist doch der entscheidende Maßstab, dass wir eine stabile, eine versorgungssichere, aber auch bezahlbare Energieversorgung am Ende wollen, und welche Energieträger dieses liefern, das ist zunächst einmal sekundär. Und dann kommt die Frage der Ökologie noch entsprechend mit hinzu. Das ist die Frage des Klimaschutzes vor allen Dingen und die Frage der Sicherheit für die Bevölkerung. Wir haben immer gesagt, die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, und jetzt müssen wir klar machen, dass die Brücke halt deutlich kürzer ist, als wir noch im letzten Jahr geglaubt haben. Das wird aber nur dann am Ende glaubhaft, wenn wir auch den Zubau an regenerativen Energien deutlich forcieren werden. Beides bedingt sich einander.

    Heckmann: Pardon, Herr Hauk. Der CDU-Wirtschaftsflügel, der fordert, jetzt schon Revisionsklauseln einzuziehen bei der Energiewende, beim Ausstieg aus der Atomkraft. Würde die Union aus Ihrer Sicht diese Glaubwürdigkeit, die Sie gerade eben angesprochen haben, zurückgewinnen, wenn eine solche Klausel eingearbeitet würde?

    Hauk: Das mag sein, aber ich halte das nicht für unabdingbar notwendig, sondern der entscheidende Punkt ist doch der: Ich glaube, unsere Frage an Glaubwürdigkeit hängt ganz entscheidend damit zusammen, dass wir die Alternativen hochhalten. Die Menschen wollen doch keinen Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Tschechien, sondern der entscheidende Punkt ist, dass wir klar machen, wir steigen schneller aus, wenn es uns gelingt, schneller als bisher regenerative Energien verlässlich als Ersatz dafür bereitzustellen.

    Heckmann: Und zur Not verschiebt man den Ausstieg auch nach hinten?

    Hauk: Zur Not verschiebt man ihn nach hinten, zur Not beschleunigt man ihn. Beides ist möglich in diesem Szenario.

    Heckmann: Herr Hauk, gehört zur Glaubwürdigkeit, die Sie ja wiedererlangen wollen, nicht auch, dass man einräumt, jetzt in Zukunft dann doch bundesweit nach einem Endlager für radioaktive Abfälle zu suchen, wie das ja der Ministerpräsident Kretschmann angekündigt hat?

    Hauk: Nein. Es geht nicht darum, dass man jetzt im Bereich des Endlagers von vorne anfängt. Da machen wir uns nichts vor, auch wenn hier – und das ist ja eine der Konsequenzen aus dem Ausstiegsbeschluss oder aus dem Verlängerungsbeschluss im vergangenen Jahr gewesen – es klar ist, wir erkunden in Gorleben weiter, damit überhaupt das Thema Endlager gelöst wird. Die Kernenergie hat auch deshalb doch auch Schwierigkeiten in der Akzeptanz, weil die Endlagerfrage nicht gelöst wurde, was übrigens von Rot-Grün ganz bewusst in kauf genommen wurde, ja sogar beabsichtigt wurde, diese Frage nicht zu lösen. Und wenn jetzt neue Suchschleifen mit einem Beginn von vorne gefahren werden, wäre das doch am Ende total fatal.

    Heckmann: Aber man hat doch im Prinzip ein bisschen das Gefühl, dass Bayern, Baden-Württemberg, Sie von der Union jedenfalls, immer auf Gorleben zeigen, damit eben im eigenen Bundesland nicht gesucht werden wird.

    Hauk: Nein, das hat damit überhaupt gar nichts zu tun, sondern die Suchschleifen gab es doch schon längst und es ist doch jedem bekannt, jedem seriösen Wissenschaftler bekannt, dass die Salzstöcke in Gorleben immer noch die besten geologischen Schichten am Ende und letztendlich sind.

    Heckmann: Das wird sich wahrscheinlich im Laufe der nächsten Jahre herausstellen, ob das wirklich so ist. – Noch einmal ein kurzes Wort, Herr Hauk, zur Ausrichtung der CDU. Jürgen Trittin, der Grünen-Fraktionschef, hat gestern gesagt, wenn sie die Unions-Stammwähler bedienten, sind sie nicht mehr mehrheitsfähig, und wenn sie sich modernisierten, verlören sie ihre Stammwähler und dadurch auch ihre Mehrheitsfähigkeit. Befindet sich die CDU also insofern in einem ausweglosen Dilemma?

    Hauk: Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ich die "Stammwähler" in Baden-Württemberg beispielsweise sehe, dann ist so ein Stammwähler in Baden-Württemberg ein modern ausgerichteter bürgerlicher Wähler, und ich bin überzeugt davon, dass wir es erreichen werden, dass wir auch in einem modernen Umfeld, dass wir dort unsere Wählerschichten wieder so erschließen, dass wir Volkspartei mit 40 Prozent plus werden. Man muss ja mal sehen, dass wir in Baden-Württemberg mit 39 Prozent jetzt im bundesweiten Vergleich immer noch ein sehr respektables Ergebnis erzielt haben.

    Heckmann: Winfried Kretschmann gibt heute seine Regierungserklärung ab im Stuttgarter Landtag. Wir haben gesprochen mit Peter Hauk, dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Herr Hauk, ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Hauk: Bitte schön! Schönen Tag.

    Heckmann: Ihnen auch.

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