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Die digitale Sirene

Nicht nur PC-Hersteller oder Universitäten, sondern auch der öffentliche Sektor - also Behörden, Verwaltungen, kommunale Dienstleister - stellt auf der CeBIT seine IT-Innovationen aus. So hat Hessen die Messe in Hannover genutzt, um den Startschuss für ein digitales Katastrophenwarnsystem in Frankfurt am Main zu geben.

Von Gerd Pasch | 02.03.2011
    Nur selten noch ertönt das durchdringende Geheule einer Sirene. Die Bedeutung der unterschiedlich lang auf- und abschwingenden Töne kennt auch kaum noch jemand. Feuerwehrleute und Rettungskräfte werden schon lange nicht mehr per Sirene zu Wache oder Einsatzort gerufen. Sie bekommen den Alarm schon lange per Funk oder SMS gemeldet. In Frankfurt am Main werden ab heute auf diese Weise auch die ersten Bürger informiert, wenn es irgendwo im Bereich der Mainmetropole brennt, das Wasser über die Ufer tritt oder Winde eine giftige Wolke in Wohngebiete treibt.

    Möglich macht es das System KATWARN, das Berliner Forscher des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik entwickelt haben.

    Die Zentrale ist der digitale Leitstand des Frankfurter Katastrophenschutzes, über den Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste und Technisches Hilfswerk, aber auch Werksfeuerwehren der Region, verbunden sind. Hier laufen die Informationen zusammen und können nun zielgenau zum Beispiel an betroffene Bewohner weitergegeben werden. Projektleiter Ulrich Meissen:

    "Zielgruppenspezifisch müssen Sie Warnungen unter Umständen anders formulieren, beispielsweise nach Alter, nach kulturellem Hintergrund. Und das untersuchen wir, denn da gibt es in diesem Bereich überhaupt keine Grundlagen. Es gibt kein Handbuch des Warnens, und das hinterlegen wir jetzt sukzessive mit unseren Forschungsarbeiten, wie das mit Technologien, mit den neuen Technologien, die wir zur Verfügung haben, zusammenspielt."

    Die Techniken sind nicht neu. Die Teile des neuen Warn-Systems sind bereits in Nutzerhand, zum Beispiel das Handy. Angemeldete Nutzer erhalten frühzeitig und individuell eine Kurznachricht mit genauen Angaben der Art des Unfalls, der extremen Wetterlage, der Ausbreitung einer giftigen Wolke. Das kann die Leitzentrale gezielt nach Postleitzahlbereichen steuern. Ggf. gibt sie auch Hinweise über einen möglichen Fluchtweg. Und Google-Maps führt zum Sammelpunkt.

    Hinweise erscheinen aber nicht nur auf dem Handy. Auch ins laufende Fernsehprogramm werden die Warnhinweise eingeblendet. Ausgestellt wird auf der CeBIT auch ein Warngerät aus Israel, das wie eine Sirene alarmiert, zusätzlich aber über das Display auch Verhaltenshinweise vermittelt werden. Oder ein herkömmlicher Rauchmelder, der mit einem Funkempfangsmodul ausgerüstet die Warnungen aus der Zentrale in Sprache ausgibt, gedacht für Menschen in Unternehmen oder in öffentlichen Gebäuden ohne Handy. Das KATWARN-System in Frankfurt am Main freigeschaltet hat heute Horst Westerfeld, Staatssekretär im hessischen Finanzministerium und der IT-Experte für die öffentliche Verwaltung des Landes:

    "Das ist das Entscheidende an diesem neuen System, dass es ein zusätzlicher Bürgerservice ist, für Katastrophen, dass wir vor allem für die Bürger noch mehr Schutz und Sicherheit bekommen."

    Die Fraunhofer-Forscher nutzen für KATWARN vorhandene Infrastruktur, die intelligent verknüpft werden. Das System bezieht den digitalen Behördenfunk genauso ein wie das Internet. Wer teilhaben will, meldet sich über das Netz an und gibt den Zugriff auf die hauseigene Technik frei. Entwickler Ulrich Meissen:

    "Wir können direkt in die Haustechnik hinein, das heißt, wir können unsere Systeme an Gebäudetechnik von großen Bürogebäuden, aber auch vom kleinen Passivenergiehaus mit anschließen, automatisch Fenster schließen, Rollläden einfahren und entsprechend Ventile schließen, wie wir es beispielsweise in der Industrie tun. Da geben Sie einfach eine sogenannte IP-Adresse Ihres Hauses an, und der Rest geschieht dann durch das System. Das erkennt, ich habe hier einen Fernseher, kann mich da direkt anschließen, ich habe hier ein Fenster, kann es direkt ansteuern. Das sind Leistungen, die über Handwerksbetriebe vor Ort vermittelt werden können und sehr einfach integriert werden können mittlerweile.

    Für das Frankfurter Projekt rechnen die Experten damit, dass sich jeder 10. Haushalt beteiligen wird. Eine ausreichend große Teilnehmerzahl, sagt Ulrich Meissen, um die klassischen Sirenen abschalten zu können. Denn jeder Teilnehmer ist auch Multiplikator, der seine Familie, Nachbarn, Freunde, Kollegen umgehend informiert, wenn er so digital gewarnt wird.