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Die dritte Kraft

Neben Forschung und Lehre muss ein erfolgreicher Hochschulstandort auch beim Service punkten. Gerade Studierende aus dem Ausland sind auf Beratung und Hilfe angewiesen. Diese Erkenntnis setzt sich bei den Architekten des Bologna-Prozesses in der Politik aber nur langsam durch, kritisierten Experten auf der Internationalen Bologna-Konferenz zum Thema "The Social Dimension" in Berlin.

Von Philip Banse | 13.07.2011
    "Unter Student Services, unter Student Affairs versteht man Service- und Beratungsangebote, die es den Studierenden ermöglichen, sich auf ihr Studium zu konzentrieren","

    sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk, der Institution, die sich dieser Aufgabe in Deutschland annimmt: Wie kommen Abiturienten an die Hochschulen? Wo finden Studierende eine Wohnung? Wie finanzieren sie ihr Studium? Kindergerechtes Studieren, Studieren für Migranten, für Menschen aus mittellosen Familien, aber auch psychologische und Berufsberatung. Zwölf Jahre nach den Bologna-Beschlüssen, würden sie langsam umgesetzt, sagt Stefan Grob. Die Folge:

    ""Der Bedarf an Student Services wächst deutlich, wächst in einigen Ländern sogar dramatisch. Mobilität - da kommen plötzlich Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern, müssen irgendwo unterkommen, müssen eine Studienfinanzierung bekommen, brauchen studienbegleitende Beratung. Das heißt, es wächst die derer, die von Bologna profitieren wollen."

    Studien hätten bewiesen: je besser der Service für Studierende, desto weniger Abbrecher. Dennoch würden die Studienbedingungen im Bologna-Prozess immer noch stiefmütterlich behandelt, klagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. Minister schauten vor allem auf Lehre und Forschung, Studentenwerker müssten endlich auf Augenhöhe im Bologna-Prozess mitreden dürfen:

    "Es ist ein Unding, dass die europäischen Studierendenvereinigungen, die europäischen Hochschulvereinigungen auf gleicher Augenhöhe mit den Bologna-Ministern sprechen, aber die Student-Services-Organisationen nicht. Da würden wir uns mehr Aufmerksamkeit der Minister wünschen, und auch, dass sie sagen, ihr dürft mit an den Tisch."

    "Warum dürfen wir nicht mit an den Tisch?","

    fragt Jean-Paul Roumegas, vom französischen Studentenwerk Cnous. Es gibt in Europa Streit um das richtige Modell. Wie soll der Service für Studierende organisiert werden? Brüssel will sich nicht auf ein Modell festlegen.

    Der Systemstreit war ein zentrales Thema der Konferenz. Auf der einen Seite Frankreich, wo alles zentral vom Staat geregelt wird, unabhängig von den Unis; auf der anderen Seite die USA, wo Student Services von jeder Hochschule organisiert werden. Ein Mischmodell ist das Deutsche Studentenwerk: zu zwölf Prozent vom Staat finanziert, aber von den Hochschulen unabhängig. Brian Sullivan, von der University of Britisch Columbia in Kanada, hat amerikanische und europäische Ansätze verglichen.

    Groß und günstig - das seien die Vorzüge des europäischen Systems, sagt der kanadische Forscher - und kommt zu den Nachteilen. So kosteten die Verwaltungsprozesse an den Hochschulen zu viel Energie.

    ""Zum Beispiel: Online-Registrierung für Seminare. Studierende sollten sich am Anfang des Semesters keine Gedanken machen müssen, ob sie in ein Seminar reingekommen sind oder nicht. Das ist für nordamerikanische Gast-Studierende ein Riesenproblem. Es muss möglich sein, sich frühzeitig und verbindlich für Seminare zu registrieren."

    Auf der Konferenz wurde klar: Die Universitäten müssen noch viel Basisarbeit leisten. Welche Serviceangebote haben wir? Wo wollen wir hin? Wie überprüfen wir den Fortschritt? All da müsste online dokumentiert werden, damit Studierende einfach vergleichen können und Wettbewerb entsteht. Der kanadische Forscher Brian Sullivan kritisiert, dass etwa das Deutsche Studentenwerk zu wenig mit den einzelnen Hochschulen kooperiere:

    "Wenn die miteinander reden würden, wie sie den Service für Studierende verbessern können, dann würden Wohnung, Beratung, Verpflegung gezielter verbessert - vor allem für Migranten oder Studierende ohne Geld. Da arbeiten Studentenwerk und Hochschulen nicht Hand in Hand und die Studierenden erleben das nicht als durchdachten Service."