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Die entscheidende Phase

Der März gilt in Frankreich als ein entscheidender Monat, in dem sich traditionell die Wählerentscheidung herausbildet, bevor es im April an die Wahlurnen geht.

Von Ursula Welter | 08.03.2012
    Für Sarkozy werde es schwer das Ruder noch herumzuwerfen, sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts IPSOS, Jean-Francois Doridot. Sarkozy bleibe nichts anderes übrig bleiben, als den Ton zu verschärfen. Und der Amtsinhaber tut es. Warum nicht zugeben, dass Einwanderung ein Problem sein kann, sagt er bei der einen Gelegenheit. Frankreich werde die Zahl seiner Einwanderer nahezu halbieren, verspricht er bei einer anderen.

    Diese Gelegenheit war eine Premiere: drei Stunden Fernsehinterview mit dem Staatspräsidenten, der nun Wahlkämpfer ist, zum ersten Mal außerhalb des Élysée-Palasts, Livesendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehstudio. Drei Stunden, die Nicolas Sarkozy für Entschuldigungen nutzte, privater und politischer Natur. Ja, 2007 den Wahlsieg in einem Nobelrestaurant zu feiern, das sei falsch gewesen, aber er habe damals große private Sorgen gehabt, versuchte der Präsident zu punkten. Sarkozys Ehe war damals wenig später in die Brüche gegangen.

    Er, so konterte umgehend Herausforderer Hollande, respektiere das Privatleben, auch das des Präsidenten, aber öffentlich zur Schau stellen, das sei nicht richtig.

    Im Spiel um die Frage, wer wird gewinnen, gelten diese Tage im März als die entscheidenden Tage. Bis Mitte des Monats schäle sich traditionell die Wählerentscheidung heraus, sagen die Forscher. François Hollande hatte zuletzt die Schlagzeilen auf seiner Seite, 75 Prozent Reichensteuer für Einkommen oberhalb einer Million Jahreseinkommen, damit bediente er seine Klientel. Sarkozys Wahlkämpfer wurden nervös und räumten ein, man müsse das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. Vorgeschickt wurde Innenminister, Claude Guéant. Das kommunale Wahlrecht für Ausländer, das die Sozialisten wünschen, und das Halal-Fleisch der Muslime in den öffentlichen Kantinen kochte Sarkozys Mann für Themen am äußerten rechten Rand in einem Satz zusammen.

    Das Halal-Fleisch, das Schlachten nach religiösen Regeln, das sei es, was die Franzosen beschäftige, begründete der Chef der Regierungspartei UMP, François Copé, den Vorstoß. Ministerpräsident François Fillon persönlich spitzte das Thema zu und nannte religiöse Speisen, seien sie koscher oder halal, altertümlich.

    Wahlkampf mit Parolen des rechtsradikalen Front National, diesen Vorwurf wies Nicolas Sarkozy zurück. Und doch sind es die Wähler von Marine Le Pen, die interessieren. Mit knapp zwanzig Prozent würde sie im ersten Wahlgang zwar nur auf Platz drei landen, hinter Hollande und Sarkozy, aber entscheidend ist der zweite Wahlgang am 6. Mai und die Frage, wohin Le Pens Anhänger dann wandern.

    Sarkozy sei auf der ganzen Linie gescheitert, sagt Marine Le Pen, die ihren Vater, Jean-Marie Le Pen, den Hardliner, für den Wahlkampf reaktiviert hat.

    Marseille, die Stadt mit der hohen Kriminalitätsrate sei dafür ein Beispiel, ruft sie ihren Anhängern zu und stellt die Frage in den Raum: "Wo ist der Kärcher?", in Anlehnung an eine frühere Äußerung des einstigen Innenministers Sarkozy, der die brennenden Vorstädte in Frankreich mit dem Hochdruckreiniger säubern wollte.

    In den Banlieues sei es ruhig geblieben, seit er Präsident sei, zieht Nicolas Sarkozy seine eigene Bilanz. Auch habe er Frankreich vergleichsweise erfolgreich durch die schwere Finanzkrise gesteuert. Die Fakten sprächen für sich. Ob das reicht? Wahlforscher Jean-François Doridot hat Zweifel. Derzeit sähe es nicht so aus, als könne Sarkozy das Vertrauen der Franzosen zurückgewinnen, sein Image aufpolieren.

    Der Kandidat der Sozialisten, Hollande, werde als sympathisch wahrgenommen, für Nicolas Sarkozy gelte das nicht.

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