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Die Espressobiene

Das Geld liegt auf der Straße - diesen Spruch hat Gerald Walter wörtlich genommen, um sich aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Existenz aufzubauen. Seit langem wollte er ein Café eröffnen, doch das war zu teuer für den Telekommunikationstechniker. Sein Café steht deshalb auf drei Rädern und kann in Freiburg besucht werden.

Von Nils Theurer | 27.06.2008
    Punkt sieben Uhr dreißig - Gerald Walter scheppert übers Kopfsteinpflaster auf den Stühlinger Kirchplatz in Freiburg - Sein lindgrünes Dreirad ist so ein italienischer Bonsaibrummi - eine ape, das bedeutet "Biene".

    " Das Ding, das Stand in Wolfsburg - ich habe das da ersteigert. "

    Gerald Walter parkt sein Dreirad auf dem Wochenmarkt -
    akkurat zwischen Käse- und Gemüsestand. Zuerst klappt er die Seitenteile nach oben, dann zieht er seine Kaffeemaschine aus dem Laderäumchen: Der original italienische Rancilio Espressobruzzler ist so ein Riesenbrummer mit Filtern zum Ausklopfen.

    " Die habe ich auch über Ebay ersteigert, habe sie zu Hause auseinandergebaut und wieder zusammengebaut und jetzt läuft sie wieder perfekt. "

    Sein Kaffee soll nämlich nicht nur mobil sein, sondern etwas ganz Besonderes

    " Soll der beste werden von Freiburg. "

    Deswegen gibt's bei ihm keine gut gemeinten Attribute, solche Zuckertütchen, Amarettoklöpse oder etwa Kakaostreuer mit Herzmuster. Doch wer schlicht besten Kaffee servieren will, muss ihn erst mal finden

    " Ja, das war nicht so einfach: Ich habe ein paar Leute eingeladen, hab verschiedene Kaffeebohnen getestet, ausprobiert - und dann den besten Espresso herausgefunden. "

    Danach hat er seinen italienischen Transporter ausgestattet.

    " Am Bodensee habe ich das zusammen mit einem Freund restauriert, die ganzen Sachen eingebaut, die jetzt drin sind - also jedes Teil ist eine Extraanfertigung davon. "

    Ein kleines bisschen Kult ist sein Dreirad jetzt schon, wie schmeckt denn der Kaffee?

    " Ich finde ihn wunderbar - sehr lecker. Also er hat nicht so diesen scharfen Nachgeschmack, wie man das oft hat bei Espresso. "

    " Ich hätte gerne eine Latte Macchiato, einen Cappuccino und zwei von diesen Teilen hier. "

    " Der Kaffee ist super, das Ambiente ist klasse, hier kann ich auch einen Espresso trinken ohne Zucker, mit nix drin, der schmeckt einfach, der hat eine gute Note. "

    Sein Konzept überzeugte nicht nur die Kundschaft, sondern auch die Agentur für Arbeit, die im ersten Jahr Arbeitslosengeld und eine kleine monatliche Förderung für Existenzgründer auszahlte - und seine Hausbank:

    " Ich habe einen Kredit aufgenommen bei der Bank, den zahle ich zurück. Und nach den jüngsten Hochrechnungen kommt das auch alles hin, also ich kann das gut zurückzahlen. Es ist jetzt nicht so, dass ich reich werde, sondern dass ich gut existieren kann. "

    Nach einem Jahr lässt sich ganz gut sagen, bei wie viel Tassen guter oder auch einmal ein ermüdender Tag liegt:

    " An so einem Tag verkaufe ich vielleicht um die 50 Kaffees. Im Durchschnitt sollten es eigentlich 130 Tassen sein pro Tag. Am Samstag sind es so zwischen 200 und 300 Tassen. "

    Die Preise blieben bei ihm angenehm tragbar und stabil - der Espresso kostet 90 Cent - sein Programm hat er vorsichtig angepasst.

    " Am Anfang habe ich mal Tee mit angeboten, das lief gar nicht, das hab ich dann wieder rausgenommen. "

    Neben zwei Terminen beim Wochenmarkt steht seine Biene nun auch Donnerstags und Freitags in einem Einkaufszentrum in einem gehobenen Stadtviertel, durch das "ape cafe" verspricht man sich bereits Anerkennung:

    " Der Stühlinger Bürgerverein hat beschlossen, dass ich hier zwei, drei Nachmittage im Park stehen soll um den ein bisschen aufzuwerten. "

    Mit der Software des Bundeswirtschaftsministeriums erstellte Gerald Walter eine einfache Liquiditäts- und Rentabilitätsvorschau, Plan und Realität deckten sich, dass für jeden Euro Ertrag etwa zwei Euro Umsatz notwendig sind. Sein übersichtlicher Businessplan führt unter anderem 600 Euro für Werbung und seine Homepage auf, sie wurde erst vor wenigen Wochen realisiert und fand gleich Beachtung:

    " Letztlich hat mich jemand angerufen aus der Schweiz, die suchen jemand für die EM in Zürich - ein privater Radiosender. Direkt am See auf einem Platz. Die sind auf mich übers Internet gekommen. Ich hab ein paar Tage gebraucht, um zu überlegen, ob ich das mache oder nicht, und jetzt habe ich mich entschieden und habe gestern die Zusage gekriegt von denen. "

    Gleichzeitig widerstrebte es ihm, die Stammkundschaft zu benötigen. Und so wird er in Kürze eine art Franchisenehmer von sich selbst.

    " Das war noch mal eine Entscheidung: Früher oder später brauchte ich eh' ne zweite ape - schon als Ersatz, wenn eine mal ausfällt. Deswegen habe ich eine zweite besorgt, die wird jetzt umgebaut. "

    Egal, ob er mit Biene eins oder zwei, er kommt nirgends schnell hin, aber er kommt:

    " Man kann mich buchen für Veranstaltungen, Hochzeiten, Gartenfeste, Events - also ich habe auch schon alles mögliche mitgemacht. "

    ein Uhr - jeder andere hätte einen Tennisarm vom Filter ausklopfen. Gerald Walter ist immer noch bestens gelaunt - und schick ausgerüstet mit langer Schürze und Fliege - er plaudert dann noch ein wenig mit den Marktleuten. Die kleinste Gastro-Spülmaschine wäscht die letzte Fuhre ab, und dann duckt sich der Kaffeekocher in seine Ape und knattert zum Mittagessen.


    Kontakt: www.ape-cafe.de