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Die EZB baut dem Schuldenschnitt vor

Ein baldiger Schuldenschnitt für Griechenland rückt offenbar in greifbare Nähe. Die privaten Gläubiger sollen auf 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Doch reicht das nicht, könnten auch die öffentlichen Gläubiger zur Kasse gebeten werden. Die EZB baut deshalb offenbar vor.

Von Michael Braun | 17.02.2012
    Die Gerüchteküche wird dichter, für die Märkte ein Zeichen dafür, dass die Rettung Griechenlands nahe ist. Dabei werden auch schlechte Nachrichten gehandelt. Die etwa: Trotz aller Sparmaßnahmen, Auflagen und Zusagen sei die gewünschte Schuldenquote von 120 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung immer noch nicht erreicht. Aber es werden auch neue Zusagen nachgeschoben: Die Euro-Staaten könnten die Zinslast aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland senken. Oder, wenn schon nicht die Europäische Zentralbank, so könnten doch die nationalen Notenbanken an einem Schuldenschnitt für Griechenland teilnehmen. Juristisch sauber wäre das nicht, sagt Helmut Siekmann, Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht an der Universität Frankfurt:

    "Die Europäische Zentralbank und das System der Europäischen Zentralbank dürfen den Mitgliedern der Eurozone keine Kredite zur Staatsfinanzierung einräumen. Das bedeutet, dass sie erst recht nicht diesen Mitgliedstaaten Geld schenken darf."

    Doch es wäre quasi ein Geschenk, wenn etwa die EZB ihre mit einem Abschlag von geschätzten 40 Prozent auf den Nennwert gekauften griechischen Anleihen nun in die Umschuldung gäben und – wie die privaten Gläubiger – auf rund 70 Prozent verzichtete.

    Das wollen aber nicht alle privaten Gläubiger. Deshalb wird überlegt, Griechenland solle sie per Gesetz über eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen dazu zwingen. Auch dies juristisch höchst risikoreich:

    "Es bestehen immer verfassungsrechtliche Bedenken. Es könnte sich sogar um eine Verletzung der europäischen Menschenrechtscharta handeln."

    Sagt der Professor für Währungsrecht Helmut Siekmann.

    Doch solche Bedenken durchzusetzen, davon will sich die EZB offenbar nicht abhängig machen. Sie ist mit geschätzten 50 Milliarden Euro größter Einzelgläubiger Griechenlands und will ihre Papiere vor dem Versuch retten, über geänderte Anleihebedingungen zum Schuldenschnitt beizutragen. Sie will deshalb, so ist zu hören, übers Wochenende ihre alten griechischen Staatsanleihen gegen solche mit neuen Wertpapiernummer umtauschen. Auf die träfe das neue Gesetz, das die Anleihebedingungen änderte, nicht zu.

    Gesprächspartner in den Banken schäumen, sprechen von "Trickserei" und "Rechtsbeugung". Und auch marktnah beobachtende Analysten sehen die EZB in einer schwierigen Lage, nachdem sie entschieden hatte, trotz Staatsfinanzierungsverbots Staatsanleihen zu kaufen, nun aber den Risiken ausweichen will. Ulf Krauss, EZB-Beobachter der Landesbank Hessen-Thüringen:

    "Es zieht natürlich eine Tat die andere nach sich. Das ist eben das Problem, das die EZB hat. Sie muss jetzt korrigieren, muss sich eben aus diesem Sumpf selber rausziehen. Sie darf Griechenland nicht finanzieren. Und durch diesen juristischen Trick gelingt ihr das auch. Man zeigt jetzt sehr viel Flexibilität bei der EZB. Das ist auf der einen Seite in dieser Krise gut. Auf der anderen Seite wird man vielleicht im Nachhinein sagen: Mein Gott, wo hat das alles hingeführt."

    Eins dürfte schon klar sein: Wenn Investoren sehen, dass die EZB sich bei Griechenland nicht am Schuldenschnitt beteiligt und ihre griechischen Anleihen quasi mit einem Privileg ausstatten lässt, dann werden sie befürchten, dass die Zentralbank auch bei Zahlungsproblemen anderer Länder so handeln wird. Dann dürften die Risikoaufschläge für Staatsanleihen steigen. Doch das wird erst mittelfristig wirken. Heute wurde darauf spekuliert, dass das zweite Rettungspaket für Griechenland am Montag stehe. Der Euro legte zu und die Renditen etwa für Anleihen aus Spanien und Italien sanken.