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Die gekühlte Stadt
Mit Regenwasser gegen die Hitze

Bei Temperaturen von 30 oder 40 Grad heizen sich Städte auf. Die Geschäftsfassaden aus Stein und Glas strahlen die Hitze zurück. Vor allem die Innenstadt gleicht einem Backofen. In Bochum soll aufgefangenes Regenwasser für Kühlung sorgen.

Von Kai Rüsberg | 14.08.2015
    Drei Frauen sitzen am Kemnader See in Bochum in der Sonne.
    Drei Frauen sitzen am Kemnader See in Bochum in der Sonne. (dpa / picture alliance / Maja Hitij)
    Marko Siekmann ist als Abwasserexperte von der Technischen Hochschule Aachen zum Tiefbauamt der Stadt Bochum gewechselt. Sein Projekt: Neue Ideen, damit die Stadt im Ruhrgebiet besser mit dem Klimawandel zurechtkommt. "Der Klimawandel wird überall sichtbarer. Wir müssen uns anpassen. Klimawandel ist ein Prozess der nächsten Dekaden, aber wir müssen jetzt anfangen. Maßnahmen auch probieren, zeigen, kommunizieren, damit die Bevölkerung weiß, dass Wasser künftig anders behandelt wird als heute."
    Der 100 Jahre alte Stadtparkteich dient bislang nur zum Ruderboote fahren. Doch er kann mehr, meint der neue Entwässerungsfachmann der Kommune. Der Teich soll künftig auch dazu dienen, bei Starkregen die Wassermengen zurückzuhalten und in Hitzephasen einen Teil des Wassers zur Kühlung der Nachbarstraßen wieder abzugeben. "Ziel ist es, das Regenwasser, was in den Stadtparkteich läuft, am Ende des Stadtparkteiches auch nicht mehr in das Mischsystem abzugeben, sondern dann aus dem Mischsystem auszuleiten und in einem separaten Regenwasserkanal, also einen Reinwasserlauf in Richtung Schmechtingsbach weiterzuführen." Geplant ist ein offener Bachlauf, der kühlend entlang der Wohnstraßen läuft und oberirdisch das Wasser ableitet sowie bei Extremwetter die Kanalisation entlastet. "Wenn wir wieder einen Starkregen haben, über eine solche Trasse von einem Grün zum nächsten zu leiten, ohne dass der Gebäudebestand überflutet wird."
    Versickern geht nicht überall
    Bei Starkregen gibt es in Bochum so wie auch in anderen Kommunen regelmäßig vollgelaufene Senken, wo das Schmutzwasser aus der Kanalisation und weiter in die Keller der Nachbarhäuser strömt. Zudem verursachen diese großen Wassermenge dann auch Probleme in den Kläranlagen. "Wir haben in Bochum in den meisten Bezirken Mischwasserkanäle. Das Schmutzwasser fließt mit dem Regenwasser gemeinsam."
    An der Bochumer Ruhruniversität entwickelt man Konzepte, Regenwasser erst gar nicht ins öffentliche Kanalsystem zu lassen, sondern auf dem Grundstück zu halten. Bei den ersten industriellen Neubauten wurden nun Sickerflächen geplant, die zusätzlich für Kühle sorgen. Doch Versickerung ist aufgrund von Altlasten im Boden nicht überall erlaubt, sagt Klimatologin Monika Steinrücke. "Viele Industriegebiet leiden darunter, dass man gar nicht versickern darf. Da war man gezwungen, über die Kanalisation abzuführen. Und da gibt es jetzt neue Ansätze, das zu verdunsten, sodass man die Verdunstung als Kühlungspotenzial für die aufgeheizten Städte nutzen kann."
    Ein anderer Umgang mit Regenwasser
    Nach Einschätzung der Wissenschaftlerin decken sich die künftig zu erwartenden Einsparungen mit den Kosten für eine Bewirtschaftung des Regenwassers auf dem eigenen Gelände. "Das wird sich rentieren, da die Kanalgebühren reduziert werden. Da ist für die Unternehmen ein gewisser Anreiz da. Es gibt im Ruhrgebiet schon Beispiele. Was in Forschungsprojekten jetzt gefragt wird, was bringt das für die Kühlung der Innenstädte."
    Der neue Umgang mit Regenwasser in Bochum soll auch als Beispiel für andere Städte dienen. Die Stadt will sowohl Bauherren, als auch die Bürger auf die Bedeutung von großen Regenwassermengen und natürlicher Kühlung in Zeiten des Klimawandels aufmerksam machen. Einerseits sollen sie sich beteiligen und andererseits Baumaßnahmen akzeptieren, so Marko Siekmann. "Der Bürger ist bereit, anders mit Regenwasser umzugehen. Wasser im Straßenraum zu dulden. Er weiß auch, dass wir anders mit diesen extrem großen Wassermengen umgehen müssen. Das Leitbild, Wasser in der Stadt von morgen. Und das wird eher sichtbar, als vergraben sein."
    Alle geplanten Umbauten zusammen werden einige Millionen Euro kosten. Doch das ist Geld, das durch die Vermeidung neuer Hochwasserschäden sich rentieren wird.