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Die Geliebte des Zaren

Der verheiratete russische Zar Alexander II. wurde von seiner wesentlich jüngeren Mätresse Fürstin Katja nur "kleiner Kuckuck" genannt. In einem Kölner Auktionshaus kamen die Briefe unter den Hammer. Doch sie waren zu teuer und wechselten nicht den Besitzer.

Von Anastassja Boutsko | 23.03.2007
    " Da, wo es intim wurde, wurde auf Russisch ausgedrückt ... ."

    ... sagt Joachim Haber, Mitarbeiter des Auktionshauses "Venator und Hanstein", und meint damit wohl "sehr intim", denn einen intimen Charakter hat ja jede Zeile der Briefe, die Alexander der Zweite, "Herrscher von ganz Groß-, Klein- und Weißrussland", und seine fast dreißig Jahre jüngere Geliebte, Fürstin Ekaterina Dolgorukaja, gewechselt haben:

    "Diese acht Tage Abstinenz waren unerträglich," - schreibt Katja ihrem "kleinen Kuckuck" Alexander. - Aber "heute schlafen wir zusammen wie die Katzen, es wird süß und lustig -"

    " Katja erfindet den Euphemismus "Bingerles". Bingerles ist nichts anderes als Geschlechtsakt ... "

    Es ist ein komisches Gefühl, diese nicht für fremde Augen bestimmte "Aphrodisiaka" in den Händen zu halten. Katjas Briefe - mit einer fliegenden, impulsiven, aber durchaus deutlichen Handschrift verfasst - fordern den Geliebten heraus: "Ich hoffe, wir werden diese Nacht mindesten dreimal ineinander fließen". Alexander - auch in seiner Handschrift herrschaftlich und diszipliniert - geht darauf ein: "Ich brauche Dir nicht zu erklären, dass unsere Bingerles mir, so wie Dir, den Taumel der Lust beschert haben".

    " Katja beschreibt sexuelle Praktiken, die ich jetzt gar nicht zu wiedergeben wage ... "

    Die junge Aristokratin (und ein Vorfahre von Ekaterina war legendärer Gründer von Moskau, Fürst Jurij Dolgorukij) ist nicht nur erstaunlich emanzipiert, sondern auch wohl belesen: französische Ausdrücke wie etwa (zu Deutsch) "ich will dich trinken" verraten ihre Bekanntschaft mit den Klassikern der französischen erotischen Literatur (wie Marquis de Sade). Man wundert sich nicht, dass diese Frau so ziemlich alles erreicht hatte, was sie wollte: 1870 zog sie ins Winterpalais ein, brachte drei Kinder zur Welt. Sie stand ihrem fast Ehemann - der Zar nennt sich ihr "petit mari" - auch in politischen Fragen mit Rat zur Seite.

    In der Verbindung scheinen beide eine vollkommene Erfüllung gesucht und gefunden zu haben.

    1880, nach dem Tod der Zarin Maria Alexandrovna (alias Marie von Hessen-Darmstadt, eine deutsche Prinzessin) wurde auch kirchlich geheiratet. Nur wenige Monate später wirft der Antimonarchist Ignatij Grinenvizkij eine Bombe unter die Räder der Zarenkutsche. Alexander, mit abgerissenen Beinen, stirbt an Blutverlust. Die Petersburger Gesellschaft vermutet eine "Strafe Gottes" für die Dolgorukaja-Affäre. Katja geht mir ihren Kindern - und ihren Briefen - nach Nizza, sie stirbt 1922.

    Da die beiden sich fast täglich schrieben und das Verhältnis über 14 Jahre dauerte, entstand ein Konvolut von mehreren tausend Briefen. Die meisten von ihnen wurden von der Familie Rothschild aufgekauft und gingen in den 70-er Jahren nach Moskau, ins Russische Staatsarchiv - getauscht gegen das von Russen nach dem Krieg erbeutete Archiv der Rotschilds. Der Briefwechsel gehört bis heute zu den streng geheim gehaltenen Dokumenten. Er wird wohl immer noch als "imageschädigend" für Zar Alexander, einen der größten Reformatoren auf dem russischen Thron, eingeschätzt - dem Abschaffer der Leibeigenschaft werden eigene Leibesfreuden nicht gegönnt.

    Jedoch tauchen im Westen immer wieder einzelne schriftliche Nachweise der Zarenliebe auf: so wie jetzt in Köln, wo Alexanders Briefe auf 13, und Katjas gar auf 19 Tausend Euro geschätzt waren.

    ""Sex sells" - das ist das Stichwort."