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Die Götter aus der Tiefe

Archäologie. - Franck Goddio ist der bekannteste Vertreter der Unterwasserarchäologie und mischt schon seit Jahren die etablierte Szene auf. Seit Mitte der 90er Jahre sucht er vor dem Nildelta Ägyptens nach untergegangenen Städten. Er fand unter anderem Teile des ehemaligen Königsviertels von Alexandria – und in der Bucht von Abukir die versunkene Stadt Heraklion. Beiden Fundstellen hat er auch in diesem Jahr wieder einen Besuch abgestattet.

Von Arndt Reuning | 30.08.2007
    "Jeden Tag entdecken wir etwas Neues. Wir reisen in die Vergangenheit. So kann man das wohl sagen. Die ganze Zeit über hat niemand diese Gegenstände berührt. Wir sind hier, um sie zu entdecken – und so machen wir das einfach."

    Jean-Claude Roubaud ist Cheftaucher an Bord der "Princess Duda", dem Expeditionsschiff von Franck Goddio. Einer seiner Kollegen bereitet sich gerade auf einen Tauchgang vor, bei dem ein wichtiges Fundstück geborgen werden soll, ein Opfertisch aus einem Tempel. Von vielen Objekten ist genau bekannt, wo sie sich unter Wasser befinden. Aber nur wenige, die besonders wichtige Aufschlüsse über das Leben im antiken Ägypten geben könnten, werden auch an Land gebracht. Verzeichnet sind alle Fundstücke auf einer elektronischen Karte im Laptop von Franck Goddio:

    "”Wir befinden uns hier in der Bucht von Abukir, sechs Kilometer vor der Küste. Das ist das Gebiet, das wir betrachten. Elf mal zehn Kilometer. Im Jahr 1997 haben wir hier unsere systematische Suche begonnen. Nach einigen Jahren konnten wir zeigen, dass dieses Stück See einst festes Land gewesen ist, das dann aber komplett versunken ist – aufgrund von verschiedenen Katastrophen.""

    Unter anderem hat vermutlich eine gigantische Flutwelle dazu geführt, dass die griechisch-ägyptische Stadt Heraklion im Meer versunken ist. Lange Zeit war sie ein wichtiges Handelszentrum gewesen. Unter Alexander dem Großen begann sie aber, ihre Bedeutung einzubüßen – zugunsten des neu gegründeten Alexandria. Im achten Jahrhundert nach Christus schließlich versank sie vollständig im Meer. Auf diese Weise wurden die weitläufigen Tempelanlagen und viele Kultobjekte zirka zehn Meter unter Wasser konserviert – bis auf den heutigen Tag.

    Den steinernen Opfertisch haben die Taucher inzwischen mit einem Kran an Bord gehievt. Mit Meerwasser halten sie ihn feucht, bis er in ein Entsalzungsbad gebracht wird. Aber noch liegt er auf den Planken, nicht viel größer als ein handlicher Koffer und ganz aus schwarzem Granit gearbeitet. In seine Oberfläche ist eine vasenförmige Figur gemeißelt. Goddio:

    "Nahe bei dem Opfertisch haben wir ein Bronzeamulett gefunden. Und was uns wirklich erstaunt hat: Dieses Amulett trägt dasselbe Zeichen, es symbolisiert den Tisch und muss deshalb ein wichtiges Kultobjekt gewesen sein. Allerdings wissen wir noch nicht, wem der Tempel geweiht gewesen ist. Aber in der Nähe haben wir eine Bronzestatue gefunden, die Osiris darstellt. Vielleicht befinden wir uns in einem Heiligtum von Osiris, aber noch ist das Spekulation."


    Am Heck des Schiffes, unter einer Markise, hält Olivier Berger solch eine Götterstatue in Händen. Schwarz und nicht viel größer als seine Handfläche. Es sieht so aus, als würde er die Konturen der Statue mit seinem Bohrer nacharbeiten. Berger:

    "Wir entfernen hier alle festgebackenen Sedimente, die an den Objekten haften. Um den nachfolgenden Schritt zu unterstützen, die Entsalzung. Das Material ist wie ein Schwamm mit Salzwasser vollgesogen. Und wir versuchen, das Salz heraus zu lösen. Damit helfen wir unserem Labor an Land."

    Die Statue des Osiris, teilweise noch mit Blattgold verziert, unterstreicht die Bedeutung, die dem ägyptischen Gott in Heraklion zuteil wurde. In der Antike fand dort und in der Nachbarstadt Kanopus jährlich ein Fest statt, das die Wiedergeburt von Osiris feierte. Die Kunstgegenstände, die bei der diesjährigen Expedition gefunden worden sind, könnten neue Erkenntnisse dazu liefern, welche Rolle die Stadt Heraklion als religiöses Zentrum spielte. Genaue Analysen sollen in den kommenden Monaten stattfinden.