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Die Größe des ökologischen Fussabdrucks

Ansprung und Realität gehen bei den Bundesbürgern auseinander, wenn es um den Schutz der Umwelt geht. So befürwortet zwar eine Mehrheit zum Beispiel Ökostrom, nur ein Bruchteil bezieht ihn aber tatsächlich. Das Umweltbundesamt plädiert deshalb für mehr staatliche Regulierung.

Von Philip Banse | 16.12.2010
    Trotz Finanzkrise ist das Umweltbewusstsein der Deutschen weiter hoch – allerdings bleibt bei vielen das Handeln hinter den eigenen Ansprüchen zurück. "Wir brauchen einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien" – dieser Aussage stimmen 85 Prozent der Deutschen zu. Unter den wichtigsten Politikfeldern liegt Umweltschutz jetzt auf Platz drei, ein Platz mehr als bei der letzten Befragung. Das ergab die Studie des Umweltbundesamtes zum Umweltbewusstsein der Deutschen. Die Studie ist repräsentativ, befragt wurden gut 2000 Menschen. Die Untersuchung sei sehr interessant, sagte der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth:

    "Weil sie deutlich macht, dass die Bevölkerung eine sehr, sehr hohe Wertschätzung für den Umweltschutz hat, der Umweltpolitik einen sehr hohen Stellenwert beimisst und sogar noch mehr erwartet."

    Eine große Mehrheit der Befragten sieht auch die Möglichkeit, selbst mehr für den Umweltschutz zu tun: Zwei von drei Befragten geben an, dass sie gezielt Produkte kaufen, die die Umwelt möglichst wenig belasten. Aber bei vielen klafft eben noch immer eine große Lücke zwischen Sein und Bewusstsein. Gerade die aufgeklärten, besser verdienenden und umweltbewussten unter den Deutschen hinterlassen den größten ökologischen Fußabdruck, wie es der Präsident des Umweltbundesamtes ausdrückt. Ökos in der Theorie sind die größten Ökosünder in der Praxis:

    "Weil sie über höhere Einkommen verfügen, sie leben häufig im Eigenheim im Grünen, haben einen höheren Energieverbrauch. Sie machen auch häufig größere Fernreisen. Während die eher älteren Menschen der traditionell geprägten Nachkriegsgeneration zwar mit Umweltschutz in der Wertvorstellung gar nicht so viel am Hut haben, aber in Wirklichkeit einen viel kleineren ökologischen Fußabdruck haben."

    Denn untere Schichten mit wenig Einkommen und niedriger Bildung reisen weniger, kochen selbst und kaufen öfter regionale Produkte.

    Die gebildeten Schichten mit ausgeprägtem Öko-Bewusstsein könnten am meisten bewirken, wenn sie ihr Sein und Bewusstsein etwas mehr in Deckung brächten, sagt der UBA-Präsident Flasbarth. So nutzen von 100 Deutschen nur acht Ökostrom. Hohes Umweltbewusstsein, mitunter aber wenig ökologisches Handeln – das sei ein bekanntes Phänomen, sagt der Präsident des Umweltbundesamtes, nämlich dann, wenn die Verbraucher vermuten, mit ihrem ökologischen Handeln alleine da zu stehen:

    "Wenn ich auf der Autobahn 100 fahre, weil ich das für ökologisch richtig halte, und alle anderen fahren an mir vorbei, dann sinkt die Neigung, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Das heißt aber nicht automatisch, dass man nicht eine staatliche Vorgabe unterstützt, die dann alle in dieses Handeln zwingt. Und genau das kommt bei der Studie heraus."

    Sie belege nämlich, dass die Deutschen ihre hohen ökologischen Ansprüche vor allem durch staatliche Vorgaben realisiert sehen wollen. Zwei von drei Deutschen erwarten demnach, dass der Staat mehr für den Umweltschutz tut.

    "Das ist für mich ein ganz klarer Auftrag an die Politik, bei Rechtssetzung nicht zu zögerlich zu sein – insbesondere etwa beim Mobilitätsverhalten."

    Ein klares Plädoyer für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.