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Die große Angst vor dem kleinen Pieks

In der National Football Liga NFL haben die Profis Mitte des Jahres einen neuen Tarifvertrag ausgehandelt. Darin wurde nicht nur geregelt, wer künftig wie viel verdient, sondern auch, dass die Spieler ab dieser Saison mittels Bluttests auf das Wachstums-Hormone HGH getestet werden. Doch passiert ist bislang nichts. Die Spielergewerkschaft blockt ab – das ruft jetzt sogar Politiker auf den Plan.

Von Heiko Oldörp | 10.12.2011
    Es klang gut und viel versprechend, was die 32 Besitzer der NFL-Teams und die Spielergewerkschaft NFLPA da im Sommer vereinbart hatten. Man wollte gemeinsam neue Wege gehen und die knapp 1700 Profis fortan auf HGH hin untersuchen. Für diese Tests muss den Athleten Blut abgenommen werden. Nach nunmehr 14 Saisonwochen macht sich jedoch die Vermutung breit, das die kräftigen Kerle große Angst vor dem kleinen Pieks haben. Die Gewerkschaft stellt sich quer. Für Ex-Profi Troy Brown steht fest:
    "Die haben etwas zu verbergen, da sind große Namen involviert. Wenn es ein unbekannter Spieler wäre, würden sie ihn auffliegen lassen. Aber es klingt so, als hätte man Probleme, mit denen man sich diese Saison nicht befassen will."

    Brown hat 15 Jahre für die New England Patriots gespielt und mit dem Team dreimal den Super Bowl gewonnen. Er ist nicht der Einzige, der das Verhalten der NFLPA mit Argwohn betrachtet. Ex-Quarterback Boomer Esiason, 1988 zum "wertvollsten Spieler der Liga" gewählt und heute anerkannter TV-Experte, sagte kürzlich: Zitat: "Viele glauben, dass mindestens 20 Prozent der Spieler HGH nehmen." Deshalb, so Esiason, halte die Gewerkschaft die Sache so lange wie möglich auf.

    Esiasons klare Worte haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die beiden Kongress-Abgeordneten Darrell Issa und Ellijah Cummings machten in einem Brief an NFL-Commissioner Roger Goodell und Gewerkschaftsboss DeMaurice Smith ihren Unmut Luft. Man sei sehr enttäuscht, wie langsam sich diese wichtige Angelegenheit entwickele. Jede Woche ohne Test gefährde die sauberen Spieler und sende jungen Athleten die Nachricht, dass HGH auf höchstem Niveau toleriert werde, heißt es in dem Schreiben. Ähnlich sieht es der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain:
    "Ich bin eher besorgt um den Effekt von HGH bei Highschool-Kids oder College-Athleten, als bei den Profis, die ihre Mit- oder Gegenspieler betrügen, indem sie sich auf unfaire Weise einen Vorteil verschaffen."

    McCain befürwortet eine Anhörung vor dem Congress, Roger Goodell hält einen derartigen Schritt nicht für notwendig.
    "Ich hoffe, dass wir dieses Problem lösen, ohne dass der Congress involviert wird. Wir sind für die Durchführung dieser Tests, seitdem sie 2004 auf den Markt kamen. Es gibt also seit sieben Jahren wissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse und wir halten ihn für einen guten Test."

    Die Gewerkschaft betont jedoch, dass man gerne nähere wissenschaftliche Informationen zu den Untersuchungen hätte und den Beweis, dass diese auch zuverlässig seien. Dabei sind die Bluttests von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA anerkannt und finden seit 2004 bei Olympischen Spielen Anwenung. Troy Brown:
    "Es gibt keine Ausrede, mit den Tests zu warten. Vor allem nicht wenn man sagt, dass die Sicherheit und vor allem Gesundheit der Spieler das Wichtigste sind. Ich weiß wirklich nicht, warum es so lange dauert, dies durchzusetzen."

    Es ist kein Geheimnis, dass die Muskelpakete einiger Football-Profis nicht nur auf hartes Training und reichlich Milch-Shakes zurückzuführen sind. Die NFL stand besonders schlecht da, als die Major League Baseball, die sich in den Neunzigern als Doping-Liga einen Namen machte, vor wenigen Wochen HGH-Tests ohne große Aufregung in ihren neuen Arbeitstarif-Vertrag aufnahm. Seitdem stehen Goodell und sein Glamour-Produkt, das jährlich rund 9 Milliarden Dollar Gewinn einbringt, mehr denn je am Pranger.

    "Wir verlieren das nicht aus den Augen. Wir denken, dass diese Tests richtig sind, deshalb haben wir zugestimmt. Die Tests sind nur wichtig für die Glaubwürdigkeit unseres Sports, sondern auch eine Botschaft an die Kinder – egal welchen Sport sie ausüben."

    Klingt alles gut, doch richtiger Druck auf die Gewerkschaft sieht anders aus. Troy Brown glaubt nicht, dass die Bulttests noch in dieser Saison kommen. Frühestens im Herbst sagt er. Warum nicht früher? Weil die Gewerkschaft erst noch sauber machen müsse, bevor sie Ja sage.

    ""I think they´ve got some problems, that they try to get cleaned up before they say yes.”"