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Die große Martin-Schulz-Show

Auch beim Parteitag der europäischen Sozialdemokraten in Brüssel ging es am vergangenen Wochenende um die K-Frage. Erstmals soll es bei der Europawahl 2014 Spitzenkandidaten aller Parteien geben, die im Falle eines Wahlsieges für den Posten des Kommissionspräsidenten zur Verfügung stehen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gilt als Favorit.

Von Johanna Herzing | 01.10.2012
    Evangelos Venizelos, der ehemalige griechische Finanzminister, trinkt seinen Kaffee nur einen Steh-Tisch weit entfernt. Teslime Top hat trotzdem nur einen kurzen Blick für ihn übrig.

    "Es ist schon das beherrschende Thema."

    Das beherrschende Thema, das ist nicht etwa Griechenland oder die Eurokrise. Jedenfalls nicht für Teslime Top und die anderen SPD-Mitglieder aus Deutschland.

    "Ich denke, ich spreche für einige Genossen, aber es ist auch meine persönliche Meinung: Wir sind ein bisschen enttäuscht, dass diese Entscheidung so plötzlich war und wir ja auch schon sehr lange diskutiert haben, dass wir einen Mitgliederentscheid über die K-Frage wollen."

    Peer Steinbrück, das schiebt die junge Frau aus Baden-Württemberg noch schnell hinterher, findet sie schon gut, nur eben das Prozedere nicht so. Andere, scheint es, haben sich mit der neuen Realität hingegen bereits angefreundet:

    Im großen Saal verbreitet Martin Schulz Siegesgewissheit. 2013 wird Merkels Herrschaft nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zu Ende gehen, ist sich der Präsident des Europaparlaments sicher. Und damit nicht genug:

    "We are now winning elections all over in Europe again. We should be proud: We are again in government in Denmark, in Belgium, in Slovakia, in Romania and in France. And I tell you: This is just the beginning, comrades, this is just the beginning"

    Martin Schulz, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament und seit Anfang des Jahres dessen Präsident, hat sich kurzerhand Barack Obamas "Yes, we can" zu eigen gemacht. Europa braucht uns, die Sozialdemokraten und Sozialisten, so die beständig wiederholte Botschaft.

    "We can win and the message of this congress is: we will win
    !"

    Klappen soll das mit Rezepten und Inhalten, die weder besonders neu, noch überraschend sind: Sparkurs in der Euro-Krise? Nicht das Allheilmittel, wir brauchen auch Wachstum. Der Markt reguliert sich selbst? Von wegen, er muss an die Kette gelegt werden. Finanztransaktionssteuer und Euro-Bonds? Längst überfällig. Und so geht es weiter im Text.

    "Die wirklich fiese Frage ist doch: wie zahlen wir das alles' Mit welcher Steuer oder mit welchen Haushaltseinsparungen – da müssen wir doch konkret werden."

    Findet der niederländische Europaabgeordnete Thejs Berman hinterher. Vor allem die Finanzierungsfrage beschäftigt ihn. Neue Jobs in Europa, ein größerer EU-Haushalt, aber auch die Zukunft der Union insgesamt – darüber hätte er gerne mehr erfahren. Dass Martin Schulz hier präzise Antworten schuldig bleibt, mag auch damit zu tun haben, dass diese Rede eine ganz besondere ist.

    Zweifellos, Martin Schulz gilt als Favorit für das Amt des Kommissionspräsidenten, meint Catherine Trautmann von der französischen Parti Socialiste. Auch wenn das Rennen offiziell noch nicht entschieden ist, sollen doch zunächst die Parteien auf nationaler Ebene ihre Kandidaten bestimmen. Von denen wiederum wird dann schließlich einer zum Spitzenkandidaten für die Europawahl 2014 gekürt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Martin Schulz heißt, sie ist am vergangenen Wochenende deutlich gestiegen. Stehende Ovationen begleiten den Parlamentspräsidenten von der Bühne.

    "Well done, Martin! I think the response from the hall speaks for itself."