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Die Grünen
Neue Erkenntnisse über Pädophilie-Vergangenheit

Pädophilie bei den Grünen - das Kapitel war mit dem Untersuchungsbericht des Göttinger Politologen Franz Walter abgeschlossen, so hoffte man in Parteikreisen. Doch heute stellt der grüne Landesverband Berlin seinen Bericht über die Umtriebe von Pädophilen in Kreuzberg vor. Und dieses Papier hat es in sich.

Von Claudia van Laak | 20.05.2015
    Wahlplakat der Grünen
    Wahlplakat der Grünen (dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger)
    Kreuzberg war schon immer ein besonderes Pflaster - Hans-Christian Ströbele gewinnt hier seit Jahren das einzige grüne Bundestags-Direktmandat, die Umweltpartei stellt schon lange den Bezirksbürgermeister, aktuell eine Bürgermeisterin. Ein grünes Biotop, in dem in den 80er- und 90er-Jahren Ungutes gedieh. Pädophile Täter, die sich in der Partei mit einer eigenen Arbeitsgemeinschaft namens "Jung und alt" organisierten.
    "Also die hatten einmal dort in der Alternativen Liste ihr politisches Spielbein, und dieselben Leute sind dann in Einrichtungen gegangen, die sind zu den Falken gegangen, die sind zu den Sportvereinen als Trainer gegangen. Die haben plötzlich ABM-Stellen beantragt und gesagt, wir machen hier Drogenprophylaxe. Sie waren sehr schlau und wendig, ihr Terrain abzusichern und auszubauen", sagt Frauke Homann. Die Sozialpädagogin war in den 80er-Jahren in Kreuzberg in der Schulfürsorge tätig, kümmerte sich um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Schnell wurde ihr klar, dass in Kreuzberg ein pädophiles Täternetzwerk agierte - viele dieser Männer waren Mitglieder oder gar Funktionäre der Alternativen Liste - der Vorläuferorganisation der Grünen.
    Thomas Birk, Mitglied des Abgeordnetenhauses und einer der Autoren des Untersuchungsberichts, sagte dem "Tagesspiegel": "Es ist schwer auszuhalten, aber es gab Täter in den Reihen der Grünen."
    Das pädophile Netzwerk soll fast 20 Jahre lang in Kreuzberg agiert haben, Kenner sprechen von bis zu 15 Tätern und bis zu 1.000 Opfern.
    Zwei der Täter mit grünem Parteibuch standen mehrfach vor Gericht
    Feministinnen innerhalb der Alternativen Liste machten schon damals auf die Umtriebe der Pädophilen aufmerksam, wurden aber nicht beachtet, erinnert sich Frauke Homann.
    "Das, was ich den Grünen heute vorwerfe, ist, dass sie damals nicht reagiert haben. Man konnte es sehen, sie wurden auch angesprochen, aber es hat sich außer dieser Frauengruppe niemand darum gekümmert."
    Und auch später kümmerte sich niemand um diejenigen Jungen, die zu Opfern geworden waren. Zwei der Täter mit grünem Parteibuch standen mehrfach vor Gericht und sind einschlägig verurteilt, einer von ihnen kandidierte aus der Haft heraus für den Bundestag.
    Seit dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals am Canisius-Kolleg sind mehr als fünf Jahre vergangen. Seitdem diskutiert die Öffentlichkeit über das Thema sexueller Missbrauch - die Kreuzberger Grünen werden sich fragen lassen müssen, warum sie sich erst jetzt diesem unappetitlichen Kapitel ihrer Geschichte widmen.