Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die heimische Pixelgalerie

Die einen schwören darauf, die anderen haben ihn noch nie benutzt - den Teletext, auch als "Videotext" bekannt. Ab heute werden die pixeligen Seiten zu Leinwänden für Kunst. Im Rahmen des Internationalen Teletext Art-Festivals verwandeln sich Wohnzimmer zu Galerien.

Von Gesine Kühne | 15.08.2013
    Seite 100: Startseite mit den wichtigsten Nachrichten. Seite 200: Sport, 300: Programmübersicht. Lieblingsseite des Videotextfans und Journalisten Martin Böttcher.

    "Gerade wenn man nachts noch so rumliegt und zu faul ist aufzustehen, dann guckt man eben mal was in den nächsten Stunden oder Tagen noch kommt."

    Der Journalist Böttcher ist mit dem Kurznachrichtendienst groß geworden. Er nutzt ihn oft, um die "Lage" zu checken.

    "Du kannst in dein Smartphone gucken oder in deinen Rechner – oder du drückst einen Knopf und hast da die Nachrichten auf dem Videotext, und die sind meistens aktueller als Spiegel Online oder so was."

    Eine griffige Überschrift. 23 Zeilen a 40 Zeichen. "So kurz wie zweimal Twitter" oder auch "Bonsai-Informationen", sagt Frauke Langguth, Leiterin des ARD Texts. Sie ist die Initiatorin des Internationalen Teletext Art Festivals, das heute im ARD Hauptstadtstudio beginnt. Im Foyer des Gebäudes an der Spree sind acht Flachbildfernseher auf dunklen Stelen aufgebaut. Sie fallen in dem schlicht gehaltenen Raum kaum auf – das, was auf den Bildschirmen blinkt, hingegen schon. Zum Beispiel grüne Wesen, die wie Zombies aussehen und …

    " …wir haben eine pinke Winkekatze, die mit dem Arm winkt."

    Die pinke Winkekatze winkt aber nicht nur bei der ARD in Berlin, sondern - sofern es der Fernsehbesitzer möchte und die richtige dreistellige Zahlenkombination eingibt – in jedem Wohn – oder Schlafzimmer unseres Landes, der Schweiz und in Österreich.

    "Das Besondere an dieser Ausstellung ist, man muss das Haus nicht verlassen. Sondern man kann, und das ist glaub ich wirklich einmalig, vom Sofa aus mit der Fernbedienung unsere Ausstellung besuchen."
    Die Idee, der Pixelkunst mit sechs Farben eine Plattform zu geben, kommt ursprünglich aus Finnland. Die Künstler sind aber auf der ganzen Welt zuhause. Eine Szene, die sich der Reduktion verschrieben hat.

    "Wir haben uns im letzten Jahr auch gefragt, woher das jetzt kommt. Dann gab es verschiedene Erklärungsansätze: Vielleicht waren die in den 80er Jahren Kinder, hatten die ersten Computer. Wir haben das ja, wenn wir ein gewisses Alter haben, auch mitbekommen. Computerspiele fingen ja an mit Pong, mit Strich und Kästchen - und heute: virtuelle Welten. Das ist teilweise eine Reise zurück für manche."

    Gesine Kühne: "Schon so ein Retrogedanke dabei?"

    "Ja, retro aber auch minimalistisch. Weniger: Alles ist möglich. Es gibt so viel, alles wird immer schneller und bunter, aber vielleicht kann man die Aussagen auch mit einfachen Mitteln machen."

    Die einfachen Mittel - das sind Programme, die an Neunzigerjahre-Malsoftware mit pixeligem Pinselstrich erinnern. RBB Teletext-Redakteurin Beate Mai vergleicht die Teletext-Grafiken mit gestickten Bildern. Nur Farbe an Farbe funktioniert nicht. Deshalb bekommt das Sandmännchen auch einen schwarzen Strich zwischen seinem roten Hut und den in gelb gehaltenen Haaren.

    "Man kann auch so Auslassungen machen... wie wegradieren."
    Auch Frauke Langguth, Chefin des ARD Texts und Teletextkunstfestival-Organisatorin hat sich schon am Pixeln versucht.

    "Es gibt tatsächlich Programme, mit denen man zum Beispiel Fotos umwandeln kann. Damit habe ich auch schon experimentiert. Das macht riesigen Spaß. Wir hatten zum Beispiel mal ein Bild von Michael Jackson. Es ist unglaublich, wie wenig Pixel man braucht, um Michael Jackson zu erkennen."

    Michael Jackson wird heute zwar nicht in der Teletextgalerie aufflimmern, dafür aber die junge, US amerikanische Schauspielerin Lindsay Lohan. Verpixelt wurden nicht ihre glamourösen Auftritte, sondern ihre diversen Haftfotos. Ein Grund endlich mal den einen Knopf auf der Fernbedienung zu drücken. Kultur hat übrigens die Seitennummer 400.

    Das Teletext Art Festival findet ab heute einen Monat lang statt. Im ARD Hauptstadtstudio und in jedem Videotextfähigen Fernsehgerät ab Seite 850.