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Die Impressionisten und die Mode

Die französischen Impressionisten wie Renoir oder Manet malten nicht nur Bäume und Seen, Licht und Schatten – auch die Mode ihrer Zeit machten sie auf ihren Bildern zur prominenten Protagonistin.

Von Kathrin Hondl | 03.10.2012
    Impressionismus – da denkt man meistens erst einmal an Landschaften – Bäume, Wasser, Luft, Seerosen - vibrierende Licht- und Schattenspiele an der Grenze zur Abstraktion. Die Ausstellung im Musée d’Orsay erinnert jetzt daran, dass die Impressionisten nicht nur "plein air" und Natur im Sinn hatten sondern auch "air du temps" – Zeitgeist - und Stadt. "Maler des modernen Lebens" waren sie, ganz im Sinn von Charles Baudelaires gleichnamigen Essay: "Das Vergnügen", schreibt Baudelaire da, "das Vergnügen, das uns die Darstellung der Gegenwart verschafft, entspringt nicht nur der Schönheit, worin sie sich kleiden mag, sondern auch ihrer wesentlichen Eigenschaft als Gegenwart." Anders gesagt: Kunst soll gegenwärtig sein, sie soll das Hier und Jetzt zeigen – dann ist sie moderne Kunst.

    Und das Hier und Jetzt der Impressionisten, das ist das Paris des Zweiten Kaiserreichs: Das neue, moderne Paris, das Napoleon III. und sein Präfekt Haussmann geschaffen hatten – mit breiten Boulevards, großen Theatern und rauschenden Festen. Guy Cogeval, Direktor des Musée d’Orsay:

    "Es war eine Zeit des Wohlstands, wie sie das Land noch nicht erlebt hatte, Frankreich war damals eine führende Wirtschaftsmacht, mit einem Vertrauen in die Zukunft, das es hier so wohl auch später nie wieder gegeben hat. In dieser Zeit entstehen die ersten großen Kaufhäuser mit Mode auch für die Kleinbürger – das ist etwas völlig Neues."

    Im Musée d’Orsay hat der kanadische Opernregisseur Robert Carsen die Pariser Kunst- und Modewelt des 19. Jahrhunderts theatralisch in Szene gesetzt: Mit roten Samtstühlen und Spiegeln und großen Vitrinen, in denen prächtige Damenkleider mit den damals modischen Reifröcken ausgestellt sind. Sie erinnern an die faszinierenden Schaufensterauslagen, wie sie Emile Zola in seinem Kaufhaus-Roman "Das Paradies der Damen" beschrieben hat. Die neue Mode interessierte viele Künstler. Dichter wie Baudelaire und Mallarmé schrieben für die ersten Modezeitschriften. Und die Maler machten die Mode zur Protagonistin ihrer Bilder: Ein rosa-lachsfarben-perlgrau changierender Morgenmantel zum Beispiel dominiert Edouard Manets berühmtes Bild "Frau mit Papagei" aus dem Metropolitan Museum.

    Edgar Degas wiederum hatte nicht nur eine Vorliebe für Tänzerinnen und Pferde, sondern auch für Kopfbedeckungen: "Chez la modiste", "Bei der Modistin", heißen mehrere Bilder mit Hüten in allen möglichen Formen und Farben - Hüte, wie sie in der Ausstellung jetzt auch im Original zu sehen sind. Und tatsächlich eins zu eins nebeneinander sehen wir auf einem Gemälde von Albert Bartholomé und in einer Vitrine das weiß-violette Sommerkleid der Madame Bartholomé - mit Punkten und Streifen, Rüschen und Schleifen.

    Die Männermode des 19. Jahrhunderts ist da deutlich weniger spektakulär und farbenfroh: Seit der Französischen Revolution trug der modische Mann vornehmlich schwarz. Die dunklen Anzüge waren aber wie gemacht für die Bildkompositionen der Maler: Auf Auguste Renoirs Bild "Le couple", "Das Paar" strahlt ein rot-gelb gestreifter Damenrock umso mehr dank des grau-schwarzen Herrenanzugs direkt daneben. "Impressionismus und Mode" heißt die Ausstellung im Musée d’Orsay; gezeigt werden aber auch Werke von Malern wie James Tissot oder Alfred Stevens, die weniger am impressionistischen Licht-und-Schatten-Spiel auf den Stoffen interessiert sind als an der detailgetreuen Darstellung der mondänen Pariserinnen im Zweiten Kaiserreich. Guy Cogeval:

    "Die Sensibilität für die Moderne auch dieser nicht-impressionistischen Maler entspricht dem Zeitgeist. Alle Künstler sind besessen von der Modernität, auch wenn Stevens oder Tissot später zu Feinden des Impressionismus werden, so haben sie trotzdem ein gutes Gespür für die Eleganz."

    Eleganz – damit ist diese sehr pariserische Ausstellung überhaupt sehr gut beschrieben. Mit freundlicher Unterstützung von finanzkräftigen Mäzenen aus der Luxusindustrie wie Dior und Louis Vuitton haben die Kuratoren um Guy Cogeval und der Opernregisseur Robert Carsen eine sehr schöne Schau inszeniert, eine Modenschau, in der viele bekannte Meisterwerke der Impressionisten noch einmal neu zu entdecken sind. Im letzten Saal, der mit künstlichem Rasen ausgelegt ist, hängt da zum Beispiel auch Claude Monets monumentales "Frühstück im Grünen". Die vibrierenden Licht-und-Schatten-Spiele in Bäumen und Gras – auf einmal scheinen sie nur noch Kulisse zu sein für die vibrierenden Licht- und Schattenspiele in und auf den wallenden Kleidern der Damen aus der Stadt.