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Die islamischen Verbände sind ein "Hemmschuh" für den Dialog

Die Publizistin und Anwältin Seyran Ateş widerspricht den Kritikern der Islamkonferenz. Sie sei sinnvoll und notwendig. Es könne allerdings mehr erreicht werden, wenn die Vertreter der islamischen Verbände sich konstruktiv beteiligten, anstatt einseitig Kritik zu üben.

Seyran Ates im Gespräch mit Martin Zagatta | 08.05.2013
    Tobias Armbrüster: Statt auf die Börse wollen wir jetzt auf die Islamkonferenz blicken, gestern hat das letzte Treffen dieser Art vor der Bundestagswahl stattgefunden, und entsprechend heftig wurde dabei darüber diskutiert, wie dieser Gesprächskreis nach der Wahl weitergeführt werden soll. Viele muslimische Verbände haben kritisiert, dass die Islamkonferenz sich zu stark mit Fragen der inneren Sicherheit und mit dem militanten Islamismus in Deutschland befasse und zu wenig mit den Alltagsproblemen von Muslimen in Deutschland. Wir haben das gerade auch in der Presseschau gehört. Mein Kollege Martin Zagatta hat gestern Abend mit einer der bekanntesten Islamkritikerinnen Deutschlands gesprochen, mit der Anwältin und Publizistin Seyran Ateş, und er hat sie gefragt, ob diese Kritik gerechtfertigt ist.

    Seyran Ateş: Nun, ich halte die Kritik eigentlich nicht für berechtigt – eigentlich deshalb, weil natürlich gibt es hin und wieder in Diskussionen eine ausschließliche Ausrichtung auf die Sicherheit, wenn man über den Islam diskutiert. Meiner Ansicht nach ist das aber hier nicht berechtigt, weil die gesamte Islamkonferenz, seit sie 2010 angefangen hat – und alles, was ich mitbekommen habe jetzt in der zweiten Staffel –, ging auch schwerpunktmäßig um andere Themen wie Gleichberechtigung zum Beispiel der Geschlechter. Und am Ende ging es immer darum, wie integrieren wir den Islam hier in unsere Gesellschaft, wie schaffen wir ein gesellschaftliches Miteinander. Und dazu gehört dann auch wieder die Sicherheit, womit ich sagen möchte, dass das Thema Sicherheit hier auf keinen Fall ausgeblendet werden kann in dem Maße, wie es die Verbände nach meinem Dafürhalten sich wünschen, nämlich, dass man im Grunde genommen gar nicht mehr darüber spricht, denn wir haben leider weltweit innerhalb des Islams Terroranschläge zu beklagen, wo Menschen getötet werden im Namen des Islams. Und unter diesen Voraussetzungen kann eine deutsche Islamkonferenz gar nicht umhin, auch das Thema Sicherheitspolitik anzusprechen und ernsthaft auch in Diskussionen zu kommen. Da kritisiere ich eher die Verbände, dass sie immer wieder eine einseitige Kritik üben, dass zu viel über Sicherheit gesprochen wird, anstatt sich zu beteiligen.

    Martin Zagatta: Frau Ateş, da sagen die Kritiker ja also, das Thema würde falsch gewichtet, und es gibt jetzt auch Forderungen, diese Islamkonferenz deshalb dem Innenminister zu entziehen. Sind solche Forderungen berechtigt, würde das etwas bringen?

    Ateş: Das bringt gar nichts. Im Grunde genommen ist es doch egal, welchem Ressort das zugeschrieben wird, ob die Islamkonferenz jetzt beim Innenminister ist oder bei der Migrationsbeauftragten oder in einem anderen Ressort, also Verteidigungsministerium käme ja nun gar nicht in Betracht. Am Ende des Tages spielt es doch nur eine Rolle, was wird besprochen auf der Islamkonferenz und was haben wir für Ergebnisse nach einer Staffel. Gibt es Handreichungen, gibt es Hilfen, Unterstützungen für Menschen, die mit dem Islam im Alltag, in ihrem Berufsleben konfrontiert sind? Diese Ergebnisse sind maßgebend für mich. Wir haben nach der ersten Staffel eine Handreichung gegeben aus verschiedenen Arbeitsgruppen, die meiner Ansicht nach hilfreich waren dafür, dass wir die nächsten Schritte einleiten konnten, dass man sich darum kümmert und diskutiert, wie wird der Islam in die Lehre und Wissenschaft integriert, wie kommen wir dazu, dass wir Lehrer haben, die den Islam unterrichten, wie schaffen wir das, gesellschaftspolitisch die Integration des Islams hinzubekommen. Und wenn jetzt die zweite Staffel keinerlei Handreichungen geschaffen hat, dann muss man sich auch fragen: Was ist in den Arbeitsgruppen passiert?

    Zagatta: Wie erklären Sie sich denn diese heftige Kritik, die ja so heftig ist, dass die muslimischen Verbände sogar mit einem Ausstieg aus dieser Konferenz drohen?

    Ateş: Ja, wissen Sie, inzwischen kann ich wirklich nur sagen: Würden Sie es denn doch endlich mal machen, dann würde die Islamkonferenz vielleicht wirklich erfolgreicher in dem Sinne sein, wie andere Menschen das so bewerten mit erfolgreich oder nicht erfolgreich. Meiner Ansicht nach sind die islamischen Verbände verantwortlich dafür, dass sehr viel an Diskussionen und Entwicklungen gestoppt wird. Sie sind immer wieder damit beschäftigt, eine Deutungshoheit des Islams zu benennen. Das haben sie in der ersten Staffel getan, und ich sehe das auch jetzt in der zweiten Staffel: Wenn ich Kritik von den Verbänden hören, dann ist das alles nicht richtig, was da geschieht, aber höre sehr selten konstruktive Vorschläge, wie das gemeinsam gehen kann. Sie sind sehr auf ihrer Einbahnstraße in ihren eigenen Vorstellungen davon, wie man den Islam zu leben hat. Und dafür kritisiere ich die Verbände – sie sind da eher ein Hemmschuh für eine Entwicklung, meiner Ansicht nach, und wenn sie dann rausgehen, das sollten sie mal machen, dann können wir mal sehen in der nächsten Staffel, wie es ist, wenn die Verbände als Störfaktor nicht dabei sind.

    Zagatta: Der Innenminister Friedrich, der hat trotz dieses ganzen Streits jetzt eine positive Bilanz gezogen. Er sagt, der Dialog zwischen dem Staat und dem Islam als Religion hat sich positiv entwickelt. Leidet der da an Halluzinationen oder ist da was dran?

    Ateş: Da leidet er ganz sicher nicht an Halluzinationen. Wir müssen doch nur zurückblicken ins Jahr 2004, 2005, und dann eben den Beginn der Islamkonferenz 2006. Seither ist tatsächlich viel mehr im Dialog passiert, auch wenn es im Streit geschieht – Streitkultur ist etwas ganz Wichtiges hier in Deutschland, in unserer Demokratie. Wenn wir es geschafft haben, öffentlich auch zu streiten darüber und auch uns gegenseitig zu kritisieren, das Thema auf der Agenda zu belassen, dann haben wir doch auch was erreicht. Also diejenigen, die sagen, die Islamkonferenz ist gescheitert, was sie nach der ersten Staffel ja auch teilweise getan haben, vergessen, dass man nicht losgegangen ist mit dem ersten Schritt und gesagt hat, wir wollen Schritt zehn erreichen. Da muss man doch bitte auch wirklich mehr Seriosität zeigen zeigen und Professionalität. In einer politischen Entwicklung, in einer politischen Arbeit kann man nicht etwas für gescheitert erachten und benennen, wenn man den Prozess doch betrachten sollte – das sind die Schritte, die wichtig sind. Ob man nun Herrn Friedrich mag oder nicht, ist ja eine andere Sache. Natürlich dürfen wir ihn kritisieren, wir leben in einer Demokratie, in einem freien Land, und das ist gut, dass er kritisiert wird. Er ist ja auch ein ganz anderer Politiker als Herr Schäuble, und dann ist es ja auch richtig, dass man ihn kritisiert. Er hat andere Schwerpunkte gesetzt, eventuell, oder er hat es tatsächlich getan, das ist aber auch nicht falsch. Das ist richtig, wenn er das tut!

    Moderator: Soweit die Publizistin Seyran Ateş gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Martin Zagatta zum Ende der Islamkonferenz.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.