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Die Jagd auf Osama Bin Laden

Das Actiondrama "Zero Dark Thirty" in der Regie von Kathryn Bigelow packt die zehnjährige Jagd nach Osama Bin Laden in ein fiktionales Gewand: Während ihrer Ermittlungen stolpert CIA-Agentin Maya über ungemütliche Wahrheiten für ihr Land - fragwürdige Verhörmethoden und Waterboarding-Folter.

Von Josef Schnelle | 26.01.2013
    "Es gibt zwei Vermutungen über den Verbleib von Osama Bin Laden. Die Ihnen bekanntere ist, dass Bin Laden sich in einer Höhle in irgendeinem Stammesgebiet versteckt umgeben von einem großen Kontingent loyaler Kämpfer. Aber diese Einschätzung stammt aus der Zeit vor dem 11. September. Die zweite Vermutung ist, dass er in einer Stadt lebt. In einer Stadt mit zahlreichen Ausgangs und Eingangspunkten, Zugang zu Kommunikationsmitteln, um die Verbindung mit der Organisation zu halten."

    Die Spezialeinheit der Navy Seals wird von einer jungen CIA-Analystin mit Namen Maya auf die Jagd nach Bin Laden geschickt. Sie ist ein einsamer Wolf und hat ihr ganzes Leben dem Ziel verschrieben, Bin Laden zu finden. Mit ihrer These von dem halbwegs offen lebenden Terrorchef sollte sie schließlich richtig liegen. Dass "Zero Dark Thirty" kein schnell abgedrehter Illustriertenreport geworden ist, verdankt sich vor allem der Erfindung dieser Figur, die der Journalist und Drehbuchautor Mark Boal zusammen mit Kathryn Bigelow ins Drehbuch hineingeschrieben hat. Natürlich bekommen die Zuschauer am Ende doch noch geliefert, worauf sie vermutlich die ganze Zeit gewartet haben: die in fast allen Details bekannte Kommandoaktion in Abottabad in Pakistan mit dem Tod von Amerikas meistgesuchtem Feind. Mit wackeliger Kamera gedreht und von kryptischen militärischen Kommandos untermalt, ist dieses Finale in einer mondlosen Finsternis eine halbe Stunde nach Mitternacht jedoch auch eine Enttäuschung. Man wähnt sich fast in einem Videospiel. Die Formel für den Zeitpunkt der Aktion verbirgt sich schon im Titel des Films: "Zero Dark Thirty" - "30 Minuten nach Mitternacht", in die Militärsprache übersetzt. Bis dahin aber ist zwei Stunden lang ein völlig anderer Film zu sehen gewesen. Es ist der zähe Kampf um die richtige Vermutung über den Verbleib Bin Ladens, die die Heldin Maya trotz aller Fehlschläge und falschen Fährten gegen den starren Agentenbetrieb mit seinen 007-Methoden durchsetzt. In der Männerwelt der CIA ist die bleiche junge Frau zunächst eher ein Fremdkörper.

    "Ist sie nicht ein bisschen zu jung für den harten Stoff?"

    "Washington sagt, sie ist n´ Killer."

    Der Film beginnt mit schwarzer Leinwand und Stimmen aus den Twin-Towers in denen 2001 fast 3000 Menschen einem terroristischen Anschlag zum Opfer fielen. Dann folgen die umstrittenen Folterszenen des Films, die suggerieren könnten, nur durch Folter habe man Bin Laden auf die Spur kommen können. Viele Kritiker des Films hielten ihn in Amerika deshalb anfangs für reaktionär. Ausgerechnet der linke Aktivist Michael Moore hält diese drastischen Szenen jedoch eher für ein Statement gegen die Folter, deren Legitimität schließlich nicht davon bestimmt werde, ob sie Ergebnisse bringt oder nicht.

    "Wer irgendein Gewissen hat, wird nicht so argumentieren. Der Film zeigt die abscheuliche Brutalität von Leuten, die für sie und mich arbeiten und von unseren Steuergeldern bezahlt werden. Sie tun den Leuten diese unglaublichen Sachen an, die vielleicht schuldig, vielleicht aber auch unschuldig sind. Selbst wenn sie schuldig sind, darf man das nicht machen."

    Weil es Folterungen im Zusammenhang mit der Suche nach bin Laden gegeben hat, fanden Bigelow und Boal, dass sie unbedingt in den Film gehören. Der Film sollte aber nicht auf diese Szenen reduziert werden. Er ist eben kein Heldengesang auf den moralisch einwandfreien Kampf gegen den Terror. Bigelow interessiert sich, wie schon in ihrem preisgekrönten Film über ein Bombenentschärfungskommando "The Hurt Locker", eher für die Mechanismen, die zur Aufklärung des Jahrhundertverbrechens führten. Im Mittelpunkt steht ein entrückter, man kann auch sagen besessener Einzelcharakter mit einem dramatisch verengten Blick auf die Dinge.

    Als die Jagd schließlich vorbei ist, genügt ein Bild der nun leeren Augen der Hauptfigur, um zu zeigen, dass auch für sie nun alles vorbei ist. Ein schrecklicher Schauder stellt sich ein, schließlich haben wir die letzten Stunden als Sympathisanten dieser Figur verbracht, die nicht einfach wie James Bond zum nächsten Auftrag hecheln kann. Kathryn Bigelow hat ihre Figur eher nach dem klassischen Muster von John Fords Filmen wie Ethan Edwards , gespielt von John Wayne in "The Searchers", nachempfunden. Inzwischen gilt der formal anspruchsvolle Film als eines der bemerkenswertesten Kinoereignisse des Jahres 2012. Es regnete Kritikerpreise und auch für fünf Oscars ist der Film nominiert. Vielen gilt er schon jetzt als zeitloses Meisterwerk gerade weil er den Kampf gegen den Terror als dreckigen Job zeigt, der eigentlich nur dazu führt, die Spirale der Gewalt immer noch weiter zu drehen.