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Die junge Generation und die Rente
Kaum Protest gegen steigende Lasten

Mussten zur Jahrtausendwende 100 Arbeitnehmer etwa 24 Rentner finanzieren, so werden es 2030 annähernd 50 sein. Die Folge ist, dass die Sozialversicherungsbeiträge steigen und die Renten sinken. Leidtragende werden die heute 20- bis 40-Jährigen sein. Protest regt sich aber kaum.

Von Benjamin Dierks | 10.11.2016
    Farbfoto, ein alter Mann sammelt Flaschen vor einem städtischen Müllbehälter
    Flaschen sammeln: Sieht so das Schicksal vieler künftiger Rentner aus? (imago/photo2000)
    "Man sieht halt relativ oft Rentner, die Flaschen sammeln. Und wir wurden auch mal angesprochen von einem Rentner, dass wir auch betteln werden. Da hat er wahrscheinlich gar nicht so unrecht."
    "Ich verdiene keine Rente mehr, denke ich mir mal, heutzutage nicht mehr, weil immer länger arbeiten, länger arbeiten – wer soll denn heute noch bis 70 arbeiten auf dem Bau oder was die Herrschaften da oben wollen."
    Betteln im Alter, arbeiten, bis es nicht mehr geht, keine Rente mehr verdienen – die Verunsicherung über das, was auf die jetzt Jungen, die arbeitende Bevölkerung zukommt, sitzt offenbar tief. Wer heute arbeitet, zahlt mehr denn je ins Rentensystem ein, wird länger arbeiten und weniger denn je erhalten, wenn er oder sie schließlich in Rente geht. Dazu schafft die Regierung Wahlgeschenke für die jetzt über-60-Jährigen, ein gutes Drittel der Stimmberechtigten, wovon die heute 20-40-Jährigen ebenfalls nichts mehr haben werden. Aber wehren sie sich?
    "Wir haben die Rente mit 63 beschlossen, auf der anderen Seite die Mütterrente, so etwas darf es nicht geben, wenn es kein Finanzierungskonzept dazu gibt."
    Noch weit weg vom Rentenalter
    Paul Ziemiak ist Chef der Jungen Union, bei der die Revolte eigentlich nicht gerade zum Standardrepertoire gehört. Aber für Ziemiak ist nun ein Punkt erreicht, an dem junge Menschen sich ihre Benachteiligung nicht länger gefallen lassen dürfen. Er bläst zum Aufstand.
    "Weil wir jetzt eine Diskussion erleben, in der es nur darum geht, neue Dinge zu versprechen, aber die Leute, die das vorschlagen, Union, CSU, SPD, nicht sagen, wie sie es finanzieren wollen. Und es kann nicht sein, dass es am Ende immer heißt, die Beiträge steigen und die jungen Beitragszahler müssen das bezahlen."
    Ziemiak fordert den "Aufstand der Jungen", nur: Zumindest auf den Straßen Berlins klingt es nicht gerade nach Protest.
    "Ich glaube, es liegt daran, dass so viele andere Probleme gerade auch junge Leute umtreiben und dann die Priorität nicht unbedingt auf unserer Zukunft oder auf der Rente liegt."
    "Weil wir sehr weit weg sind vom Rentenalter, wir haben andere Sorgen auch gerade."
    "Irgendwo muss das Geld ja herkommen angesichts der demografischen Lage. Also, ich würde nicht zum Aufstand tendieren."
    Bei den Jugendorganisationen kaum Protest
    Keine gute Ausgangslage für den großen Gegenschlag wider die Macht der Alten. Wie also will Paul Ziemiak vorgehen?
    "Alle jungen Menschen und alle, die sich politisch und gesellschaftlich engagieren, sagen, so geht es nicht. Ich würde mir das auch wünschen von anderen politischen Jugendorganisationen, dass man seine Stimme erhebt für die junge Generation."
    Die Jugendorganisationen, Vorkämpfer der Jungen, auch gegen die alte Garde der eigenen Partei. Ziemiaks Problem: Weder bei den Jusos, noch bei den Julis, der grünen Jugend und der Linksjugend regt sich Protest gegen die Altersarmut mit Ansage. Paul Ziemiak hat dafür eine Erklärung.
    "Weil viele, zum Beispiel bei den Jusos, auch manchen Gewerkschaften, sehr ideologisch sind und sagen, höhere Renten sind per se gut."
    Ideologisch also. Die Bundesvorsitzende der Jusos Johanna Uekermann weist das von sich:
    "Ich glaube, die aktuelle Rentendebatte zeigt, dass versucht wird, Jung gegen Alt auszuspielen. Das ist nicht im Sinne von uns Jusos und ich glaube auch nicht, dass es im Sinne von jungen Leuten ist. Die wollen natürlich selber später eine anständige Rente bekommen, die wollen aber auch, dass es ihrer Oma gut geht und dass es ihren Eltern gut geht."
    Die Kosten für die Altersversorgung werden höher
    Gibt es also gar keinen Generationenkonflikt? Doch, den gebe es schon, sagt Wolfgang Gründinger. Er sitzt im Vorstand der Stiftung Generationengerechtigkeit. Aber gegen den Konflikt helfe kein Aufstand.
    "Wenn eine Gesellschaft älter wird, dann ist es ganz normal, dass auch die Kosten für die Altersversorgung höher werden. Das lässt sich auch nicht wegprotestieren."
    Und heute die Beiträge zu senken hieße nur, dass die Jungen später auch weniger Geld erhielten. Was also tun? Klar ist schon einmal, auf kleiner Flamme kocht hier keiner. Paul Ziemiak will "eine große Rentenreform machen, alles auf den Prüfstand stellen".
    Und Johanna Uekermann möchte "das große Rad drehen und unser System reformieren".
    Ein Aufstand ist das noch nicht, aber immerhin nach großen Plänen. Und das heißt für die Jusos von Johanna Uekermann zunächst, dass sie auf Altbewährtes setzen, auf die gesetzliche Rente, samt steigender Beiträge.
    "Wir müssen auch über stärkere Steuerzuschüsse sprechen in der Rente. Und ich finde, wir müssen auch über einen generellen Systemwechsel nachdenken. Ich stelle mir eine Rente vor, in der alle einzahlen und alle davon profitieren."
    Die heutigen Jungen hoffen auch auf eine Rente
    Also auch Beamte, Politiker und Selbstständige. Steuerzuschüsse findet wiederum Paul Ziemiak von der Jungen Union schwierig, solange nicht klar ist, wo an anderer Stelle gespart werden kann. Und was schlägt er vor?
    "Wir müssen auch über das längere Arbeiten sprechen. Wir tun den Menschen am Ende nichts Gutes, wenn wir ihnen versprechen, dass man am Ende weniger arbeiten muss. Das Gegenteil ist der Fall."
    Wolfgang Gründinger von der Stiftung Generationengerechtigkeit hat auch eine Idee, die sich bislang nur nicht so recht durchgesetzt hat: Junge und Alte sollen die Kosten gemeinsam tragen. Die Jungen zahlen mehr ein und die Alten nehmen in Kauf, dass die Renten langsamer steigen.
    "Wir werden als junge Generation einfach mehr belastet werden in der Zukunft und müssen dann auch dafür kämpfen, dass wir nicht nur diese Beiträge für die heutigen Rentner ausgeben, später aber selbst eine schlechtere Rente haben, sondern auch für die heutigen Jungen muss sichergestellt werden, dass sie später eine Rente haben, die zu einem guten Leben reicht."
    Und die Kosten dafür wird dann wieder die künftige junge Generation zu schultern haben. Wollen wir mal sehen, ob die dann den Aufstand wagt.