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"Die Kanzlerin führt einen hoch engagierten Wahlkampf"

Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident, weist Gerüchte zurück, nach denen die CSU Kanzlerin Merkel zu wenig Biss im Wahlkampf vorwirft. Zudem gibt er für die Union das Versprechen, keine neuen Atomkraftwerke bauen zu wollen.

Horst Seehofer im Gespräch mit Christoph Heinemann | 18.09.2009
    Christoph Heinemann: Guten Morgen, Horst Seehofer.

    Horst Seehofer: Guten Morgen!

    Heinemann: Herr Seehofer, rechnen Sie damit, dass dieser Wahlkampf inhaltlich noch einmal heiß wird, oder war es das schon?

    Seehofer: Ich weiß nicht, was Sie unter heiß verstehen. Engagiert ist er allemal. Sie können mich ja mal einen ganzen Tag begleiten oder auch die Kanzlerin, dann werden Sie sehen, welcher große Einsatz und welches hohes Engagement für einen Wahlkämpfer in diesen Wochen zu erbringen ist. Ein Wahlkampf ist doch nicht immer erst dann gut, wenn man sich persönlich angeht, sondern das kann doch auch mal ein Wahlkampf sein – und da begrüße ich die Linie der Kanzlerin – mit Argumenten und mit Sachlichkeit.

    Heinemann: Dass man sich nicht angeht, ist für einen CSU-Politiker aber eine neue Erkenntnis, oder?

    Seehofer: Wissen Sie, wir sind in Bayern durchaus der Kultur mächtig.

    Heinemann: Das stellt keiner in Abrede. Und dennoch: die Begeisterung in der CSU über Angela Merkels Wahlkampf hielte sich in Grenzen. Das wird aus Ihrer Partei berichtet. Fehlt der CDU-Chefin der Biss?

    Seehofer: Nein. Wissen Sie, das sind auch wieder so Parolen, die irgendwo unter anonymen Quellen veröffentlicht werden. Das hat mit der Realität gar nichts zu tun. Die Kanzlerin führt einen hoch engagierten Wahlkampf, sie ist äußerst häufig in Bayern, sie hat einen riesigen Zuspruch. Ich war erst mit ihr in Nürnberg vor zwei Tagen, da waren Tausende von Leuten da, sie hat sich engagiert dort eingesetzt. So erlebe ich sie jetzt zum wiederholten Male in Bayern, außerhalb von Bayern. Daneben führt sie ihre Amtsgeschäfte, daneben macht sie noch ihre internationalen Aufgaben. Also ich weiß nicht, was da an Erwartungshaltung da ist. Ich finde, sie bringt sich rund um die Uhr voll ein. Wir sind hoch zufrieden, wie sie sich engagiert. Wir haben engen Schulterschluss, stimmen uns jeden Tag ab. Also das, was da so rumgeistert, ist absolut falsch.

    Heinemann: Herr Seehofer, Ihr Parteifreund und Kabinettskollege Markus Söder wurde mit der Aussage zitiert, Merkels Fernsehauftritt mit SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier habe der FDP genutzt.

    Seehofer: Das ist falsch. Das zeigen ja die Umfragen, die jetzt allmählich an diesem Donnerstag und Freitag bekannt werden. Da hat sich nichts zu Gunsten der FDP verändert, im Gegenteil. Deshalb glaube ich auch nicht, dass Markus Söder das so festgestellt hat.

    Heinemann: Hätte Frau Merkel gestern Abend an der geplanten ZDF-Spitzenrunde teilnehmen sollen?

    Seehofer: Nein! Wir haben uns auch darüber ausgetauscht. Das war in all den letzten Wahlkämpfen nicht der Fall, dass der Kanzler dort hinging. Das hat ja Schröder weder mit Stoiber noch mit Frau Merkel gemacht in den Wahlkämpfen 2002 und 2005. Das hätte ja gereicht, wenn die Parteivorsitzenden dort sind und die Kanzlerin oder der Kanzler sich durch einen Stellvertreter vertreten lässt. So war das eigentlich häufig üblich. Es gäbe in der SPD ja auch noch den Müntefering. Ich bedauere es sehr, dass diese Parteivorsitzendenrunde nicht zu Stande kam, weder bei ZDF, noch bei ARD.

    Heinemann: Das heißt, die CSU geht jetzt leer aus?

    Seehofer: Wir machen uns schon bemerkbar und vor allem unsere Wählerschaft sitzt in Bayern und in Bayern sind wir schon präsent.

    Heinemann: Herr Seehofer, die Union teilt der Nation gegenwärtig auf Plakaten mit, "wir haben die Kraft". Das ist etwa so aussagekräftig wie der Werbespruch, "ich bin doch nicht blöd". Reicht das?

    Seehofer: Das sind schöne Wortspiele, darüber kann ich sogar schmunzeln, aber Sie wissen genau, was wir ausdrücken wollen, Herr Heinemann, mit "wir haben die Kraft". Das heißt, wir haben die Persönlichkeiten, die in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage agieren, neben der Kanzlerin, wenn ich den Karl-Theodor zu Guttenberg mal als Persönlichkeit herausheben darf, sicher ein starker, in der Öffentlichkeit hoch anerkannter Bundeswirtschaftsminister. Wir haben, wie ich finde, klare inhaltliche Positionen, womit wir Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze nachhaltig herstellen wollen, von der Bildungspolitik über die Forschungspolitik, über die öffentlichen Investitionen bis hin zur Steuersenkung. Daneben wollen wir auch soziale Gerechtigkeit in diesem Lande aufrecht erhalten, und dann auch noch der Politikstil, nämlich nahe bei den Menschen zu sein. Dies alles miteinander ist die Kraft, von der wir auf den Plakaten reden.

    Heinemann: Will die Union auch neue Atomkraftwerke bauen?

    Seehofer: Nein, definitiv nein.

    Heinemann: Können Sie das garantieren auch für die CDU?

    Seehofer: Ich kann das auch für die CDU garantieren. Da gibt es niemand bei uns, der daran denkt oder plant oder im Hinterkopf hat, neue Atomkraftwerke zu bauen. Die Kanzlerin hat selbst mehrfach erklärt, dass die Atomkraft eine Brückentechnologie ist, also eine Überbrückungstechnologie, und dass wir zu neuen Energieformen kommen wollen, insbesondere regenerativen Energien, zu mehr Energieeffizienz und auch zu alternativen Energien, denken Sie nur, dass wir in unserem Regierungsprogramm ja das Ziel haben, innerhalb der nächsten Jahre eine Million Elektroautomobile in Deutschland auf die Straße zu bringen. Also bei uns stehen jetzt nicht neue Atomkraftwerke oder die dauerhafte Nutzung der Atomkraftwerke auf dem Programm, sondern bei uns stehen neue Wege in der Energieversorgung auf dem Programm, und zwar ohne Atomkraft.

    Heinemann: Definitiv keine neuen Atomkraftwerke?

    Seehofer: Ja!

    Heinemann: Herr Seehofer, Sie werden am Montag das Wirtschaftskonzept der CSU vorlegen. Die Ankurbelung der Konjunktur soll dabei eine Rolle spielen. Planen Sie jetzt das nächste Konjunkturprogramm?

    Seehofer: Nein. Das ist noch mal eine kompakte Zusammenstellung unseres Regierungsprogrammes und auch unseres Wahlaufrufes, wie wir eben das oberste Ziel Wachstum und Arbeitsplätze erreichen wollen. Ich habe Ihnen vorhin die Stichpunkte genannt. Das werden wir noch mal für die Bevölkerung kompakt zusammenstellen, noch mal am Montag auch veröffentlichen. Da ist kein Dissens mit unserer Schwester CDU in irgendeinem Punkt. Und wir werden das natürlich insbesondere auch unter Berücksichtigung unserer spezifischen bayerischen Anliegen veröffentlichen, weil wir ja viele Nachbarn haben wie Tschechien oder Österreich, mit denen wir im Wettbewerb liegen und weshalb wir auch Interesse haben, dass dies, was wir wirtschaftspolitisch vor haben, auch unter dem Gesichtspunkt des internationalen Wettbewerbs möglichst schnell in der neuen Regierung angegangen wird.

    Heinemann: Nach dem Dissens hatte ich noch gar nicht gefragt, aber warum gibt es denn kein gemeinsames Unions-Wirtschaftskonzept am Montag, sondern nur eines der CSU?

    Seehofer: Die Kanzlerin geht heute vor die Bundespressekonferenz und das ist alles mit uns abgestimmt. Sie ist unsere erste Persönlichkeit, wird auch voll unterstützt und wird ihre Vorstellungen gerade zu dem ganz wichtigen G20-Gipfeltreffen vorstellen, und da käme auch niemand auf den Gedanken, ist das jetzt ein Dissens, sondern das ist ihre Aufgabe. Sie ist die Kanzlerin und sie führt die Union insgesamt an erster Stelle in den Wahlkampf. Genauso selbstverständlich ist, dass ich als Parteivorsitzender für Bayern noch mal deutlich mache, was uns wichtig ist in der nächsten Regierung. Also im Grunde sind das Selbstverständlichkeiten.

    Heinemann: Herr Seehofer, was bedeutete es für Sie als Parteivorsitzender, wenn die CSU in Bayern weniger als 50 Prozent der Stimmen erzielte?

    Seehofer: Meine Lebensregel ist immer, erst einmal die Entscheidung der Wähler abzuwarten und das dann zu respektieren, was stattfindet. Das bedeutet für mich als Parteivorsitzender gar nichts. Wir arbeiten weiter und werden hoffentlich dann eine Regierung mitbilden können, und zwar besonders hoffentlich eine aus CDU/CSU und FDP.

    Heinemann: Sie haben in einem Interview gesagt, bezogen auf die CSU in Bayern, Sie seien der Pilot, der Star in der CSU ist inzwischen ein anderer. Wächst Ihnen Herr zu Guttenberg langsam über den Kopf?

    Seehofer: Nein. Den habe ich vorgeschlagen, ich bin froh, wie er seine Ämter ausgeübt hat beziehungsweise ausübt. Er war ja vorher Generalsekretär, jetzt Bundeswirtschaftsminister, und es kann einem Parteivorsitzenden doch nichts besseres passieren, als einen Repräsentanten als Minister zu haben, der diese hohe öffentliche Anerkennung und auch Beliebtheit genießt. Das ist doch ein wesentlich besserer Umstand, als wenn ich feuchte Hände bekommen müsste, wenn für uns jemand auftritt.

    Heinemann: Die feuchten Hände könnten sich ja noch einstellen. Sie haben ja deutlich jüngere Parteifreunde in Amt und Würden gebracht. Befürchten Sie vielleicht eines Tages, Opfer Ihrer eigenen Politik zu werden?

    Seehofer: Nein. Wissen Sie, das ist immer die primäre Frage: können sie noch ruhig schlafen, fürchten sie, dass sie Opfer ihrer eigenen Verjüngung werden. Ich habe das sehr bewusst alles eingeleitet, weil wir ja schlechteste Wahlergebnisse im letzten Jahr hatten und ein "weiter so" einfach nicht mehr ging. Ich musste ein Stück personelle Erneuerung herbeiführen, das hat auch der Wähler und die Bevölkerung von uns erwartet. Das haben wir konsequent gemacht. Wir sind jetzt wahrscheinlich die jüngste Partei in der Bundesrepublik Deutschland mit sehr guten Leuten und darüber freue ich mich. Ich hätte doch überhaupt keine eigene Souveränität, wenn ich jetzt da Sorgen hätte, weil ich umgeben bin von starken erstklassigen Leuten. Ich fühle mich da wohl und wir respektieren uns gegenseitig und arbeiten gut zusammen und andere Fragen stellen sich auf überschaubare Zeit überhaupt nicht.

    Heinemann: Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Seehofer: Auf Wiederhören, Herr Heinemann.