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"Die Kernkraftwerke ersparen uns erheblich CO2"

In der Debatte um die Zukunft der Atomkraft hat sich Unionsfraktionsvize Fuchs gegen einen Ausstieg ausgesprochen. Strom müsse für die Bürger bezahlbar bleiben, sagte der CDU-Politiker. Zudem ermögliche die Kernkraft eine Minderung des Treibhausgases Kohlendioxid.

Michael Fuchs im Gespräch mit Jasper Barenberg | 21.03.2011
    Jasper Barenberg: Man reibt sich ja immer noch ein wenig die Augen. Vor Kurzem noch priesen Union und FDP die Atomkraft als Öko-Energie. Im Angesicht schmelzender Reaktoren in Japan aber setzt sich die Regierung in Berlin an die Spitze der Anti-AKW-Bewegung. Alte Meiler lässt sie vorerst abschalten und Umweltminister Norbert Röttgen will noch schneller aus der Atomkraft aussteigen, als seinerzeit SPD und Grüne, vor allem aber noch schneller umsteigen zu einer Versorgung mit erneuerbarer Energie. Nicht alle in der Koalition aber wirken schon ganz und gar überzeugt von der scharfen Kehrtwende, und wie ein neues politisches Konzept im Einzelnen aussehen könnte, das zeichnet sich erst in Umrissen ab. Ich begrüße am Telefon den stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Michael Fuchs.

    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Fuchs, wir müssen alles tun, um schneller aus der Kernenergie herauszukommen, sagt Ihr Parteifreund, der Umweltminister, Norbert Röttgen. Können Sie sich vorstellen, dass nach dem Moratorium von drei Monaten die alten AKW wieder ans Netz gehen?

    Fuchs: Wir werden ja jetzt eine Sicherheitsüberprüfung aller Kernkraftwerke machen. Dafür haben wir die alten in Stillstand versetzt, weil sie sich dann besser überprüfen lassen, anhand der neuen Erkenntnisse, die wir aus Japan gewinnen. Sollten dabei solch große Schwierigkeiten sein, dass man die nicht mehr technisch nachrüsten kann, um einen noch höheren Sicherheitsstandard hinzubekommen, wie er vielleicht aufgrund der japanischen Erfahrungen notwendig ist, dann könnte es sein, dass sie vom Netz gehen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann werden sie auch wieder anlaufen.

    Barenberg: Die Atomkraftwerke nachrüsten, das bedeutet ja vor allem einen besseren Schutz vor Flugzeugabstürzen, einen besseren Schutz vor Terrorangriffen, bessere Kühlsysteme, bessere Notstromsysteme. Da gibt es doch Milliardeninvestitionen, die da nötig werden. Sie würden möglicherweise Meiler unrentabel machen, oder nicht?

    Fuchs: Das ist so. Das müssen natürlich die Kernkraftwerks-Betreiber für sich selber entscheiden. Wenn die Meiler durch Nachrüstkosten unwirtschaftlich werden, dann werden sie eben nicht mehr ans Netz gehen. Wenn sich das noch rechnet, werden die wieder angeschaltet. Das muss man ökonomisch betrachten. Das wird sich in den nächsten Tagen oder in den nächsten Wochen zeigen, was dabei herauskommt.

    Barenberg: Und es sieht auch in Ihren Augen so aus, als würde es sich am Ende nicht mehr lohnen, solche Kraftwerke weiterzubetreiben in Deutschland?

    Fuchs: Das kann ich so nicht sagen, weil wir noch nicht genau wissen, was alles nachgerüstet werden muss, was nachgerüstet werden sollte aufgrund der Erkenntnisse, die wir aus Japan bekommen. Die Internationale Atombehörde in Wien ist ja dabei, alles zu sammeln, und dann wird das gemeinsam diskutiert und wir werden das, was notwendig ist, nachrüsten. Wenn das wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist, werden die Kernkraftwerksbetreiber die Meiler stilllegen. Sonst werden sie wieder anlaufen.

    Barenberg: Sind Sie denn, Herr Fuchs, überzeugt, ist die Unions-Bundestagsfraktion überzeugt, dass es eine Beschleunigung des Ausstiegs jetzt geben muss?

    Fuchs: Wenn wir es können! Das Problem ist ja: Wir brauchen Strom. Wir brauchen vor allen Dingen die Kernkraft als Grundlast. 48 Prozent des sogenannten Grundlaststroms kommen aus Kernkraft. Das ist der Strom, der dann anfällt, wenn beispielsweise keine Erneuerbaren zur Verfügung stehen, weil kein Wind ist, oder keine Sonne scheint. Das müssen wir berücksichtigen und wir wollen natürlich auch den Strom zu Preisen erzeugen, den die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen bezahlen können. Das ist ebenfalls ein ganz wichtiges Ziel, was wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Und der dritte Punkt: Die Kernkraftwerke ersparen uns erheblich CO2. Die sieben Kernkraftwerke, die jetzt abgeschaltet sind, ersparen circa 48 Millionen Tonnen CO2. Das ist rund ein Drittel des gesamten Pkw- und Lkw-Verkehrs in Deutschland, des Ausstoßes des gesamten Pkw- und Lkw-Verkehrs in Deutschland. Das heißt, wir müssen auch da darauf achten, dass jetzt nicht auf einmal die Klimaziele vollkommen außer Acht gelassen werden.

    Barenberg: Sie haben von der Grundlast gesprochen, Herr Fuchs. Aber jetzt sind sieben Kernkraftwerke abgeschaltet, und Strom gibt es immer noch aus der Steckdose, oder nicht?

    Fuchs: Ja, natürlich gibt es den noch, weil wir immer noch redundante Kraftwerke haben, also weil zusätzliche Gaskraftwerke, Kohlekraftwerke jetzt wieder ans Netz gefahren werden, hochgefahren werden. Aber das bedeutet mehr CO2-Ausstoß.

    Barenberg: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, schneller hinüberzukommen ins Zeitalter der erneuerbaren Energien?

    Fuchs: Wir müssen als Allererstes dafür sorgen, dass wir einen vernünftigen Netzausbau haben, denn uns nutzt der schönste Strom in der Nordsee nichts, wenn er in Bayern oder in Baden-Württemberg gebraucht wird. Das heißt, es muss ein Netzausbau-Beschleunigungsprogramm her. Das ist das Notwendigste, was wir machen müssen. Hier müssen auch Gesetze für gemacht werden, damit das schneller geht.

    Barenberg: Das macht der Wirtschaftsminister, Rainer Brüderle, ja schon. Er wird heute Eckpunkte eines solchen Gesetzes vorlegen. Darin unter anderem der Punkt, dass Genehmigungsverfahren beispielsweise für Leitungen künftig beschleunigt werden sollen. Heißt das denn auch, dass die Anliegen von Bürgern vor Ort und auch Umweltfragen künftig übergangen werden dürfen?

    Fuchs: Das ist genau das Problem. Wir müssen das den Bürgern klar machen, dass wir diese Leitungen brauchen, wenn wir den Einstieg in den Ausstieg hinbekommen wollen. Das heißt also, wenn wir verstärkt erneuerbare Energien einsetzen, dann brauchen wir den Netzausbau, dann kann nicht jeder sagen, ich will aber keine Leitung sehen, ich will keine Hochspannung in meiner Nähe haben etc. Das muss dann schon ertragen werden. Die DENA hat ausgerechnet, dass wir 3500 Kilometer Leitungsausbau in Deutschland brauchen. Das muss ganz beschleunigt werden, sonst funktioniert das nicht. Dazu kommt noch ein Punkt: Wir müssen ebenfalls Speicherkraftwerke haben, Pumpspeicherkraftwerke haben, denn wenn wir zu viel erneuerbaren Strom haben, muss der ja irgendwo gespeichert werden. Das geht nur bis jetzt technisch mit Pumpspeicherwerken.

    Barenberg: Wie ist es denn mit der Bundesregierung? Ist nicht auch sie in der Pflicht jetzt, beispielsweise wenn es darum geht, Häuser besser zu dämmen? Brauchen wir da mehr Fördergelder des Bundes?

    Fuchs: Wir werden mit Sicherheit auch da herangehen. Es ist ja aufgrund der Kernkraft, aufgrund der Laufzeitverlängerung so, dass erhebliche Mittel durch die Laufzeitverlängerung von den Kernkraftwerks-Betreibern in einen Öko-Fonds gezahlt werden. Es kann nun sein, dass dieser Öko-Fonds geringer ausfällt, wenn viele Kraftwerke ausfallen. Das muss man dann noch mal sehen, ob man das über Steuern regeln kann. Aber Sie wissen, dass die Haushaltslage nicht allzu rosig ist.

    Barenberg: Aber Sie gehen schon davon aus und befürworten auch, dass man da mehr Geld reinschießt jetzt?

    Fuchs: Wenn wir es haushalterisch hinbekommen. Das muss immer die Grundvoraussetzung sein, denn wir haben die Verpflichtung im Grundgesetz übernommen, dass wir bis zum Jahre 2016 de facto eine Neuverschuldung null haben. Das halte ich auch für unbedingt notwendig.

    Barenberg: Michael Fuchs, der Unions-Fraktionsvize im Bundestag und Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Fuchs, danke für das Gespräch.

    Fuchs: Danke Ihnen!