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Die Kirche ist kein Staat im Staat

Die Katholische Kirche muss mehr Nachvollziehbarkeit bei ihren Finanzen schaffen, fordert Barbara Hendricks, SPD-Schatzmeisterin und Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Die innerkirchliche Kontrolle müsse verbessert werden.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Bettina Klein | 16.10.2013
    Bettina Klein: Um Finanzen der anderen Art geht es zunächst einmal in den kommenden Minuten. Die Entwicklungen um den Bischof von Limburg haben nämlich auch ein Schlaglicht geworfen auf die vorhandene oder fehlende Transparenz bei den Vermögensstrukturen vor allen Dingen in der Katholischen Kirche und die immer noch vorhandene staatliche Finanzierung beider Kirchen, die auf ein sehr altes Gesetz zurückgeht.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Barbara Hendricks, sie ist einerseits Schatzmeisterin der Sozialdemokratischen Partei und andererseits Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, kennt sich also sowohl mit dem Geld als auch mit der Katholischen Kirche aus. Guten Morgen, Frau Hendricks.

    Barbara Hendricks: Guten Morgen!

    Klein: Die Strukturen der Kontrolle bei der Vermögensverwaltung in der Katholischen Kirche sind gleich mit ins Gerede geraten. Sie erscheinen nicht als besonders transparent, nicht mal im Vergleich zur Evangelischen Kirche. Muss sich daran strukturell etwas ändern?

    Hendricks: Ob sich strukturell etwas ändern muss, kann ich nicht so ganz beurteilen, weil das sicherlich auch in manchen Diözesen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Es gibt in allen Diözesen einen sogenannten Kirchensteuerrat, der über die Kirchensteuer, die Einnahmen und Ausgaben wacht, und das wird, glaube ich, auch in allen Diözesen sehr genau genommen. Und die Menschen, die dort drin sind, das sind gewählte entsandte Laien aus den Gemeinden, die nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Wir haben in Limburg eine andere Konstruktion gesehen, nämlich den sogenannten Vermögensverwaltungsrat, bestehend aus drei Personen. Der bezieht sich aber eben nicht auf die Kirchensteuer, sondern auf das Vermögen des sogenannten bischöflichen Stuhls. Das ist offenbar intransparent und dazu kommt dann auch noch, dass offenbar diese drei Mitglieder ja sich auch gar nicht richtig haben informieren lassen und auch nicht darauf gedrängt haben, informiert zu werden.

    Klein: Was kann oder müsste dann daran verändert werden?

    Hendricks: Das ist eine innerkirchliche Angelegenheit, die wirklich die Laien in der Kirche, aber auch die aktiven Priester sozusagen einfordern müssen, dass es eine innerkirchliche Transparenz gibt auf jeden Fall. Bei diesem bischöflichen Stuhl gibt es natürlich sicherlich auch Vermögenswerte, die auf andere Weise öffentlich gemacht werden müssten. Wenn da zum Beispiel eine GmbH irgendein Vermögen verwaltet, muss die GmbH natürlich bilanzieren und das öffentlich machen. Das Recht muss eingehalten werden. Geltendes Recht kann nicht einfach umgangen werden. Aber wenn tatsächlich keine andere öffentliche Transparenz sozusagen rechtlich vorgeschrieben ist, dann muss innerkirchlich darauf geachtet werden, dass tatsächlich die Kontrolle auch geschieht.

    Klein: Was ist denn Ihre Erklärung dafür, dass es diesen Druck bisher vonseiten der katholischen Gläubigen nicht gegeben hat?

    Hendricks: Möglicherweise haben auch nicht alle gewusst, wie die verschiedenen Finanzierungsquellen ihres Bistums sind. Das kann sein. Aber es kann natürlich auch sein, dass sozusagen in, ich sage mal, falsch verstandener Solidarität mit dem Bischof, oder falsch verstandener Abhängigkeiten es einfach nicht dazu gekommen ist, denn diese Mitglieder dieses Vermögensverwaltungsrats haben ja selber gesagt, dass sie weder die Einnahmen, noch die Ausgaben von 2012 und auch keinen Haushaltsplan 2013 gesehen haben. Das ist natürlich ein eklatantes Versagen. Wenn man eine solche Funktion hat, darf man sich so was nicht gefallen lassen, dann muss man drängen, dann darf man sich auch vom Bischof nicht beeinflussen lassen, wenn der das nicht will.

    Klein: Wenn diese Regelungen nicht eingehalten werden, ist dies das eine. Das andere, da würde ich Sie gerne noch mal nach einem Beispiel fragen. Wo sehen Sie die Notwendigkeit einer strukturellen Veränderung? Was muss da verändert werden, um mehr Kontrolle herzustellen, was die Gesetzeslage angeht?

    Hendricks: Ich glaube, die Gesetzeslage ist eindeutig. Die Kirchen sind natürlich bei allen Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, die zum Beispiel normale Geschäftstätigkeiten sind, ganz genauso gebunden wie jeder andere auch und müssen alles öffentlich legen, sind natürlich in der Beziehung auch nicht steuerfrei oder so. Wenn sie irgendwo einen Ertrag erwirtschaften, sagen wir mal mit einem landwirtschaftlichen Gut oder mit einem gewerblichen Unternehmen – das gibt es ja alles -, dann muss das natürlich alles versteuert werden und dann ist das den Finanzämtern bekannt, wie bei jedem anderen Unternehmen auch. Also die sind nicht in einem rechtsfreien Raum. Aber es gibt in der Tat Bereiche, die, wenn man so will, in ihren eigenen Angelegenheiten vorbehalten sind. Das ist auch deren Recht, das Recht der Kirchen, wenn ich mal im übertragenen Sinne sagen darf, so wie eine private Angelegenheit, wenngleich das ja nicht dasselbe ist. Man muss eben nicht alles öffentlich machen. Man muss nur das öffentlich machen, was alle anderen auch öffentlich machen müssen, und das tun die Kirchen ja auch. Und da, wo nicht öffentlich gemacht werden muss, da muss die innerkirchliche Kontrolle funktionieren.

    Klein: Bei einigen ist der Eindruck entstanden, es handele sich bei der Katholischen Kirche so ein bisschen um einen Staat im Staate, und diejenigen, die jetzt den Limburger Bischof verteidigen, argumentieren durchaus auch in diese Richtung und sagen, wir brauchen diese Freiräume auch, die dem Zeitgeist widerstehen, auch den Medien widerstehen, und der Limburger Bischof hat möglicherweise jetzt deswegen versagt, weil er diese Festung einfach verlässt. Teilen Sie diese Auffassung?

    Hendricks: Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Es ist schon natürlich im Grundgesetz geregelt, dass die Kirchen ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung regeln dürfen. Aber das sind gleichwohl ihre Angelegenheiten, also nicht fremde Angelegenheiten. Das ist gleichwohl kein Staat im Staate. Darum kann es nicht gehen. Natürlich sind sie rechenschaftspflichtig, öffentlich rechenschaftspflichtig wie alle anderen auch, so wie ich das eben gesagt habe, und im übrigen ihren eigenen Mitgliedern gegenüber rechenschaftspflichtig. Und es muss natürlich mit den kirchlichen Gütern so gewirtschaftet werden: Es kann mal was passieren, man kann, wenn man ein Geschäft macht, einen Verlust erleiden, aber auch damit muss man dann umgehen und auch darüber muss man mindestens die innerkirchliche Transparenz herstellen, wenn es denn rechtlich nicht vorgeschrieben ist, dass man es öffentlich macht. Insofern kommt es da sehr darauf an, das in der Tat. Das müssen diejenigen Bischöfe, die das bisher noch nicht gelernt haben, wirklich lernen. Da geht es nicht um öffentlichen Druck der Medien oder so, sondern da geht es um Rechenschaftslegung gegenüber den eigenen Mitgliedern.

    Klein: Wer lehrt sie das, Frau Hendricks?

    Hendricks: Ja, das ist schon sehr unterschiedlich. Es gibt ganz gewiss auch in Deutschland Bischöfe, die da keinen Moment dran zweifeln, dass man das so machen muss. Aber es gibt eben auch Bischöfe – wir haben dieses Beispiel gesehen -, die einfach anderer Auffassung sind und scheinbar unbelehrbar. Ob das so bleibt, das ist die Frage. Es kann sein, dass aus diesem Anlass, ich sage mal, das Lernen zunimmt.

    Klein: Interne Kirchenkritiker melden sich dieser Tage natürlich auch vehement zu Wort, auch bei uns hier im Deutschlandfunk. Wir haben gestern Morgen Eugen Drewermann gehört, der eben auch die Strukturen innerhalb der Kirche anprangert, mangelnde demokratische Kontrolle, und das hat auch getan der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach. Wir hören mal kurz in den Originalton hinein.

    O-Ton Friedhelm Hengsbach: " Das sind diese zwei Welten, die aufeinanderprallen: eine hierarchische Struktur, die ja einmal sich entweder auf den Willen Gottes oder auf den Stifterwillen Jesu Christi beruft, die aber de facto nur ein erstarrtes Machtsystem ist, von oben her gesteuert, wo Entscheidungen einfach von oben nach unten weitergereicht werden, und das jetzt aufbrechende Selbstbewusstsein des katholischen Kirchenvolkes, das einfach nicht mehr das hinnimmt, was sie in der Gesellschaft eigentlich dauernd lebt. Sie nimmt das nicht hin, dass einfach Entscheidungen nicht mehr demokratisch kontrolliert werden können."

    Klein: Der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach gestern bei uns im Deutschlandfunk. – Frau Hendricks, aufbrechendes Selbstbewusstsein des katholischen Kirchenvolkes nimmt er wahr. Beobachten Sie das auch, oder zeigen die Kirchenaustritte im Augenblick, dass viele resigniert haben?

    Hendricks: Ja, es haben viele resigniert. Das ist gar keine Frage. Die Kirchenaustritte sind ja das Zeichen dafür, dass diese Menschen, die da gehen, resigniert haben. Aber es gibt natürlich auf der anderen Seite tatsächlich ein starkes Engagement von christlichen Laien, wie es zum Beispiel auch im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken der Fall ist, aber auch auf vielen Ebenen, in den Pfarrgemeinderäten und in den kirchlichen Strukturen, vom Frauenbund bis zur KAB, was man sich alles denken kann. Da gibt es viel Lebendigkeit, viel Aufbruch und auch Einfordern dessen, was gerade Herr Hengsbach gesagt hat, nämlich sich nicht gefallen lassen, was diese obrigkeitlichen Strukturen in der Kirche noch für richtig halten, die es Gott sei Dank nicht überall gibt, aber die es noch oft gibt. Und das ist genau der Punkt: Die innerkirchliche Transparenz, die hier zu vermissen war, die muss tatsächlich umgesetzt werden. Sonst werden sich das die Gläubigen auch nicht mehr gefallen lassen. Das ist ganz sicher.

    Klein: Wir sprechen mit Barbara Hendricks, der SPD-Schatzmeisterin, selbst Katholikin und in der Katholischen Kirche aktiv. – Frau Hendricks, ich würde gerne zum Abschluss dieses Interviews Ihnen noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema, gleichwohl einem Finanzthema stellen. Wir haben darüber heute Morgen bereits berichtet. Es gab gestern heftige Kritik vonseiten der Opposition, auch von Ihrer Partei, der SPD, an den Großspenden von Aktionären von BMW – es waren Personen, nicht der Konzern selbst – an die CDU, im zeitlichen Zusammenhang mit einer Entscheidung auf europäischer Ebene, wie man sagen muss, zugunsten der Autoindustrie. Ist das für Sie auch ein Skandal?

    Hendricks: Also es hat zumindest ein Geschmäckle, wie man so sagt. Es liegt nahe, dass man mindestens diesen zeitlichen Zusammenhang sieht. Es handelt sich ja um drei Großspenden aus der Familie der Hauptaktionäre von BMW. Es handelt sich also um Spenden von natürlichen Personen. Die sind natürlich erlaubt, genauso wie auch die Spenden von juristischen Personen erlaubt sind, und eigentlich geht die Forderung dahin, dass man Spenden über 100.000 Euro je Person nicht mehr zulassen sollte. Dann wären es hier immer noch drei, die hätten dann aber nicht zusammen 690.000 gespendet, sondern zusammen 300.000. Ich glaube nicht, dass man Spenden ganz verbieten sollte. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht das anders. Aber in diesem Zusammenhang hat es ganz gewiss das, was man ein Geschmäckle nennt, ja.

    Klein: Frau Hendricks, ganz kurz noch. Geschmäckle hin oder her – wird sich die SPD, wenn sie mit der Union regieren sollte, dafür einsetzen, die Parteispenden zu kappen?

    Hendricks: Ja! Unsere Position ist das, und schon lange allerdings. Unsere Position ist, dass man Parteispenden auf 100.000 Euro je Person begrenzen sollte, je Person und Jahr. Das ist immer noch sehr viel. Und solche Spenden kommen sowieso ausschließlich bei der CDU/CSU und FDP an, um das mal zu sagen.

    Klein: Aber Gerhard Schröder galt auch als Autokanzler?

    Hendricks: Ja. Ein einziges Mal ist es so gewesen. Das war aber übrigens formal keine Spende, sondern das war eine sogenannte erlaubte Parallelaktion, keine Ahnung, ist aber auch schon länger her. Ich will das jetzt nicht vertiefen.

    Klein: Frau Hendricks, wir gehen jetzt hier gleich auf die Nachrichten zu. Die Kollegen übernehmen dann hier. Ich danke Ihnen zunächst mal sehr herzlich für das Gespräch heute Morgen bei uns. Barbara Hendricks war das, SPD-Schatzmeisterin und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.