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"Die Kirche muss in die Welt"

Die Kirche müsse unbedingt in der Welt noch mehr mitwirken, als sie es bisher tue, sagte der Erzbischof von Bamberg Ludwig Schick. Es müsse ein Engagement für die Beendigung von Bürgerkriegen und die Bekämpfung des Hungers geben.

Ludwig Schick im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 19.05.2012
    Jürgen Zurheide: Es geht um nicht weniger und nicht mehr als die Zukunft der Kirche, das ist zumindest das Schwerpunktthema auf diesem Katholikentag in Mannheim, dem 98. Die Bischöfe wollen dort mit den Christen reden und wollen auch fragen, wie soll es denn weitergehen mit der katholischen Kirche, vor allen Dingen mit der Rolle der Kirche, die sie in der Welt spielt. Über all das wollen wir reden mit einem, der mitmacht, der eine wichtige Rolle hat, weil er für die Weltkirche zuständig ist, auch innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz. Ich begrüße am Telefon Erzbischof Ludwig Schick aus Bamberg – schönen guten Morgen!

    Ludwig Schick: Guten Morgen Ihnen und allen Hörerinnen und Hörern!

    Zurheide: Wollen wir doch mal direkt mit dem ganz Konkreten beginnen: Wenn Sie zum Beispiel bei dem G-8-Gipfel, wo es ja viel um Armut und Hunger in der Welt geht – wo eine, ich weiß gar nicht die wievielte Resolution verabschiedet wird gegen Armut und Hunger, wo aber am Ende, wie wir wissen, dann immer wenig passiert –, wenn Sie als Kirchenmann beim G-8-Gipfel etwas sagen sollten, also in der Welt sozusagen, was würden Sie denen zurufen, den Führern der Welt?

    Schick: Ich würde sagen, steckt mal alles Geld, was ihr in Rüstungsentwicklung und Kriegsmaschinerie investiert, auch in unnötige Weltraumprojekte und andere Forschungen, steckt das mal in die Erforschung für Nahrungsmittel und Erzeugung von dem täglichen Brot, dann kann der Hunger in wenigen Jahren auf dieser Welt beendet werden. Das würde ich ihnen als Erstes sagen.

    Zurheide: Da gibt es ja auch noch so ein anderes Thema, was innerhalb der Kirche und auch vor allen Dingen auf diesem Kirchentag intensiv diskutiert wird: Waffenhandel. Da hört man dann, dass es zum Beispiel in Deutschland immer noch Hermesbürgschaften gibt. Wie berührt Sie so was als Kirchenmann?

    Schick: Das berührt mich sehr, denn die Waffen, in Kriegsgebiete geliefert oder in Krisengebiete, die schaffen unendlich viel Unheil, töten Menschen, verletzen Menschen, führen Kriege, machen Kriege möglich, die dann die Menschen vertreibt und große Not unter den Menschen bringt. Das berührt mich sehr, und die deutsche Bundesregierung muss alles tun, damit kein Waffenhandel mehr in Krisengebiete möglich und auch diese Bürgschaften auf keinen Fall mehr deckt.

    Zurheide: Jetzt wird auf diesem Katholikentag ja viel darüber gesprochen – und ich hab es gerade schon angedeutet –, muss die Kirche mehr heraus aus den Gotteshäusern, auch mehr sozusagen in die politische Arena möglicherweise, weniger Selbstbeschäftigung, sondern mehr vor Ort. Können Sie solche Forderungen, solche Hinweise nachvollziehen?

    Schick: Ja, aber die Kirche wird nur dann aktiv sein und sich wirklich für die Welt einsetzen im Sinn der Gottesreichbotschaft Jesu, nämlich mehr Gerechtigkeit, mehr Frieden, mehr Freude für alle Welt und alle Menschen, wenn sie auch kontemplativ ist, also im wahrsten Sinne des Wortes fromm ist. Eine betende Kirche wird eine aktive Kirche sein. Und wenn das Beten und das Lesen des Evangeliums und die Gottesdienste nachlassen, dann wird auch das Engagement in der Welt nachlassen.

    Zurheide: Aber es geht ja um die Frage – und die wird da auf dem Kirchentag diskutiert –, ja, kontemplativ auf der einen Seite, aber möglicherweise etwas konkreter und mehr auch raus in diese Gerechtigkeitsfragen. Können Sie solche Forderungen verstehen?

    Schick: Die kann ich sehr gut verstehen, und die Kirche muss dabei mitmachen. Im Konzil, dessen 50. Jahrestag wird ja bald beginnen, heißt es, dass die Kirche dazu da ist, die Welt mit dem Evangelium zu durchdringen wie der Sauerteig das Mehl, damit dann Brot wird. Die Kirche muss unbedingt in der Welt noch mehr mitwirken, als sie es bisher tut. Das sind wir der Welt schuldig und das sind wir Gott schuldig. Gott möchte eine Welt, in der alle Menschen in Gerechtigkeit und Frieden leben können, und die Kirche ist Werkzeug Gottes, Werkzeug Jesu Christi, die muss in die Welt.

    Zurheide: Es gibt Vertreter einer Bewegung, die nennt sich prophetische Kirche, da gab es so eine Aktion auch auf diesem Kirchentag, dass die Kirchenbank rausgesetzt wird, zum Beispiel in eine Bank oder vor eine Bank wurde diese Kirchenbank gesetzt, um gegen die Ungerechtigkeiten zu protestieren. Wo würde Ihre Kirchenbank stehen, wenn Sie sie aus der Kirche raustragen?

    Schick: Also ich bin natürlich in erster Linie verantwortlich für die Diözese Bamberg, da würde ich die Kirchenbank in alle Gremien stellen, die sich für das Leben und die Aktivität der Kirche einsetzen, dafür verantwortlich sind. Das ist unsere Ordinariatskonferenz. Ich würde sie mit in den Diözesanrat nehmen und in die Dekanekonferenz, in den Priesterrat und würde sagen: So, das ist die Bank, die uns aufruft und auffordert und verpflichtet, unser ganzes Denken, Handeln, auch unser Geld und alles, was wir haben, zu investieren, dass unsere Welt eine bessere und eine gerechtere wird. Und jetzt müssen wir mit dieser Kirchenbank denken, wie können wir das in unserer Diözese verwirklichen. Und als Weltkirchenbischof würde ich sie natürlich auch mit in die Gremien von Misereor, von Adveniat, von Renovabis, Caritas international nehmen, um auch da voranzubringen, was wir tun müssen, damit unsere Welt eine Welt Gottes wird, eine Welt, wo der Himmel hineinragt. Himmel bedeutet ja Zufriedenheit, bedeutet Glück, bedeutet Heil, bedeutet Leben in Fülle.

    Zurheide: Jetzt gibt es Proteste heute zum Beispiel in Frankfurt, ganz konkrete Proteste, möglicherweise auch gewalttätige, das werden Sie natürlich sicherlich nicht unterstützen können, aber haben Sie Verständnis, dass Menschen aufstehen und auch sagen, da ist so viel ungerecht, da muss sich was ändern?

    Schick: Ja, ich hab Verständnis dafür. Ich war viele Jahre und viele Male in Lateinamerika, als noch die Bürgerkriege tobten. Ich hab schon Verständnis für Menschen, die sagen, es kann nicht so weitergehen, wir leiden, und es muss doch endlich sich ändern, und dass sie dann halt auch Mittel auf einmal ergreifen, die wir als Christen niemals rechtfertigen können. Alles Engagement für Änderung, für Verwandlung, aber ohne Gewalt, denn Gewalt erzeugt Gegengewalt, und Gewalt bringt nicht weiter, sondern wirft zurück. Das müssen wir vom christlichen Standpunkt in diese Diskussion hineingeben.

    Zurheide: Das war Erzbischof Ludwig Schick aus der aktuellen Diskussion auf dem Kirchentag. Ich bedanke mich sehr für das Gespräch heute Morgen, danke schön!

    Schick: Vielen Dank Ihnen und einen schönen Tag allen!

    Zurheide: Danke schön!

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