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Die "Krake von der Ruhr"

Von ihm hört oder liest man kaum etwas. Dennoch ist Erich Schumann ein wichtiger und einflussreicher Medien-Mann. Er leitet seit mehr als 25 Jahren die WAZ-Mediengruppe: Den zweitgrößten Medienkonzern Deutschlands. Am Samstag wurde Schumann 75 Jahre alt.

Von Stephanie Grimme | 17.12.2005
    Als Medien-Tycoon, grauer Wolf im Blätterwald oder Krake von der Ruhr ist WAZ-Chef Erich Schumann bezeichnet worden. Tatsache ist: Der 1930 in Nürnberg geborene Schumann leitet seit mehr als 25 Jahren einen der größten Medienkonzerne Deutschlands und zwar sehr gerne.

    Schumann: "Dieser Beruf ist die Hauptsache in meinem Leben. (...) Ich mache diese Arbeit sehr, sehr gerne. (...) Medien sind eben ein besonderes Wirtschaftsgut. Sie sind keine Waschmaschinen. Und das ist für mich das reizvolle an der Führung eines Medienunternehmens. "

    Seit 1978 ist Schumann geschäftsführender Gesellschafter der WAZ-Mediengruppe mit Sitz in Essen. Offensichtlich erfolgreich: Der WAZ-Konzern verlegt über 500 Printtitel, hat Anteile an Radio- und Fernsehsendern und beschäftigt 16.000 Festangestellte bei einem geschätzten Jahresumsatz von knapp zwei Milliarden Euro.
    Das Erfolgkonzept: Lokale Berichterstattung:

    Schumann: "...weil bei aller Globalisierung (...) der Mensch in seiner lokalen Umgebung lebt und diese lokale Umgebung ist ihm sehr nahe. (...) ...und deswegen bin ich der Meinung, dass die lokale und regionale Identität der Leser und Hörer erkannt werden muss. "

    Der geschäftstüchtige Unternehmer blickt dennoch über den Tellerrand hinaus: Die WAZ-Mediengruppe übernahm überregionale Zeitschriften-Verlage wie den Gong-Verlag und hat maßgebliche Beteiligungen an österreichischen und vielen osteuropäischen Zeitungen und Zeitschriften: 40 Prozent ihres Umsatzes macht der Konzern mittlerweile im Ausland. Als größten Erfolg wertet Schumann aber die Ausweitung nach Ost-Deutschland.

    "1990 in die frühere DDR zu gehen, nach Thüringen, und dort dann also Zeitungen, die schon vorhanden waren – kommunistische Zeitungen – umzugestalten und zu demokratischen Zeitungen zu machen. - Ich glaube, dass war eine der wichtigsten und auch spannendsten Arbeiten, die ich gemacht habe. "

    In Thüringen beherrscht der WAZ-Konzern seit der Wende das Zeitungsgeschäft. Die Vorgehensweise der Übernahme der Ostthüringer Nachrichten hat Schumann Kritik und eine Klage der Treuhand eingebracht: Es wurde quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein neuer Verlag gegründet, die alte Belegschaft eingestellt, so dass die alte Zeitung handlungsunfähig war und die WAZ-Gruppe – unter dem leicht veränderten Namen Ostthüringer Nachrichten - bald Monopolist.
    Ein Coup, der seinesgleichen sucht. Letztendlich aber durch die Treuhand ermöglicht wurde, meint Medienexperte Professor Ulrich Pätzold, Direktor vom Institut für Journalistik.

    Pätzold: "Dieses würde ich in der Tat der Treuhand ankreiden, denn das war diejenige Behörde, (..) die den Coup erst möglich gemacht hat und das dann natürlich die westdeutschen Verlage mit all ihrem unternehmerischen Können sich gegenseitig ausgetrickst haben und das dabei die WAZ sehr gut weg gekommen ist, das ist auch klar. Aber der eigentlich politische Fehler liegt bei der Treuhand. "

    In die Medien-Geschichte eingegangen ist auch das so genannte Schumann-Modell im privaten Rundfunk: Als in Nordrhein-Westfalen vor 15 Jahren der private Hörfunk gegründet wurde, setzte Schumann mit Macht und Einfluss in der damaligen SPD-Landesregierung das Zwei-Säulen-Modell durch. Das heißt: Bei den Privatsendern gibt es eine Veranstaltergemeinschaft, die für die journalistische Arbeit verantwortlich ist und eine Betriebsgesellschaft, zuständig für die kommerziellen Belange der Sender: Vorteil für die Zeitungsverleger: Der Anzeigenmarkt blieb in ihrer Hand!

    Bei aller Geschäftstüchtigkeit hat Schumann aber immer Wert auf Meinungsvielfalt gelegt und diese auch – zumindest in Nordrhein-Westfalen weitgehend - erhalten, lobt Professor Pätzold:

    Pätzold: "Das wesentliche Verdienst von Erich Schumann ist, dass er mit einem politischen Konzept seine unternehmerisch erfolgreiche Arbeit verbunden hat. Dieses politische Konzept ist gewesen eine Pluralität innerhalb des Konzerns zu erreichen, das heißt bei den vielen, vielen (...) Medien, die zur WAZ gehören sollte doch jede eigene Medium ein eigenes Profil behalten (...)Also es ist keine schöne Welt der Vielfalt , aber im Rahmen dieser Entwicklung gibt es eigentlich in Deutschland keine vergleichbare Konzernentwicklung, wo wir im Ergebnis dann doch relativ starke Einheiten, aber publizistisch sehr unterschiedliche Einheiten haben. "

    Eine echte Affäre hatte der eigentlich eher unauffällige Schumann im Frühjahr 2000 erlebt: Er spendete 800.000 DM an Helmut Kohl. Obwohl er SPD-Mitglied war. Das war zu viel für die Genossen: Schumann flog aus der SPD raus. Ein harter Schlag für den überzeugten Sozialdemokraten. Zunächst. Dann bemühte sich die SPD aber wieder um einen Neu-Eintritt des mächtigen Medienmanns. Erfolglos. Stur verweigert er dies bis heute. Aber seine Ehre ist gerettet, meint sein einstiger Parteigenosse Bodo Hombach.

    Hombach: "Er kann mit dem Bruch (...) gut leben. Ich glaube, es amüsiert ihn eher. Allerdings – das muss ich einschränkend sagen – sein Gerechtigkeitsgefühl ist zurecht verletzt. "

    Hombach ist auch unmittelbarer Kollege Schumanns. Vor vier Jahren 2002 hat Schumann den ehemaligen Kanzleramtsminister zum Mit-Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe ernannt. Er wird als Nachfolger Schumanns gehandelt. Das kann aber noch eine Weile dauern: Bislang ist Schumann noch putzmunter und denkt gar nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen.