Donnerstag, 28. März 2024

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Die Krim als Heiligtum
Historiker spricht von "Politisierung der Erinnerung"

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Halbinsel Krim als "heiligen Ort" für die Russen bezeichnet. Seinen Vergleich mit dem Tempelberg in Jerusalem nannte der polnische Historiker Wlodzimierz Borodziej im Deutschlandfunk nicht zutreffend.

Wlodzimierz Borodziej im Gespräch mit Burkhard Müller-Ulrich | 07.12.2014
    Ein Mann mit einer Russland-Flagge geht auf ein staatliches Gebäude mit Säulen zu
    Blick in die Stadt Sewastopol auf der Halbinsel Krim. (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Der Tempelberg sei für alle monotheistischen Religionen "der Ort auf der Welt", sagte Borodziej. Dieser Ort sei mit nichts vergleichbar. Dass die Krim eine solche Bedeutung für Russland habe, sei für viele Russen neu gewesen, stellte der Vizepräsident der Universität Warschau im Deutschlandfunk fest.
    Die Krim habe jahrhundertelang nichts mit Russland zu tun gehabt. Dort hätten viele Völker gelebt, von denen lange kein einziges slawisch war. Es hätten Mongolen und Tataren dort gelebt, die Krim sei Teil des Osmanischen Reiches gewesen und erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts an Russland gekommen; erst seitdem gebe es eine kontinuierliche Präsenz von Slawen bzw. russischsprachigen Menschen auf der Halbinsel
    "Das nennen wir die Politisierung der Erinnerung", sagte der Historiker Borodziej. "Sie folgt entweder sehr langen Entwicklungsmustern oder sie entsteht aus aktuellem Anlass." Es läge eher an der Glaubwürdigkeit dessen, der sie verkündet, als an der sakralen Aura des Ortes selbst, wenn dieser zu einem Heiligtum werde. Es gehe nicht um die Heiligkeit des Ortes an sich, sondern um die aktuellen politischen Ziele.
    Der polnische Historiker Prof. Dr. Wlodzimierz Borodziej gibt am Dienstag (04.05.2010) im Rathaus von Oldenburg eine Pressekonferenz zu seiner Auszeichnung mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik.
    Der polnische Historiker Wlodzimierz Borodziej (picture-alliance/ dpa / Ingo Wagner)
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