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Die Krone und ihre Abhängigkeit von Europa

In einer Woche übernimmt Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft. Ein Land also, das weiterhin die dänische Krone dem Euro vorzieht. Die Dänen pflegen ihre Sonderrolle in Europa, auch wenn diese Unabhängigkeit manchmal allenfalls eine Illusion ist.

Von Marc-Christoph Wagner | 27.12.2011
    Ein wenig erinnern die Kopenhagener Markthallen an ein Europa "en miniature". Französische Weine, britisches Lamm, spanische Würste, italienischer Käse - doch so sehr die hier schlendernden Passanten die europäischen Spezialitäten schätzen, so skeptisch betrachten sie derzeit das gemeinsame europäische Dach – den Euro und die EU.

    "Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es gut war, den Euro nicht einzuführen."
    "Ich verstehe überhaupt nicht, warum Länder, die verantwortlich haushalten, für Länder haften sollen, die das Geld verprassen. Man kann nur das Geld ausgeben, dass man selbst auch hat."
    "Ich denke, wir könnten austreten aus der EU, das wäre kein Unterschied. Ich finde, die nationalen Unterschiede sollten bestehen bleiben, ansonsten enden wir in einer einzigen Gleichmacherei."

    Tatsächlich aber ist es – trotz eigener Währung – so eine Sache mit der Unabhängigkeit der Dänen. 1982 wurde der Wechselkurs der Krone fest an die D-Mark und später an den Euro gebunden. Entscheidungen, die heute von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt getroffen werden, vollzieht die dänische Nationalbank unverzüglich nach. Deren Chef Nils Bernstein:

    "Hier bei uns in der Bank sagen wir stets etwas spaßhaft, wir sind ein Pseudo-Euroland. Wir machen, was die EZB beschließt, sind aber an deren Entscheidungen nicht beteiligt. Mit dieser Festkurspolitik aber hat Dänemark sehr gute Erfahrungen gemacht."
    Und dennoch betrachten internationale Investoren die dänische Krone in der aktuellen Eurokrise als sicheren Hafen. Sie kaufen massenhaft dänische Staatsanleihen. Grund hierfür, so Jesper Berg von der dänischen Bank Nykredit, sei die solide Finanz- und Wirtschaftspolitik des Landes sowie die relativ geringe Staatsverschuldung Dänemarks. Berg hatte jahrelang beim IWF und in der Europäischen Zentralbank gearbeitet:

    "Auch mir ist erst in den vergangenen Jahren bewusst geworden, dass die Einführung des Euro sich zu einer Art Schlafmittel entwickeln kann. Wir Dänen werden aufgrund unserer Festkurspolitik tagtäglich von den Märkten beobachtet und Fehlentwicklungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden augenblicklich bestraft. Uns hat das - im Gegensatz zu vielen Eurostaaten - zu einer strikten haushaltspolitischen Disziplin gezwungen."

    Ähnlich sieht das der Chefökonom der Danske Bank, Steen Bocian. Krone hin oder her – finanzpolitische Freiheit sei eine Illusion, sagt er. Und plädiert deshalb auch für die Beteiligung Dänemarks an allen Stabilisierungsmaßnahmen – Europakt und Schuldenbremse:

    "Wir sind so oder so mit dem Euroraum verbunden und führen einen Stabilitätskurs, als ob wir beim Euro dabei wären. Insofern ist es nur natürlich, dass wir uns dem Europakt anschließen, denn damit signalisieren wir auch den Märkten, dass wir an dieser haushaltspolitischen Disziplin festzuhalten gedenken. Der Europakt ist ja nichts weiter als ein Spiegel der Politik, die wir seit Jahren führen."

    Noch einen Schritt weiter würde gerne der Dänische Industrieverband gehen. Dessen Leiter Karsten Dybvad hofft, dass Dänemark den Euro in nicht allzu ferner Zukunft einführt.

    "Wir sind eine kleine, offene Volkswirtschaft, leben vom Handel und unser größter Markt ist der europäische Binnenmarkt. Auch hierzulande sollten die Menschen ab und an daran denken, dass unsere Zukunft mit Europa verbunden ist. Deswegen sollten auch wir voll und ganz in die EU integriert sein."

    Doch wenn es überhaupt soweit kommt, wird das noch lange dauern. Fast zwei Drittel der Dänen lehnen eine Einführung des Euro derzeit ab. Und daran, so der Ökonom Jesper Berg, wird sich wohl erst dann etwas ändern, wenn die Eurokrise überwunden ist.

    "Im Moment werden der Euro wie überhaupt die EU hierzulande als eine dysfunktionale Familie gesehen – und so unberechtigt ist das ja nicht. Man müsste ja schon sehr idealistisch sein, wollte man einer derart kränkelnden Gemeinschaft wie der Eurozone derzeit beitreten."

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