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Die Kunst und ihr Preis

Kunstgalerien profitieren angesichts von Euro-Schwäche und unsicheren Wirtschaftsdaten von Kleinanlegern, die Kunst plötzlich als Anlageprodukt wahrnehmen. Ein trügerischer Weg: Mit den renditehungrigen Kunstlaien machen manche Kunsthändler mit überteuerten Lockangeboten dicke Geschäfte.

Von Carsten Probst | 05.08.2010
    Ein junger, völlig unbekannter Künstler stellt in einer neueröffneten, kleinen Galerie seine Bilder aus. Plötzlich erscheint der Direktor des Museum of Modern Art in New York und kauft für das Museum drei Malereien dieses Künstlers. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Über Nacht ist der Künstler ein Star, der Galerist – Leo Castelli - ein gemachter Mann, der Kunstmarkt steht Kopf. Dieser Traum eines jeden Kunstinvestors - auf dem realen Kunstmarkt geht er doch höchst selten in Erfüllung, wie hier in den 50er-Jahren im Fall von Jasper Johns, der bis heute zu den teuersten noch lebenden Künstlern weltweit zählt. Im Normalfall sieht die Preisbildung bei Gegenwartskunst sehr viel unspektakulärer aus, ein scheinbar simples Spiel von Angebot und Nachfrage – wie einer von Deutschlands erfolgreichsten Galeristen der letzten Jahre, Gerd Harry Lybke, zu berichten weiß:

    "Ein Kunstpreis entsteht immer bei Null, wie eine Geburt ist jemand, der vom Studium herauskommt, erst einmal – fängt an, ein Preis, wo man sagt, okay, ein großes Bild, kostet 500 Euro, um irgendeine Zahl zu sagen. Und so ist dann Nachfrage und Markt natürlich eine wichtige Sache, und wenn die Produktion des Künstlers nicht allzu hoch ist – also sagen wir mal 20 Arbeiten ist so ein Maßstab, die man im Jahr vielleicht machen kann, auch mit einer hohen Qualität – und wenn es dann mehr als 20 Interessenten gibt, dann steigt ein Preis natürlich nach oben, solange, wie die Interessenten da mitgehen. Ein Deutscher Pavillon oder documenta unterstützen natürlich dann den Wert und geben denjenigen Recht, die schon ganz am Anfang mitgemacht haben."

    Die Einladung eines Künstlers zu berühmten Ausstellungsorten, dem MoMA in New York, dem Deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale Venedig oder zur documenta in Kassel vermag sich immer noch Preis steigernd für seine Werke auszuwirken. Ebenso wie auf jedem gewöhnlichen Markt besteht aber auch die Gefahr der Überreizung, weiß Lybke und setzt daher bewusst auf eine moderate, nachhaltige Preispolitik:

    "In der Galerie hat man eine Anzahl von Arbeiten, die haben alle ihren festen Preis, egal was jemand bieten würde, würde man ihm immer zum selben Preis verkaufen, und dadurch geht es dann nicht darum, wer das meiste Geld hat, sondern dass man überlegt, als Galerist oder als Künstler: Wo ist die Arbeit am besten aufgehoben."

    Mit seiner Strategie, potenziell auch Kunden mit kleinerem Geldbeutel zu erreichen, setzt sich Lybke demonstrativ von den großen Kunstauktionshäusern ab, wo in den letzten Jahren vor allem durch neue Sammlergruppen aus Brasilien, Russland oder China die Preise für einzelne Werke in irrationale Höhen getrieben wurden. Der britische Künstler Damien Hirst hat diese Entwicklung genutzt und seine Arbeiten nicht mehr über den klassischen Weg eines Galeristen, sondern über große Auktionshäuser wie Christie's in London verkauft und damit zwischenzeitlich immense Gewinne erzielt. Gerd Harry Lybke warnt, dass solche Zockereien ähnlich dramatische Abstürze verursachen können wie Fehlspekulationen an der Börse.

    Tatsächlich scheint das Geschäft der Galerien weniger von der Finanzkrise betroffen zu sein, als das der Auktionshäuser. Auf dem weltgrößten Branchentreff, der Kunstmesse art basel, war in diesem Jahr sogar ein gegenteiliger Effekt zu beobachten: Galerien profitieren angesichts von Euro-Schwäche und unsicheren Wirtschaftsdaten von Kleinanlegern, die Kunst plötzlich als Anlageprodukt wahrnehmen und sich nun beraten lassen wollen. Ein trügerischer Weg: In Deutschland gibt es – im Gegensatz zu den USA – bislang noch keine große Tradition von Kunst als Aktienersatz.

    Mit den renditehungrigen Kunstlaien machen manche Kunsthändler mit geschickt platzierten und überteuerten Lockangeboten dicke Geschäfte. An jedem verkauften Werk eines lebenden Künstlers verdient ein Galerist in der Regel fünfzig Prozent des Verkaufspreises. Für den klassischen Kunstsammler, betont Galerist Gerd Harry Lybke, spielen Geldanlagestrategien ohnehin keine Rolle, sondern nach wie vor die Liebe zur Kunst - und das oft jahrelange Warten auf das nächste Objekt der Begierde.