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"Die Lage ist aussichtslos"

Die griechische Finanzkrise beeinflusst alle Facetten der griechischen Gesellschaft: Auch der Sport bleibt da nicht außen vor. Im Land der Olympischen Spiele von 2004 gibt es immer weniger Geld für Sportanlagen, Verbände und Sportler.

Von Rodothea Seralidou | 11.12.2011
    Training für die Kleinsten im Herzen Athens. Auf den zwei 5x5 Minisoccer-Plätzen des Vereins "Panellinios" lernen Grundschulkinder wie man den Ball ins Tor schießt. Panellinios gehört zu den ältesten und größten griechischen Amateursportvereinen: Er war Mitorganisator der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit im Jahre 1896. Die Griechen nennen ihn den Verein der Olympioniken: Seine Athleten haben bis jetzt an fast allen olympischen Sommerspielen teilgenommen und mehr Medaillen als alle anderen griechischen Vereine nach Hause gebracht. In seinen Sportanlagen in der Athener Innenstadt pflegt er 19 olympische Sportarten, von der Leichtathletik, über Schwimmen bis Baskett- und Volleyball. Doch von den Mitgliedsbeiträgen allein kann sich Panellinios nicht über Wasser halten. Vassilis Zervoudakis, Vorstandsvorsitzender des Vereins:

    "Je nachdem, was für einen Platz unsere Athleten in den nationalen Wettbewerben bekamen, gab es früher staatliche Zuschüsse. Leider sind diese Zuschüsse gestrichen worden. Deshalb ist der Amateursport in so einer schwierigen Lage Unser Verein hatte immer gute Plätze und bekam so auch eine angemessene finanzielle Unterstützung"

    Insgesamt 7.500 Amateursportvereine sind landesweit registriert. Doch die finanzielle Misere sei im Moment so groß, sagt Zervoudakis, dass viele dieser Vereine kurz vor dem Aus stünden.

    "Viele haben schon längst dicht gemacht. Auch unser Verein, der älteste Verein Griechenlands, stand kurz vor dem Aus. Wenn wir nicht doch noch einen Sponsor gefunden hätten, wären wir gezwungen aufzuhören."

    Und einen Sponsor zu finden, sei in Zeiten der Krise besonders schwer, sagt Zervoudakis. Die Unternehmen hätten sowieso weniger Geld zur Verfügung. Und die gesponserten Beträge seien jetzt nicht mehr von der Steuer absetzbar –wie es in der Vergangenheit der Fall war. Also haben die Unternehmen auch keinen Anreiz, Geld zu spenden.

    Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des griechischen Leichtathletikverbandes SEGAS, Kostas Panagopoulos, bezeichnet die Situation im griechischen Sport als aussichtslos. Der Verband hat aus Protest gegen die drastischen Kürzungen zurzeit seine Arbeit eingestellt.

    "Das ist unser letztes Druckmittel. Im September hat man uns darüber informiert, dass der bereits genehmigte Etat fürs laufende Jahr rückwirkend um die Hälfte gekürzt wird! Das ist paradox! Wir haben jetzt keine Möglichkeit mehr, unsere Ausgaben mit anderen Mitteln zu decken!"
    Panagopoulos hofft, dass die griechische Regierung ihre Entscheidung noch mal überdenken wird und die Kürzung des Etats kleiner ausfällt als geplant. Er ist davon überzeugt, dass die Sparmaßnahmen der Regierung alle Facetten des griechischen Sports beeinträchtigen:

    "Vom Spitzensport bis zum Breitensport. Im Moment gibt es kein Stadion für das Training der Leichtathleten. Beim Breitensport gibt es weniger Trainer und weniger Sportanlagen. Auch da gibt es also Schwierigkeiten."

    Das Problem sei weniger die Instandhaltung der Olympischen Sportanlagen von 2004 –sagt Panagopoulos. Denn die meisten von ihnen wurden nach 2004 nie wieder für Sportevents oder auch nur zum Training der Sportler genutzt:

    "Die Olympischen Anlagen werden in Griechenland nicht für den Sport genutzt. Die Taekwondo-Anlage wird für Konzerte genutzt, die Sportanlagen in Faliro -zum Beispiel für Beach-Volley- bleiben einfach geschlossen. Das zeigt, dass man diese Anlagen gar nicht erst hätte bauen dürfen. Wir konnten sie nicht in Schuss halten und sie dem Sport auch nicht zur Verfügung stellen!"

    Der Fokus müsse jetzt besonders auf die Sportanlagen gelegt werden, die bis jetzt tatsächlich zum Training genutzt wurden, findet Panagopoulos. Dass das im Moment nicht einfach ist, gibt auch der Sport-Generalsekretär der griechischen Regierung, Panos Bitsaxis, zu.

    "Unter einer bestimmten Grenze kann der Sport nicht mehr funktionieren. Der Staatshaushalt für 2012 sieht noch mal eine Kürzung von 26% des Etats für den griechischen Sport vor. Jetzt gibt es Verhandlungen, dass wir doch noch mehr Geld bekommen-auch anlässlich der kommenden olympischen Spiele."

    Laut Bitsaxis muss der griechische Sport im Moment mit ¼ des Geldes auskommen, das er noch vor drei Jahren zur Verfügung hatte. In einer Pressekonferenz Ende November hatte Bitsaxis sogar mit seinem Rücktritt gedroht, wenn die griechische Regierung dem Sport nicht mehr Geld zur Verfügung gibt. Denn unter diesen Voraussetzungen bräuchte er Harry Potters Zauberstab, sagte er damals. Jetzt wartet er darauf, dass die Regierung nachgibt und mehr Geld bereitstellt.

    "Das, was ich damals gesagt habe, gilt immer noch. Ich bin in einer sehr schwierigen Lage, hoffe aber, dass die neue Übergangsregierung da Verständnis zeigt."

    Absolut kein Verständnis für die heutige Situation hat die internationale Wasserball-Spielerin Stavroula Antonakou. Die 29-jährige gehört zur Frauen-Nationalmannschaft- dem amtierenden Weltmeister!

    "Die Schwimmbäder machen eins nach dem anderen dicht. Wir als amtierende Weltmeisterinnen gehen wie die Bettler von einer Schwimmhalle zur nächsten. Es ist einfach tragisch!"

    Stavroula Antonakou ist bei Olympiakos Piräus unter Vertrag- dem griechischen Champion im Frauenwasserball. Trotzdem verdient sie nur tausend Euro und kommt nur schwer über die Runden:

    "Wir bekommen unser Geld nicht pünktlich. Letztes Jahr haben viele Vereine erst nach 5 oder 6 Monaten gezahlt. Wir lieben unseren Sport, aber wenn dich Probleme finanzieller Art beschäftigen, beeinflusst es dich. Die Psyche spielt beim Leistungssport eine sehr wichtige Rolle."

    Obwohl der Staat den Sportlern bei Auszeichnungen in der Europa- und Weltmeisterschaft eine Geldprämie verspricht, haben Stavroula und ihr Team noch keinen einzigen Cent gesehen. Trotz Weltmeistertitel: Alles werde nur noch schlimmer, sagt sie. Europaweit gebe es kein anderes Team mit ähnlichen Problemen, bedauert Stavroula. Das einzig Gute dabei sei, dass die Nationalmannschaft deshalb noch mehr Kampfgeist zeigt:

    "Allen Teams geht es besser als uns. Das macht uns wütend und ehrgeizig. Wir spielen ja nicht ums Geld, wir verdienen durch den Wasserball gerade soviel, um über die Runden zu kommen. Wir sehen unsere Gegner und sagen uns: Ihr habt alles? Das geht nicht. Wir werden euch besiegen!"