Samstag, 20. April 2024

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Die Lange Nacht von der Insel Wannsee
Gebt mir Sand, Wasser und Gold

Das Villenviertel am Wannsee war einst die Heimat vieler Künstler, Industrieller und Bankiers. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten versank das Paradies im braunen Sumpf. Die Aufarbeitung dieser dunklen Geschichte wird heute in mehreren Villen dokumentiert. Die verloren gegangene Vielfalt in Berlin-Wannsee lässt die Lange Nacht wieder auferstehen.

Von Katharina Palm | 13.08.2016
    Villa am Wannssee
    Villa am Wannssee (imago/McPHOTO )
    Wilhelm Conrad saß in "Stimmings Krug" und schaute auf den großen Wannsee. Dieses Gasthaus hatte einst traurige Berühmtheit durch Heinrich von Kleist erlangt und lag direkt hinter der Brücke, wenn man von Berlin kam, auf der Insel Wannsee. Hier sollte nach Conrads Willen die nobelste Villenkolonie Berlins entstehen und was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das setzte er auch um. In dieser Villenkolonie Ahlsen, wie er sie später nannte, wohnten nur ein paar Jahre später jene, die in Berlin Rang und Namen hatten, Künstler, Industrielle und Bankiers. Sie ließen sich von berühmten Architekten spektakuläre Häuser und Gärten bauen. Man pflegten das gesellige Beisammensein und lud sich gegenseitig ein, unabhängig von jeder Religionszugehörigkeit. Mit der eigens für diese Villenkolonie Ahlsen gebauten S-Bahn, zog es auch die armen Berliner an den Wannsee. Sie stiegen hier ins Wasser um zu baden, was jedoch streng verboten war. Schließlich kamen sie in solchen Scharen, dass es schließlich doch erlaubt wurde und so entstand das Strandbad Wannsee, der "Lido der Armen".
    Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten versank das Paradies im braunen Sumpf. Die Aufarbeitung dieser dunklen Geschichte war mit zähem Ringen verbunden, das heute in mehreren Villen dokumentiert wird. Hier spiegelt sich auf kleinstem Raum die kulturelle und politische Geschichte Deutschlands der letzten 200 Jahre wider. Die verloren gegangene Vielfalt in Berlin-Wannsee lässt diese Lange Nacht wieder auferstehen.

    Aus dem Manuskript der ersten Stunde:
    Über 50 Jahre später sitzt ein anderer, Wilhelm Conrad, in Stimmings Krug am Wannsee und hat eine bahnbrechende Idee.
    "Gebt mir Sand, Wasser und Gold und ich werde euch das Paradies auf Erden schaffen."
    Interview Wolfgang Immenhausen: "Er hat darauf gesetzt, wenn es ihm gelingt, das Areal um den großen Wannsee und den kleinen Wannsee so zu parzellieren, dass die reichsten und interessantesten Berliner zur Sommerfrische aus dem stinkigen und lauten Berlin nach Wannsee kämen, dass er dort durchaus nicht nur ein Paradies schaffen könnte, sondern auch eine einträgliche Spekulation starten konnte. Und diese Idee reifte und er kaufte dem damaligen Besitzer dem Gastwirt Hölzmann den Stimmingschen Krug ab und dazu ein großes Areal und das Ganze war sehr, sehr billig, es waren glaube ich 25.000 Taler, also die Berliner sagten: Für 'n Appel und 'n Ei hat Herr Conrad eine sensationelle Immobilie gekauft."
    Durch weitere Zukäufe erweiterte er seinen Grundbesitz auf etwa 1,3 Quadratkilometer. Stimmings Krug stand, wenn man aus Berlin auf die Insel kam, gleich rechts hinter der Brücke. Conrad ließ dann das Gasthaus abreißen und baute sich eine Villa an dieser Stelle. Später baute er auf eigene Kosten kleinere Villen auf die Insel, die man für eine Saison mieten konnte, in der Hoffnung, dass sie seinen Freunden vom Club von Berlin gefallen und sie diese dann später kaufen würden. Der Plan ging auf.
    Michael Haupt ist der Leiter der Verwaltung der Gedenk- und Bildungsstätte im Haus der Wannsee-Konferenz und Herausgeber des Buches "Villenkolonie Alsen am Großen Wannsee.
    Interview Michael Haupt: "Der Club von Berlin war eine Vereinigung berühmter Reicher, Berliner Bankiers, Politiker, die sich einfach getroffen haben für Diskussionsabende, geselliges Beisammensein. Frauen waren in diesem Club nicht erwünscht oder waren laut Satzung nicht zulässig. Es war einfach eine Interessengemeinschaft von Wissenschaftlern, von Politikern die sich über Kultur, über Politik in Berlin unterhalten haben. Also der Club von Berlin war so was wie die britischen Clubs, die man so kennt."
    Ständige Ausstellung im Erdgeschoss des "Hauses der Wannsee-Konferenz" in Berlin
    Ständige Ausstellung im Erdgeschoss des "Hauses der Wannsee-Konferenz" in Berlin (picture alliance / dpa / Hubert Link)
    Doch Wilhelm Conrads Idee ging viel weiter, als den bloßen Verkauf dieser Villen, wie Wolfgang Immenhausen weiß.
    Interview Wolfgang Immenhausen: "Conrad war ein sehr kluger Mann, der wusste, dass man mit Qualität etwas machen musste. Das hieß, er ließ sich einen Situationsplan zeichnen, es war ja hier nur Heide, es war ödes Land, Krüppelkiefern, Hüteland, es musste eine Infrastruktur her und dafür besorgte er sich einen ausgezeichneten Gartenbauarchitekten, das war Gustav Meyer, ein Lenné-Schüler, der machte ihm einen Plan, wie diese Kolonie, die Straßen aussehen sollten, und gab dem ganzen eine Infrastruktur. Infrastruktur war die, dass man sagte, wenn das hier klappen soll brauchen wir eine Bahnanbindung, das ist ganz klar, damit die Leute ganz schnell aus der Stadt hierher kommen, wir brauchen ein Elektrizitätswerk, wir brauchen ein Wasserwerk, wir brauchen ein Postamt, wir brauchen Gaststätten und das Ganze wurde dann ab 1870 in die Tat umgesetzt."
    Der Autor Max I. Wolf schrieb in seinem 1926 erschienen Buch "Club von Berlin":
    "In weiten Kreisen ist Conrad aber dadurch bekannt geworden, dass er der Begründer von Berlins schönster Villenkolonie Wannsee ist. Das Leben in der Großstadt, zumal im Sommer war ihm unerträglich. So siedelte er sich mit seiner Familie August 1871 als Erster am Wannsee an. Einige wagemutige Genossen, zumeist Clubmitglieder, wie Präsident Becker und Oscar Begas, folgten seinem Beispiel, aber als er nun beantragte, den neu entstehenden Vorort durch eine Bahn mit Berlin oder wenigstens Zehlendorf zu verbinden, wurde er allgemein verlacht. Niemand außer ihm erkannte die Zukunft des Wannsees und seine Bedeutung für Berlin."
    Interview Michael Haupt: "Und dieser Plan von ihm wurde dann tatsächlich auch umgesetzt und diese Bahnverbindung hat dann tatsächlich auch ihren Dienst aufgenommen und wurde spöttischerweise von der Bevölkerung Bankiersbahn oder Conrädern genannt. Also Conrad und die Räder dann."
    Mit dieser Bahn, die 1874 eröffnet wurde, war es damals möglich in 20 Minuten von Berlins Mitte, dem Anhalterbahnhof bis nach Wannsee zu fahren. Durch diesen Umstand erhöhte sich die Attraktivität der Villenkolonie Alsen immens und bereits zwei Jahre, nachdem Wilhelm Conrad seine Villa gebaut hatte, gab es bereits 64 Siedler in zwölf neu errichteten Villen.
    Weitere Informationen zur ersten Stunde:
    "Ich geb auch den Zirkusdirektor" Er ist Schauspieler, Galerist, Verleger - und einer der ersten Ökoaktivisten Berlins. Wolfgang Immenhausen im Gespräch mit dem Tagesspiegel Zehlendorf über Heimat und über sein größtes und liebstes Projekt: die Mutter Fourage in Wannsee
    Haus der Wannsee-Konferenz - Gedenk- und Bildungsstätte
    Wilhelm Conrad (* 18. Juni 1822 in Berlin; † 24. Dezember 1899 ebenda; vollständiger Name: Carl Heinrich Wilhelm Conrad) war ein deutscher Bankier und Grundbesitzer. Er gründete die Colonie Alsen, aus der später die Gemeinde Wannsee hervorging.
    Haus der Wannsee-Konferenz
    Informationen der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH
    Club von Berlin und auf Wikipedia
    Ein Rundgang über Schwanenwerder

    Aus dem Manuskript aus der zweiten Stunde
    Die 20er-Jahre sollen die Goldenen gewesen sein. Der Erste Weltkrieg war vorbei, die Menschen atmeten auf und hatten wieder Sinn für ausgelassene Musik und frivole Späße. So manch ein Schlitzohr machte mit obskuren Erfindungen und Entdeckungen ein Vermögen. Manche waren in der Tat Gold wert, andere entpuppten sich als Seifenblase.
    Auf dem Grundstück Am Großen Wannsee 56-58 ließ sich ein Mann nieder, der aus dem neuen Zeitgeist Kapital zu schlagen wusste. Alles begann hier am 25. April 1914, als der Kaufmann Ernst Marlier das 26 415 m² Land für 449 055 Mark in der Villenkolonie Alsen kaufte. Er hatte aber noch eine Reihe von Auflagen zu erfüllen. Denn schließlich kaufte er sich in die nobelste Kolonie von Berlin ein. So stand unter § 5 des Kaufvertrages:
    "Auf dem Grundstücke dürfen Irrenanstalten sowie gewerbliche Anlagen, welche dem §16 der Gewerbeordnung unterliegen, oder sonstige Anlagen, welche Geräusch, Rauch oder Geruch verbreiten, überhaupt nicht, andere gewerbliche Anstalten, Heil- und Erholungsanstalten, Gast- und Schankwirtschaften nur mit Genehmigung des Forstfiskus eingerichtet und betrieben werden."
    Ernst Marlier hatte nicht vor ein Haus in dieser Art zu betreiben. Er wollte eine prachtvolle Villa erbauen und selbst darin wohnen. Der Architekt Paul O. Baumgarten wurde mit der Planung beauftragt.
    Wenn man das Haus heute besuchen möchte, ist das schmiedeeiserne Tor zum Park der Villa stets verschlossen. Nachdem man aber den Klingelknopf gedrückt hat, ertönt ein Summen und das schwere Tor lässt sich öffnen. Im runden Foyer der Villa erwartet mich Norbert Kampe, der Leiter des Hauses der Wannsee-Konferenz, der sich mit der Geschichte der Villa Marlier bestens auskennt. Wir fahren mit dem alten, wunderschönen Fahrstuhl in die 2. Etage. Ich bin wirklich beeindruckt von den Dimensionen dieses Hauses.
    Interview Norbert Kampe: "Der Architekt Baumgarten war ein Messel-Schüler. Messel war ein sehr prominenter Architekt in Berlin, der auch Kaufhäuser in der Innenstadt gebaut hat, die sensationell eingeschlagen sind.
    Für Baumgarten war ganz wunderbar, dass Marlier ihm gesagt hat, Geld spielt keine Rolle. Er will hauptsächlich ein sehr repräsentatives Gebäude haben und da hat Baumgarten ihm vorgeschlagen, eine Villa im italienischen Stil zu bauen.
    Und Baumgarten ist offensichtlich auch der Planer für das Grundstück. Es gab wirklich einen ausgeklügelten Wegeplan, der heute noch zu sehen ist, bestimmte Erlebnisräume sind geschaffen im Garten, ein wunderbarer Rhododendronhain mit lauschigen Bänken, Satyrfiguren, zwei verschiedene Brunnen. Es gibt eine Art Barockgarten der dann über geht in einen Landschaftsgarten. Es ist eine sehr eigenartige Mischung von zwei Gartenstilen."
    Paul O. Baumgarten hatte hier in der Villenkolonie Alsen auch die Häuser von Max Liebermann und dessen direktem Nachbarn Johann Hamspohn gebaut.
    Die Villa Marlier war mit 1500 Quadratmeter Wohnfläche Baumgartens größter Privatbau. Aber das Grundstück in seiner ursprünglichen Form war Ernst Marlier noch nicht repräsentativ genug.
    Interview Norbert Kampe: "Also die teuren und gefragten Grundstücke rings um am Wannsee sind natürlich die, die an der Düne sehr hoch liegen. Die haben halt einen wunderbaren Blick auf den Wannsee, und dieses Gelände hier war sehr abschüssig, und deshalb mussten hier große Erdbewegungen gemacht werden, damit die Villa immerhin auf einem ziemlich erhöhten Standort ist, um doch noch einen ganz guten Blick auf den Wannsee zu ermöglichen, und das muss damals sehr kompliziert gewesen sein. 1014 hatte man nicht diese großen Baugeräte wie heute, aber es wurden große Mengen Erde bewegt, und die Villa steht auch nicht auf gewachsenem Boden."
    Auf dem Gelände werden noch einige andere Gebäude errichtet, wie das Pförtnerhäuschen, welches direkt hinter dem Eingangstor auf der rechten Seite steht oder die Gewächshausanlage. Wer aber war dieser Ernst Marlier, bei dem Geld keine Rolle spielte?
    Weitere Informationen zur zweiten Stunde:
    Ernst Marlier
    Colonie Alsen bezeichnet die 1863 im Berliner Ortsteil Wannsee (Bezirk Steglitz-Zehlendorf) vom Bankier Wilhelm Conrad gegründete Sommervillenkolonie am nördlichen Ufer des Kleinen und westlichen Ufer des Großen Wannsee.
    Einsicht 7, Zeitschrift des Fritz Bauer Instituts
    Wo der Holocaust besiegelt wurde
    "Wir sind kein Museum" - Interview mit Gedenkstättenleiter Norbert Kampe

    Aus dem Manuskript aus der 3. Stunde
    Interview Norbert Kampe: "Infolge des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem ist das Bild von dieser Villa, das war ja ein bestimmtes Foto, gehört praktisch zum Bildschatz aller interessierten Menschen auf der ganzen Welt. Natürlich besonders in Israel, wo viele Israelis Familienangehörige verloren haben. Dieses Haus, dieser Ort, man konnte wenigstens diesen abstrakten Prozess der Entscheidungsfindung, der uns Historikern immer noch so viele Schwierigkeiten macht, den konnte man an einem Ort sozusagen festmachen, auch wenn es so nicht ganz stimmt, historisch. Und deshalb ist diese Villa so wichtig. Wir haben einen ganz großen Anteil an israelischen Besuchern, die dann einfach auch sich durchfragen in den Verkehrsmitteln nach der Villa Wannsee. Dann sind die Busfahrer oder andere Menschen die sie fragen etwas ratlos, weil hier gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende von Villen. Und für sie ist das die Villa Wannsee."
    Adolf Eichmann steht am 4. November 1961 umringt von Wärtern vor Gericht in Jerusalem.
    Adolf Eichmann 1961 vor Gericht in Jerusalem (picture alliance / dpa )
    Der Eichmann-Prozess erregt weltweites Aufsehen. Eichmann stellte sich als kleines, unbedeutendes Rädchen im großen Getriebe dar, der nur auf Befehl gehandelt habe.
    Ein Mann jedoch kannte ihn besser. Avner Werne Less, ein deutscher Jude, der als Offizier der israelischen Polizei Eichmann innerhalb eines Dreivierteljahres insgesamt 275 Stunden verhört, in einem extra für Eichmann freigeräumten Gefängnis. Hier erwirbt er durch seine ruhige, höfliche Art Eichmanns Vertrauen und bringt ihn dazu Dinge zu erzählen, die er eigentlich nicht preisgeben wollte.
    Avner Werner Less: "Unter der Masse von Dokumenten, die ich Eichmann vorlegte, über die er dann befragt wurde und zu denen er dann Stellung nahm, gab es ganz besonders ein Dokument, das ihn zum ersten Mal aus dem Gleichgewicht warf. Es war ein Dokument vom 12. November 1941 vom Auswärtigen Amt, Rademacher unterschrieben. Es ging um die Frage der Evakuierung, der Deportation von 1200 Juden und diese Sache wurde vorgebracht vor Eichmann und Rademacher machte Notizen von dieser Sache und der Schlusssatz über seine Gespräche mit Eichmann, und der Schlusssatz den Rademacher damals 1941 schrieb war: Eichmann schlägt erschießen vor.
    Als Eichmann dieses Dokument sah, zitterten ihm so die Hände, er legt das Dokument auf den Tisch und versteckte die Hände so darunter, damit ich nicht sehen konnte wie erregt er war. Im ersten Moment gab er da auch ganz spontan zu, ja, das muss er gesagt haben, ja das habe ich gesagt, da ist kein Zweifel, wahrscheinlich habe ich mir dazu vorher den Befehl geholt. Ein paar Tage später kam er dann und sagte, er möchte noch einmal Stellung nehmen, er hat sich das überlegt, das muss doch glatt der Rademacher hinterher geschrieben haben, um sich ein Alibi zu bauen. Als ich ihn dann darauf aufmerksam machte, dass 1941 noch kein Alibi notwendig war, gab er das zwar zu, aber beharrte darauf, dass er sich gar nicht vorstellen könne und jetzt, wenn er noch mal überlegt, dass er so etwas gutgeheißen haben könnte."
    Für Avner Werner Less spielte Eichmann während des Prozesses die Rolle seines Lebens. Es nützt ihm nichts, die schriftlichen Beweise und die Zeugenaussagen sprechen eine sehr deutliche Sprache seiner Schuld. Am 31. Mai 1962 wird er hingerichtet.
    Der Historiker Joseph Wulf überlebte Auschwitz, lebte danach erst in Polen, dann in Paris. Hier schrieb er mit dem französisch-jüdischen Historiker Leon Poljakow den Dokumentenband "Das Dritte Reich und die Juden" in dem zum ersten Mal auch die Namen der Täter genannt wurden. Diese überzogen Wulf mit einer Klagewelle. Er gewann alle Prozesse.
    Avner Werner Less
    Lüge! Alles Lüge!
    Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers.
    Rekonstruiert von Stangneth, Bettina
    2012 Arche Verlag
    Wie übersteht man 275 Stunden allein mit Adolf Eichmann? Wie schafft man es, so lange die Lügen und Entschuldigungen vom dem zu ertragen, der Millionen Menschen in den Tod deportiert hatte, darunter auch den eigenen Vater? Avner Werner Less hat genau das erlebt. Nun hat Bettina Stangneth jenes Buch rekonstruiert, das der Eichmann-Verhörer selber nicht beenden konnte.
    Als man ihn 1960 bat, Eichmann zu verhören, wäre Less am liebsten davongelaufen. Zu viele hatte er im Holocaust verloren. Dann aber übernahm er die Aufgabe gerade deshalb: Er wollte verstehen. Er begann zu schreiben, über Eichmann, über sich, er notierte das, was keinen Platz im 3564-seitigen offiziellen Verhörprotokoll fand Fragen, seine Gedanken, aber auch seinen Ekel. All das mit scharfer Beobachtungsgabe, beeindruckender Urteilskraft, feinem Sarkasmus, vor allem aber mit dem Wunsch, der Welt zu erklären, was er aus dem Phänomen Eichmann gelernt hat.
    Bettina Stangneth, die sich selber intensiv mit Eichmann auseinandergesetzt hat, rekonstruiert die Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers aus unzähligen Notizen und Tagebucheintragungen und stellt ihnen Gespräche mit dem Sohn und mit Freunden von Avner Werner Less an die Seite. Es ist diese Verflechtung von Dokumentation und Biografie, die "Lüge! Alles Lüge!" zu einem besonderen Leseerlebnis macht: Unversehens wird er einem ganz nah, der Mann, der Eichmann unter anderem deshalb überlebte, weil er es schaffte, trotz allem ein glücklicher Mensch zu sein, der sich auch nach Auschwitz nicht verbieten lassen wollte, Gedichte zu schreiben.

    Eichmann im Verhör - Die Aufzeichnungen des israelischen Ermittlers Avner Less (Jüdische Allgemeine)
    Die Fatalität des Bösen (NZZ)
    Nils Aschenbeck
    Villen in Potsdam - Berliner Vorstadt
    2012 Imhof, Petersberg
    In der Berliner Vorstadt, einem Stadtteil von Potsdam, stehen zahlreiche sehenswerte Villen und Landhäuser, die zwischen 1870 und 1930 errichtet wurden. Hier, unweit der Glienicker Brücke, spiegelt sich in den historistischen, klassizistischen und auch ganz modernen Fassaden deutsche Vergangenheit und Gegenwart. Zu den Bewohnern der repräsentativen Bauten gehörten Fabrikanten und Maler, ein gegen die Nazis agierender Widerstandskämpfer und auch der Gründer des Berliner Wachsfigurenkabinetts. In der mächtigen Reformarchitektur-Villa, von der aus die Stasi den Agentenaustausch über die Glienicker Brücke beobachtete, lebte später ein schillernder Schweizer Botschafter. Einige der Villen in attraktiven Lagen am Heiligen See gehören heute der deutschen Fernseh- und Mode-Prominenz, auch die Joop-Marke "Wunderkind" hat hier ihren Sitz. Das Buch führt zu den interessantesten und schönsten Häusern der Berliner Vorstadt. Jedes Haus wird in Text und Bild vorgestellt, ein Kartenausschnitt erleichtert das Auffinden.
    Der Katalog zur Gartenausstellung "Villenkolonie Alsen am Großen Wannsee" Herausgegeben von Michael Haupt
    Das Haus der Wannsee-Konferenz,
    Von der Industriellenvilla zur Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz
    Berlin 2012
    Mehr als PDF unter www.ghwk.de
    Harry Balkow-Gölitzer, Rüdiger Reitmeier, Bettina Biedermann, Jörg Riedel
    Prominente in Berlin-Lichterfelde und ihre Geschichten
    2008 Berlin Edition im bebra verlag
    Das einst beschauliche Dörfchen Lichterfelde entwickelte sich im Laufe weniger Jahrzehnte zu einem der interessantesten Berliner Ortsteile. Inmitten weitläufiger Parksund stiller Alleen wohnten betuchte Großbürger, aber auch Wissenschaftler, Dichter, Schauspieler und ranghohe Militärs: Unter anderen Helmuth James Graf von Moltke, Manfred von Ardenne, Karl Liebknecht, Otto Lilienthal, Paul Hörbiger, Theodor Heuss, Hans Rosenthal und Rio Reiser.
    Henning Boetius
    Tod am Wannsee
    Merlin Verlag 2002
    Am 18. Oktober 2002 erinnert die deutsche Literaturszene an den 225. Geburtstag des deutschen Dramatikers und Dichters Heinrich von Kleist. Henning Boëtius zeichnet in seinem neuen Werk Tod am Wannsee eine anrührende und sensible Innenstudie des Dichters, der am 21. November 1811 mit seiner Gefährtin Henriette Vogel freiwillig aus dem Leben ging. Tod am Wannsee ist der Versuch, den bis zur Aufgabe reichenden, unausweichlichen künstlerischen Drang Heinrich von Kleists auf die letzten Lebensstunden im Gasthaus ""Neuer Krug"" zu verdichten. Henning Boëtius gelingt es, sich in der ihm eigenen Weise behutsam in die in ihrer Konsequenz beeindruckende Persönlichkeit einzufühlen und den freiwilligen Tod des Dichters und seiner Gefährtin als bewußt gewählten Lebensweg zu akzeptieren.
    Zoran Drvenkar
    Sorry
    Thriller.
    Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Glauser-Krimipreis 2010,
    Bester Roman und Prix des Lecteurs, 2012.
    2010 Ullstein TB
    Die fetten Jahre sind vorbei. Eine gute Geschäftsidee ist gefragt. Frauke, Tamara, Kris und Wolf, vier junge Berliner, stört, dass sich niemand mehr für nichts verantwortlich fühlt. Sie setzen auf die heilsame Kraft eines einfachen "Sorry" und gründen eine "Agentur für Entschuldigungen". Erstaunt stellen sie fest, dass die Resonanz überwältigend ist. Bis Kris eines Tages am vereinbarten Treffpunkt nicht den Klienten, sondern eine brutal zugerichtete Leiche findet. Und den Auftrag, sich bei ihr zu entschuldigen. Die vier lassen sich auf ein gefährliches Spiel mit dem Mörder ein, das immer perfider und grausamer wird.
    Ihr Angebot rüttelt die Geschäftswelt auf, denn sie entschuldigen sich für die Vergehen von Unternehmen. Sie bieten den Schuldigen Unterstützung an und helfen den Opfern. Sie selbst verdienen viel Geld damit, die vier jungen Berliner, die diese clevere Geschäftsidee hatten, irgendwann, bevor alles anfing. Immer mehr Menschen erleichtern über sie ihr Gewissen - als ihnen eines Tages jemand den Auftrag erteilt, eine Tote um Verzeihung zu bitten für die unvorstellbaren Qualen, unter denen sie starb. Hier schnappt die Falle zu. Die Lektion, die der Auftraggeber ihnen ab jetzt erteilt, ist voller Dunkelheit: Wie Schachfiguren werden sie auf eine Spur der Grausamkeit gesetzt, auf der es keine Vergebung gibt, kein Schwarzweiß mehr zwischen Opfer und Täter. Zoran Drvenkars verstörender neuer Roman erzählt auf zwingende Weise von einer Welt, in der wir der Gewalt nicht mehr ausweichen können. Weitere Informationen über Zoran Drvenkar und 'Sorry' finden Sie hier. Entdecken Sie auch das Hörbuch zu 'Sorry'.
    Musikliste der Langen Nacht:
    Erste Stunde:
    Zarah Leander "Der Wind hat mir ein Lied erzählt"
    Kurt Mühlhardt , "Hoppla, jetzt komm ich" 1931
    Willy Fritsch 1930 "Ich lass mir meinen Körper schwarz bepinseln"
    Max Hansen 1928 "Ich reiß mir eine Wimper aus"
    Soundtrack "A single man" - Stillnes Of The Mind
    Leo Moll "Die ganze Welt ist Himmelblau" 1930
    Willi Kollo "Schreib mir mal ne Karte" 1937
    Austin Egen "Du bist in letzter Zeit so schrecklich blond geworden" 1930
    "Ich hab kein Auto, ich hab kein Rittergut"
    Zweite Stunde
    "Erst trink mit mir ein bisschen Alkohol mein Schatz" Schlager 20er Jahre
    Paul Godwin "Du bist als Kind zu heiß gebadet worden" Schlager von 1928
    "Amalie geht mit nem Gummikavalier ins Bad" 1927
    Lied "Einen großen Nazi hat sie"
    "Ballade vom angenehmen Leben" Brecht/Weil, Version von 1930 Gesang Rudolf Forster
    Kurt Weil "From Berlin to Broadway" - "Tangoballade" (Ballade vom angenehmen Leben)"
    Max Richter Infra "Infra 2"
    Max Richter Infra "Journey 4"
    Soundtrack "A single man" Going Somwhere
    Soundtrack "A Single Man" Georges Walz I
    "Wenn ich mir was wünschen dürfte" Marlene Dietrich
    Dritte Stunde
    "Fräulein mit ihnen möcht ich baden gehen" von 1939
    "Pack die Badehose ein" Satirefassung
    Esther und Abi Ofarim "Mein Weg nach Haus"
    Esther Opharim "Der Sommerwind"
    Daliah Lavi "Jerusalem"
    Karat "Über 7 Brücken musst du gehn"
    City "Am Fenster"