Dienstag, 19. März 2024

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Die letzten Arbeitsjahre
Auf der Suche nach dem persönlichen Gleichgewicht

Aufstehen, arbeiten, vielleicht noch zum Sport und ab ins Bett: Für viele Menschen bildet der Job den Lebensmittelpunkt. Reisen, Hobbys - dafür habe ich ja noch im Alter Zeit, sagen viele. Doch wenn es so weit ist, zeigt sich: Ganz so leicht fällt Beschäftigten der Übergang vom Job in die Rente nicht. Eine Umfrage.

Von Martin Winkelheide | 24.10.2017
    Ein Verkäufer zieht einen Kassenzettel aus einer Registrierkasse
    Fünf Tage die Woche, jeden Tag der gleiche Ablauf: Trotz häufiger Monotonie fällt vielen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Abschied vom Arbeitsleben schwer (dpa / epa ANA / Orestis Panagiotou)
    Gärtner: Ich bin Gärtner. Bei mir geht es eigentlich noch.
    Einzelhändler:: Einzelhändler war ich zeit meines Lebens, bin es heute noch begeistert. Aber seit drei Jahren geben wir es so allmählich in die Hand unseres Sohnes.
    Gärtner: Ist natürlich manchmal auch sehr laut, weil ja heute auch sehr viel mit Maschinen gearbeitet wird. Es ist dauernd irgendwas am Tuckern. Manchmal denkt man, man ist im Stahlwerk, wenn mehrere Leute mit Laubbläsern zugange sind, und dann noch einer mit dem Rasenmäher durch die Landschaft fährt.
    Einzelhändler: Es sind Dinge, wo Loslassen gefragt ist. Ich will ja auch nicht weiter arbeiten, ich möchte auch mal mit meiner Frau das machen, was wir uns zeit unseres Lebens vorgenommen haben.
    Einzelhändlerin: Sei es, dass das Haus renoviert wird, die Wohnung besonders aufgeräumt wird, dass man Pläne macht für Reisen, dass man sich mehr den Freunden und Verwandten zuwendet, dass man mehr Einladungen gibt und diesbezüglich aktiverer wird. Denn wir sind ja jahrelang immer am Minimum der Kräfte auch entlang gegangen, und das ist jetzt - toi, toi, toi - hoffentlich, wir gewöhnen uns gerade daran, es ist noch ganz frisch.
    Gärtner: Ich pass auch ein bisschen darauf auf, gucke, wie ich mich bücke und dass ich mich nicht zu oft bücke.
    Autohändler: Ich bin selbstständig und habe ein Autohaus.
    Grafiker: Ich nehm es locker, ja.
    Autohändler: Das ist weniger eine Belastung: die lange Arbeitszeit - sondern eher die Schwierigkeit, diese konjunkturellen Hochs und Tiefs zu umschiffen: Kann man Gehälter zahlen? Mieten und solche Dinge?
    Grafiker: Grafiker. Geht. Ganz gut. Bin auch nicht anspruchsvoll, was Geld betrifft. Geld ist nicht so wichtig.
    Autohändler: Das äußert sich beispielweise durch Schlaflosigkeit. Es gibt natürlich auch gute Zeiten. Aber, wenn es so ist, dass es schwieriger wird im Geschäftsleben, dann macht man sich schon sehr oft Gedanken.
    Einzelhändler: Montags guck ich und freitags arbeite ich ein bisschen noch. Aber wir wollen es nicht übertreiben.
    Autohändler: Aber es ist schon so, dass man in der wenigen Freizeit, die man hat, versuchen muss, abzuschalten.
    Frau des Autohändlers: Wie ist das bei mir? Ich war auch bis letzte Woche selbstständig und habe meine Selbstständigkeit aufgegeben. Aus familiären Gründen, weil das einfach zu viel wird. Mit Zuhause, Familie, Mann selbstständig. Da musste jemand die Reißleine ziehen, dass das Leben wieder genießbarer ist. "
    Schuldirektor: Meine Beobachtung schon als Lehrer war - und das wird bestätigt durch meine Erfahrung in Schulleitung: Je mehr ich mich auf meinen Beruf einlasse und mich einbringe, versuche auch Dinge mit zu gestalten, mit zu entwickeln, desto mehr finde ich auch innere Ruhe, um die nötige Kraft zu schöpfen für den beruflichen Alltag.
    Einzelhändler: Es ist heute so die Vorbereitung auf das Alter. Wir sind an so einer Kippschwelle momentan, wo man sich sagt: Mensch, plötzlich wird man älter.
    Einzelhändlerin: Ich denke mir, die nächsten zehn Jahre könnten wir noch gut leben. Ich sage es mal ganz pessimistisch: zehn Jahre, die man noch gut beieinander sein könnte. Und das ist nicht mehr allzu lange. Da müssen wir uns schon ein bisschen sputen.
    Schuldirektor: Diese Dialektik zwischen Nähe und Distanz in den Griff zu bekommen: Wer das in jungen Jahren noch nicht kann, das ist nicht verwerflich. Aber er sollte sich im Laufe seiner Berufsjahre doch da ein vernünftiges Verhältnis zwischen Nähe und Distanz versuchen anzueignen. Und genau das schafft dann die Räume, die man braucht, um wieder Kraft zu tanken, wenn die Berufsjahre halt allmählich dem Ende entgegen gehen.
    Einzelhändler: Ich habe gerade längere Zeit im Krankenhaus gelegen, wo ich Schwäche gezeigt habe. Wo ich einfach nicht konnte, wo ich auf andere angewiesen war, und das ist eine Erfahrung gewesen, furchtbar. Ich habe es auch wieder überwunden, ein bisschen Disziplin, und dann läuft das schon.
    Einzelhändlerin: Es war aber auch Glück.