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Die letzten Walfänger
Harpunen sind nicht die größte Gefahr für die Wale

Der kommerzielle Walfang führte im vergangenen Jahrhundert fast zur Ausrottung vieler Walarten. Inzwischen haben sich etliche Bestände wieder erholt, der Walfang ist inzwischen wirtschaftlich weitgehend uninteressant geworden. Dafür drohen den Meeressäugern nun ganz andere Gefahren.

Von Monika Seynsche | 15.06.2017
    Ein Zwergwal gleitet durch das blaue Wasser des Meeres.
    Ein Zwergwal gleitet durch das blaue Wasser des Meeres. Walfänger sind für ihn inzwischen fast das geringste Problem. (dpa/picture-alliance/)
    Eine holprige Schotterstraße durchzieht eine Siedlung staubbedeckter Holzhäuser. In den Vorgärten liegen Rentiergeweihe auf steinigem Boden. Daneben eingemottete Schneemobile, ramponierte Pick-ups, Harpunen und Walknochen.
    Die kleine Siedlung Barrow an der Nordküste Alaskas war die Heimat von Arnold Brower. In einem der Holzhäuser saß er im Sommer 2007 in seinem Wohnzimmer vor Spitzengardinen. Der 85-Jährige deutete auf ein Foto an der Wand, das ihn und seine Walfangmannschaft mit einem erlegten Grönlandwal zeigt.
    "Der Wal ist das wichtigste Tier für unsere Kultur"
    "Ja, ich bin Walfangkapitän und das hier ist der Wal, den wir dieses Frühjahr erlegt haben. Er ist eine kleine Berühmtheit, denn in ihm steckte noch ein Projektil aus dem 19. Jahrhundert. Dadurch konnte man sein Alter bestimmen. Es war ein riesiger Wal, der über 130 Jahre alt geworden ist."
    Ein Mann der Inupiaq steht auf dem Eis und schaut aufs Eis.
    Ein Mann der Inupiaq steht auf dem Eis und schaut aufs Eis. (imago/Natur Picture Library)
    Jedes Jahr im Frühling jagen die Iñupiat-Eskimo wie Arnold Brower einige Grönlandwale vom Meereis aus, indem sie an einigen Stellen große Löcher ins Eis schlagen und dann warten, bis die Wale dort zum Luftholen auftauchen.
    "Der Walfangkapitän ist eine lebenswichtige Institution für die Iñupiat-Kultur. Lange bevor es die Regionalbehörde, den Staat Alaska oder sogar die Vereinigten Staaten von Amerika gab, waren die Eskimos schon hier. Und sie haben überlebt dank des Wals. Das ist das wichtigste Tier für unsere Kultur und für unseren Lebensunterhalt."
    Eingeborenen-Walfang gibt es seit Jahrtausenden
    "Es macht sicherlich Sinn, sich zunächst mal anzuschauen, welche Arten von Walfang es heutzutage überhaupt noch gibt."
    Thilo Maack ist Meeresbiologe und bei Greenpeace für Wale und Fischerei zuständig.
    "Zum einen gibt es den sogenannten Eingeborenenwalfang. Also den Walfang, der stattfindet in Russland, in Alaska oder auch auf Grönland. Da sind Eingeborenenvölker, Inuit, Eskimos, die zur Subsistenz, also zum Fristen ihres Daseins Wale schießen. Und die den Wal zur Gänze nutzen, also vom Kopf bis zum wirklich kleinsten Knochen wird da alles verwendet. Das ist eine Form des Walfangs, die so schon seit Hunderten, ach was, Tausenden von Jahren stattfindet. Und gegen diese Art von Walfang hat sich Greenpeace eigentlich nie gewandt. Und eine ganz andere Form des Walfangs ist der kommerzielle Walfang."
    Kommerzieller Walfang rottete einige Bestände fast aus
    Mit der Erfindung der Harpunenkanone und schneller Dampfschiffe Mitte des 19. Jahrhunderts begann der industrielle Walfang und damit ein Gemetzel ohnegleichen. Millionen von Walen wurden in den folgenden Jahrzehnten aus kommerziellen Gründen erlegt, um Waltran und Walrat für Öllampen, Margarine, Kunstharz, Salben und Seifen zu gewinnen, Ambra für teure Parfums, Walknochen für Leim und Gelatine. Aus den elastischen Hornplatten der großen Bartenwale gewann man darüber hinaus Fischbein für Korsetts, Reifröcke und Reitpeitschen.
    "Man fing an mit den Buckelwalen, weil die küstennah waren und weil die am schnellsten zu kriegen waren. Dann kamen die Blauwale dran, weil die die größten waren, dann kamen die nächstgrößeren Finnwale dran, dann kamen die nächstgrößeren, die Seiwale dran und am Ende der Brydewal und Zwergwal."
    Ein toter Minkwal wird mit Hilfe eines Krans von einem Walfang-Schiff heruntergeholt.
    Die Internationale Walfangkommission hat Japans sogenanntem Wissenschaftswalfang - Grenzen gesetzt. (picture alliance/ dpa/ Kyodo)
    Eine Walart nach der anderen wurde so innerhalb weniger Jahrzehnte an den Rand der Ausrottung getrieben, sagt der pensionierte Walforscher Karl Hermann Kock vom Thünen-Institut für Seefischerei in Hamburg.
    "Es zeigte sich natürlich bereits in den 50er-Jahren und auch einige Wissenschaftler haben das also klar zum Ausdruck gegeben, dass die Wale ganz deutlich zurückgingen."
    Internationale Walfangkommission sollte Walfang regulieren
    Das war ein Problem für die großen Walfangnationen. Deshalb schlossen sich die USA, Russland, Norwegen, Australien, Frankreich, Großbritannien und Südafrika 1946 zur Internationalen Walfangkommission zusammen, die verbindliche Fangquoten festlegen sollte.
    "Das war dann eine Organisation von Walfangstaaten, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass immer Wale vorhanden sind."
    Harald Benke ist Direktor des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund und seit 1980 Walforscher.
    "Aber, da sich einige Länder überhaupt nicht an die Regeln gehalten haben, an die Fangquoten, die man ermittelt hatte und den Ländern mitgeteilt hatte - vor allem die Russen waren da ganz groß, die haben da dann auch immer noch falsche Zahlen gemeldet und haben noch mehr Wale gejagt als sie durften. Und das führte dazu, dass dann die Berechnungen der Wissenschaftler gar nicht mehr funktionierten, nicht mehr stimmten und so eine Walart nach der anderen wirklich fast an den Rand der Ausrottung getrieben wurde."
    Drei Nationen ignorierten das kommerzielle Walfangverbot
    Erst 1986 einigte sich die, heute 88 Mitglieder zählende, Internationale Walfangkommission auf einen vorübergehenden Fangstopp - der solange gelten sollte, bis sich die Walbestände erholt hätten. Erlaubt ist der Walfang seitdem nur noch einigen indigenen Völkern wie den Iñupiat-Eskimo in Alaska. Das Moratorium gilt bis heute.
    "Das wird von den meisten Nationen auch tatsächlich akzeptiert. Aber es gibt drei Nationen, die dieses kommerzielle Walfangverbot ignorieren. Das sind Japan, Norwegen und Island."
    Walfang in Norwegen: Immer weniger Norweger wollen diesen Beruf ausüben.
    Walfang in Norwegen: Immer weniger Norweger wollen diesen Beruf ausüben. (picture alliance / dpa / Foto: Scanpix Pedersen)
    Alle drei Nationen hätten juristische Schlupflöcher gefunden, um weiter Wale zu fangen, sagt Thilo Maack von Greenpeace.
    Walfangfilm in Japan verboten
    Auf dem Vorderdeck der "Toshi Maru No 25" laden zwei Harpuniere eine widerhakengesäumte Harpunenkanone, richten sie aufs Wasser und feuern. Der Sprengkopf explodiert im Bauch eines südlichen Zwergwals. Er zerfetzt die inneren Organe. Das Tier windet sich im Todeskampf. Blut färbt das Wasser rot.
    Die Crew des Walfängers vertäut die Schwanzflosse des ertrinkenden Tieres an der Seitenwand des Schiffs und schleift es zum Fabrikschiff "Nisshin Maru", dem Flaggschiff der japanischen Walfangflotte. Dort angekommen, wird der Wal in einer Blutlache aufs Deck gezerrt und die Flenser beginnen mit dem Zerlegen des Tieres. Diese Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1993 und wurden von der Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare auf Youtube veröffentlicht. In Japan dürfen sie nicht ausgestrahlt werden.
    "Japan stützt sich auf den Artikel 8 der Internationalen Konvention zur Regulierung des Walfangs. Und dieser Artikel 8 erlaubt es IWC-Mitgliedsländern, Wale zu wissenschaftlichen Zwecken zu schießen und das dabei anfallende Fleisch gewinnbringend zu verkaufen."
    Japanische Forscher untersuchen an den getöteten Tieren unter anderem den Ohrenschmalz und den Mageninhalt, um Rückschlüsse auf das Alter und die Ernährung ziehen zu können. Beides gibt ihnen Informationen über den Gesundheitszustand der Population. Allerdings ließen sich diese Daten auch erheben, ohne Wale zu töten, sagt Elanor Bell. Die Australierin koordiniert das Southern Ocean Research Partnership, eine Forschungsinitiative, die Untersuchungsmethoden erarbeitet, bei denen Wale nicht sterben müssen.
    Neue Untersuchungsmethoden für Wale
    "Wir haben zum Beispiel Gewehre, die so modifiziert wurden, dass sie statt Munition einen kleinen hohlen Biopsie-Pfeil abfeuern. Wir schießen damit aus geringer Distanz auf die Wale, und der Pfeil reißt ein kleines Stück Haut und Fettschicht aus dem Tier. Meist merken die Wale nicht einmal, dass auf sie geschossen wurde. Anhand dieser Gewebeprobe können wir das Geschlecht bestimmen. Und wir können feststellen, ob ein Weibchen trächtig ist. Das ist sehr wichtig, um die Reproduktionsraten und damit den Gesundheitszustand der Population beurteilen zu können.
    Außerdem analysieren wir die Proben auf Schadstoffe und wir können Rückschlüsse auf die Ernährung und das Alter der Tiere ziehen."
    Das Ganze, ohne einem einzigen Wal Schaden zuzufügen.
    Greenpeace-Aktivisten in einem Schlauchboot fahren am 20.12.1999 an einem japanischen Verarbeitungsschiff im Walschutzgebiet in der Antarktis vorbei, um den Walfang zu stoppen. 
    Greenpeace-Aktivisten in einem Schlauchboot fahren am an einem japanischen Verarbeitungsschiff im Walschutzgebiet in der Antarktis vorbei. (picture alliance / dpa / epa Greenpeace)
    "Früher musste man Wale töten, um an ihren Ohrenschmalz heranzukommen. Dieser lagert sich im Laufe ihres Lebens Schicht für Schicht im Ohr ab, sodass man mit seiner Hilfe das Alter der Tiere bestimmen kann. Mit unseren neuen Methoden aber reicht die DNA aus den Gewebeproben. Sie degeneriert mit den Jahren, sodass wir heute das Alter eines Wals feststellen können, ohne ihn zu töten."
    Japan nennt wissenschaftliche Gründe
    Im japanischen Walfang dagegen sterben jedes Jahr etwa 500 Tiere. 2014 gab der Internationale Gerichtshof in Den Haag einer Klage Australiens und Neuseelands statt und erklärte das Walfangprogramm der Japaner für illegal. Das Programm diene nicht wissenschaftlichen Zwecken, urteilten die Richter. Anfangs beugte sich die japanische Regierung dieser Entscheidung, setzte dann aber ein neues Walfangprogramm mit leicht veränderten Zielen und Methoden auf. Seitdem jagt Japan wieder Wale.
    "Es ist ganz offensichtlich, dass die japanische Regierung da kommerziellen Walfang im Gewande der Wissenschaft betreibt. Das zeigt sich auch dadurch, dass in keinem wirklich renommierten Wissenschaftsmagazin jemals ein Artikel veröffentlicht oder akzeptiert wurde, der aus dem japanischen wissenschaftlichen Walfang stammt."
    Der Laugavegur ist die Haupteinkaufsstraße Reykjaviks. Große Geländewagen mit glänzenden Felgen rauschen vorbei an Souvenirläden und Fisch-Restaurants. Einige Meter entfernt vom Trubel erhebt sich am Hafen von Reykjavik das große, weiße Gebäude des Meeresforschungsinstituts. Gísli Víkingsson leitet hier die Walforschung. Er und seine Kollegen zählen von Flugzeugen und Schiffen aus alle paar Jahre die Wale in isländischen Gewässern und bestimmen so den Status der einzelnen Arten.
    In Island werden nur Zwergwale und Finnwale gejagt
    "Der Status einer Art ist - ganz einfach ausgedrückt - die Anzahl der heute noch lebenden Tiere verglichen mit der Zahl der Tiere vor Beginn des kommerziellen Walfangs. Sind weniger als 55 Prozent übrig, muss die Art komplett geschützt werden. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung sollte der Status zwischen 60 und 80 Prozent liegen."
    Die Fluke eines im Meer abtauchenden Buckelwals.
    Die Fluke eines abtauchenden Buckelwals (imago/Olaf Krüger)
    In Island werden nur Zwergwale und Finnwale gejagt. Die Bestände beider Arten liegen Gísli Víkingssons Analysen zufolge bei etwa 80 Prozent. In Abstimmung mit den Regularien der Internationalen Walfangkommission berechnet er jedes Jahr die Fangquoten. In der Anfang Juni gestarteten Fangsaison 2017 dürfen demnach 146 Finn- und 224 Zwergwale gejagt werden.
    "Das ist jeweils etwa ein Prozent der Populationen. Allerdings hat die einzige Firma, die in Island Finnwale jagt, im letzten Jahr komplett auf die Jagd verzichtet. Und von den Zwergwalen werden jedes Jahr wesentlich weniger Tiere geschossen, als erlaubt: im Schnitt etwa 50 Tiere."
    Kaum Interesse in der Bevölkerung
    Zwergwale werden nur für den isländischen Markt gejagt. Der sei nicht sehr groß, sagt Gísli Víkingsson und mit höchstens 60 Tieren pro Jahr gesättigt. Der International Fund for Animal Welfare hat im Jahr 2006 unter der isländischen Bevölkerung eine Umfrage zum Verzehr von Walfleisch durchführen lassen. Das Ergebnis:
    "So gut wie kein Isländer isst Walfleisch. Nicht einmal anderthalb Prozent der Bevölkerung verzehren es regelmäßig."
    Mathew Collis ist beim Internationalen Tierschutzfonds in London zuständig für Internationale Umweltabkommen und hat lange Jahre das Walschutzprogramm der Nicht-Regierungsorganisation geleitet.
    "Das Problem in Island ist, dass viele Touristen glauben, Walfleisch sei ein traditionelles isländisches Gericht, das sie unbedingt probieren müssten. Wir haben 2009 herausgefunden, dass etwa 40 Prozent aller Touristen Walfleisch kosten."
    Finnwale wurde nur für den Export gefangen
    Aufklärungskampagnen vieler Umweltorganisationen haben seitdem dazu geführt, dass immer weniger Touristen Walfleisch essen - sehr zum Verdruss der Firmen, die Zwergwale jagen. Die großen Finnwale betrifft das nicht. Sie werden nur für den Export gefangen, vom Unternehmen Hvalur H/F. Dessen Chef ist Kristjan Loftsson.
    "Kristjan Loftsson ist einer der reichsten Männer der Insel. Island hat ein bisschen über 300.000 Einwohner. Die gesamte Wirtschaftsmacht und das gesamte Geld der Insel liegen offensichtlich in der Hand von knapp 50 Familien. Und basiert heutzutage viel auf Tourismus, aber vor allen Dingen auf Fisch und der Ausbeutung der Schätze des Meeres in den isländischen Gewässern. Kristjan Loftsson hat sich da besonders hervorgetan."
    Frauen in der Fischfabrik am Hafen von Reykjavik.
    Frauen in einer Fischfabrik am Hafen von Reykjavik. Fisch gehört zu den wichtigsten Exportgütern. (Deutschlandradio / Wiebke Keuneke)
    Kristjan Loftssons Vater hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Walfangflotte vom amerikanischen Militär geschenkt bekommen, erzählt Thilo Maack von Greenpeace. Damals brauchte man das Walfleisch zur Ernährung der Weltbevölkerung.
    "Wenn es nicht so unglaublich traurig wäre, dann müsste man wirklich laut darüber lachen, was der Mann da betreibt. Der hat in den vergangenen Jahren jeweils 155 Finnwale geschossen. Es gibt keinen Markt für Finnwale auf Island. Die sind ausschließlich für den Export nach Japan gedacht gewesen. In Japan will niemand dieses Walfleisch, weil es zum Teil kontaminiert ist mit Umwelttoxinen, mit Dioxinen, mit PCBs, mit DDT und so weiter. Und das hat letztendlich dazu geführt, dass er im vergangenen Jahr die Entscheidung gefällt hat, keine Finnwale mehr zu jagen und diese Entscheidung hat er glücklicherweise dieses Jahr wieder bekräftigt. Das heißt, auch in diesem Jahr wird die antiquierte Walfangflotte von Kristjan Loftsson nicht auslaufen, Finnwale zu schießen. Und das ist eine sehr, sehr gute Entwicklung."
    Proteste von Organisationen wie SeaSheperd oder Greenpeace
    Wale stehen am Ende der Nahrungskette im Ozean. Deshalb reichern sich in ihren Körpern Umweltgifte an, die von ihrer Beute, Fischen und Krill aufgenommen wurden. Um an möglichst unbelastetes Walfleisch heran zu kommen, jagen die Japaner daher -anders als Norweger und Isländer - fernab ihrer eigenen verschmutzten Hoheitsgewässer im relativ sauberen Südpolarmeer rund um die Antarktis. Dort aber warten jedes Jahr wieder Aktivisten von Umweltorganisationen wie SeaSheperd oder Greenpeace auf sie.
    Im antarktischen Sommer 2007/2008 verfolgt das Greenpeace Schiff "Esperanza" mit mehreren Schlauchbooten das japanische Fabrikschiff "Nisshin Maru".
    "Achtung. Achtung. Hier spricht der Kapitän der 'Nisshin Maru'. Stoppen Sie sofort Ihre Blockade-Aktion! Entfernen Sie sich von unserem Schiff oder wir werden Wasserwerfer einsetzen, um Sie zu vertreiben! Achtung, Achtung.”
    In einer Dauerschleife ertönt diese Ansage von Bord der "Nisshin Maru", während die Umweltschützer in Schlauchbooten um das Fabrikschiff kreisen und verhindern, dass dieses sich einem Tankerschiff nähern kann, um aufzutanken.
    In Japan ist der Walfang ein Minusgeschäft
    Alle drei Walfangnationen stoßen auf heftigen internationalen Protest. Es gibt kaum noch einen Markt für Walfleisch und gar keinen mehr für andere Walprodukte. In Japan ist der Walfang schon seit vielen Jahren ein Minusgeschäft, das vom japanischen Steuerzahler jedes Jahr mit mehreren Millionen Euro bezuschusst wird. Und auch in Norwegen und Island erzielen die Walfänger kaum noch einen Gewinn. Trotzdem jagen sie weiter.
    Thilo Maack sieht darin hauptsächlich politische Gründe: In Tokio etwa wolle man demonstrieren, dass man sich nichts vom Ausland diktieren lasse.
    Ein Thunfisch gefangen im Netz
    Ein Thunfisch gefangen im Netz. Auch für Wale werden die Fischereinetze immer wieder zur tödlichen Falle. (DB Gavin Newman/Greenpeace/EPA/dpa-Bildfunk)
    "Es ist offensichtlich so, dass die japanische Regierung in dem Walfang einen Weg gefunden hat, den westlichen Regierungen kräftig vors Schienbein zu treten. Ohne aber wirklich groß außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen."
    Norwegen wiederum ist der weltgrößte Exporteur von Lachs und Island macht mit dem Export von Fisch und Fischprodukten 16 Milliarden Euro Gewinn pro Jahr. Für die Wirtschaft beider Länder sind Fische enorm wichtig. Und Wale fressen Fische.
    Wale sind wie Rehe und Wildschweine
    "Die Situation der Wale in Island ähnelt der großer Landsäugetiere wie Rehe und Wildschweine im Rest Europas. Dort herrscht die generell akzeptierte Meinung, dass man den Bestand dieser Tiere kontrollieren muss, um die Interessen des Menschen zu schützen. Sie werden gejagt, damit sie nicht zu große Schäden in der Land- und Forstwirtschaft anrichten. In Island haben wir keine großen Landsäugetiere, aber reichlich Meeressäuger. Und die werden genauso wie die Rehe in Europa von vielen als Konkurrenz um einen wichtigen Wirtschaftszweig wahrgenommen. Hier ist es die Fischerei, in Europa ist es die Landwirtschaft."
    Wissenschaftlich sei es sehr schwer nachzuweisen, ob die Wale die Fischerei wirklich beeinflussen und wenn ja, wie groß dieser Effekt ist, sagt Gísli Víkingsson vom isländischen Meeresforschungsinstitut.
    "Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es einen gewissen Effekt. Sagen wir, wir würden den Walfang stoppen und alle Wale leben und Fisch fressen lassen. Wenn wir gleichzeitig alle anderen Ressourcen im Meer im gleichen Maße nutzen, wie wir es bisher tun, dann ist es schon wahrscheinlich, dass auf lange Sicht der Ertrag der Fischerei geringer wäre, als wenn wir ein wenig von allen Teilen des Systems nutzen, also auch von den Walen."
    Walfang ist für die weltweiten Bestände keine wirkliche Gefahr
    Einig sind sich sowohl Befürworter als auch Gegner des Walfangs darin, dass er für die weltweiten Walbestände keine wirkliche Gefahr mehr darstellt. Die Japaner, Norweger und Isländer zusammen töten pro Jahr nicht mehr als 1.300 Tiere. Einige Walarten haben sich seit dem Moratorium auch wirklich erholt. Andere aber bis heute nicht. Denn in den Ozeanen der Welt lauern noch ganz andere, viel größere Gefahren als der ein oder andere Walfänger.
    "Die größte Gefahr ist der Beifang in der Fischerei. Weltweit gehen bis zu 300.000 Wale und Delfine jedes Jahr in die Netze der Fischerei und kommen da ums Leben."
    Am Nordseestrand an der Westküste von Dänemark nahe dem Ort Agger liegt ein Haufen vom Meer angespülter Fischernetze und Seile. 
    Auch Fischernetze verschmutzen immer mehr die Meere. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Treibnetze und Grundstellnetze seien heute so fein, dass Wale sie nicht mehr wahrnehmen könnten, sagt Harald Benke vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund. Zudem sind sie so reißfest, dass selbst ein großer Buckelwal sich nicht daraus befreien kann und ertrinkt.
    Treibnetze und der Lärm der Schiffe
    "Und weil es eben einfach so viele sind von den Netzen, die gestellt werden. Und dann gehen viele bei Sturm auch verloren, das heißt, diese Geisternetze treiben durch die Ozeane, fangen die ganze Zeit, bis sie so voll sind, dass sie Richtung Boden sinken. Dann verwesen alle Tiere und die Netze treiben wieder nach oben und fangen wieder weiter."
    Gleichzeitig wird es in den Ozeanen immer lauter.
    Der Krach durch immer mehr Schiffe raubt den Walen die Orientierung und erschwert ihnen die Kommunikation mit ihren Artgenossen. Außerdem leiden die Tiere unter der zunehmenden Schadstoffbelastung im Meer.
    "Und diese Gefahren alle zusammen genommen, die sind dann natürlich eine große Gefahr für die Wale weltweit."