Dienstag, 23. April 2024

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Die Liebe währt drei Jahre

"Was ist daran so kompliziert? Erst liebt man, dann liebt man nicht mehr." Punkt. Mit diesem Ausspruch der Kollegin Francoise Sagan leitet Frédéric Beigbeder sein Buch ein. Das der dritte und somit letzte Teil ist in jener Werkgruppe, die man die "Marc-Marronnier-Trilogie" nennt. Frédéric Beigbeders Erzählungen aus den neunziger Jahren über sein alter ego Marc Marronnier, einen Gesellschaftsklatschkolumnisten Ende zwanzig, der nicht nur im Namen das hervorstechendste physiognomische Merkmal seines Autors trägt, die "Kastaniennase", sondern noch etliche Züge darüber hinaus. "Marc Marronnier, das bin ich", sagte Beigbeder in Anlehnung an einen berühmten Ausspruch, und fügte hinzu: "Nur noch viel schlimmer!" Eine Figur also, hinter der sich der Autor nur umso sichtbarer verbarg.

Oliver Seppelfricke | 12.05.2003
    Was treibt also Marc Marronnier, der im ersten Teil seine späte Pubertät vorstellte und seinen Witz, und der im zweiten Teil auf Partys ging und seine Liebe suchte und fand? Nun, er läßt sich scheiden. Gerade hat er seine Liebe gefunden, Anne, und schon verläßt er sie wieder. Denn er ist überzeugt: Die Liebe währt nur drei Jahre. Dann kommen Streit und Trennung. Punkt. "Im ersten Jahr kauft man die Möbel. Im zweiten Jahr stellt man sie um. Im dritten Jahr teilt man sie auf", so sagt er.

    Marc Marronnier ist, wie sein Erfinder vermutlich auch, ein großer Junge. Gerade ist er 30 geworden. Zum größten Teil besteht er aus Fassade. Der ganze Kerl, ein einziges Spiel. Den Ekelbolzen spielt er, weil er Nettsein peinlich findet. So will uns der Autor weiß machen. Wohl eher aber, weil er Angst hat, nicht beachtet zu werden. Ein Möchtergern-Everybody´s-Darling ist er, ein unsicherer Mensch, der, je lauter er trommelt, desto wohler sich fühlt. Egal, ob es sich um geheuchelte Freundlichkeiten handelt oder um ernstgemeinte Häßlichkeiten. Hauptsache keine Stille, in der man nichts spürt. Außer vielleicht sich selber. Marc Marronnier ist auf der Flucht, auf der Flucht vor sich selber. Das geht nach der Scheidung immer solange gut bis zu dem Moment, wo auch er nicht mehr dem nagenden Gefühl von Einsamkeit, das in ihm aufsteigt, entkommt.

    Marc Marronnier hat seine Frau verlassen. Genauso wenig wie er gewußt hat, warum er sie heiratet (weil die Eltern es wollen; weil es eine tolle Feier gibt; weil das Leben alleine langweilig ist, so sagt er uns), genauso wenig weiß er, warum er sie verläßt. Er ist bloß überzeugt, die Liebe währt nur drei Jahre. Und in Ehen, in denen man - wie hier - oberflächlich nicht wegen des Partners, sondern wegen der Umstände geheiratet hat, ist das wohl auch so. Man kommt sich nicht näher, dann geht man halt wieder. Aber auch das fällt unserem Marc Marronnier schwer. Er kommt mit der neuen Einsamkeit schlecht zurecht und sehnt sich nach seiner Ex. Doch unser Held hat Glück: Eine andere Frau kreuzt seinen Weg, Alice, eine wahre Sexbombe, frech und frei, ganz anders als die liebe Anne, die ihn zunächst fasziniert hatte. Und ab geht´s. Doch will Alice ihren Mann nicht verlassen. Wie soll sie auch? Für einen, der lauthals verkündet: "Die Liebe währt drei Jahre." Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf: Er verläßt sie, trifft auf eine andere, doch die will ihren Mann nicht verlassen. Überall Leiden. Eine klassische Situation. Der Marc Marronnier alias Frédéric Beigbeder ihre komischen Seiten ablauscht. Was macht ein Mann nicht alles, wenn er sich der Einsamkeit konfrontiert sieht, und nicht weiß, was er mit sich anfangen soll? Verzweifeln? Nein, dafür ist das Leben noch zu lang. Sich umbringen? Nein, am nächsten Morgen liegt die Zeitung im Briefkasten und die Rechnungen kommen sowieso. Also: Weiterleben. Man sieht, das Leben bei Marc Marronnier alias Frédéric Beigbeder ist so komisch und traurig, daß man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Vorsichtshalber mache man beides. Bis zum bitteren Ende, das nicht verraten sei. Nur soviel: Es gibt noch einmal drei Jahre Liebe. Wie die ausgehen?!

    Die Liebe währt drei Jahre ist der stärkste Teil der Marc-Marronnier-Trilogie. Man merkt, daß Frédéric Beigbeder Mitte der neunziger Jahre, als dieses Buch entstand, dabei war, sich auf die Höhe seiner Kunst zu schreiben. Dorthin, wo er mit der erfolgreichen Werbesatire "39,90" dann endgültig angelangt war. Wie im Werbebuch glänzt er mit ungewöhnlichen und provokant ehrlichen Einsichten. Diesmal über eine andere Welt des Scheins, die Ehe. Es gibt hinreißende Passagen über die Ehe und ihr Ende, über die Liebe und ihr Erkalten, über die großen und kleinen Heucheleien, mit denen man sich vor Konsequenzen hütet. Von der kleinen Ausrede über die Notlüge bis hin zu den Hotelnachmittagen. Das alles ist, wie immer bei Beigbeder, in einer Mischung aus Ironie, verzweifelter Hoffnung und romantischer Schwärmerei geschrieben, und man merkt, daß auch hier eigene Erlebnisse dahinterstehen. Des Autors Scheidung nämlich. Eine eloquente Erinnerungs- und Bekenntnissuada ist so entstanden, ein Verschnitt aus Thomas Bernhard und Karl Valentin, versetzt mit ein bißchen Rosamunde Pilcher, eine heile Welt, total kaputt. Schwermut mit Chic, Selbstironie mit Ernst. Mal sehen, was der Erfolgsautor demnächst veröffentlichen wird. Als Literaturkritiker hat er eine Show im französischen Fernsehen moderiert, in einer eigenen Show hat er sich, ganz nach Belieben, zum Affen der Medien machen dürfen, man sieht: Frédéric Beigbeder hat wieder genügend Lebensmaterial gesammelt, so daß bald schon ein neues jener kleinen Bekenntnisbücher erscheinen dürfte, in denen ein zorniger junger Mann witzig und elegant sein Leben verachtet, um es umso besser zu leben. Eine Mischung aus Romantik und Zynismus, nach der man süchtig werden kann!