Freitag, 29. März 2024

Archiv

Die Linke vor Bundesparteitag
Bloß nicht wie die Grünen enden

Die Linkspartei ringt vor ihrem Bundesparteitag um ihr Profil. Nicht zu angepasst will sie sein, aber trotzdem mehrheitsfähig. Streitbare Persönlichkeiten wie Vizeparteichefin Sahra Wagenknecht blockieren eine Annäherung an andere Parteien. Und die Linke hat noch ein Problem: Sie verfügt über keine homogene Wählerschicht.

Von Susanne Arlt und Tonia Koch | 08.05.2014
    Zwei rote Fähnchen stehen vor rotem Hintergrund in einem Glas. Aufschrift: 100 Prozent sozial, jeden Tag, an jedem Ort. Die Linke.
    100 Prozent sozial: Die Linke will sich einerseits abgrenzen, andererseits "hegemoniefähig" sein, so Parteichef Bernd Riexinger. (dpa/picture alliance/Peter Endig)
    Gut eine Autostunde von Berlin entfernt liegt der Werbellinsee im nordöstlichen Brandenburg, idyllisch versteckt in der Schorfheide. Anfang der 1950er-Jahre entstand hier eine Republik in der Republik.
    Die sogenannte Pionierrepublik "Wilhelm Pieck" erstreckte sich auf über einen Quadratkilometer und war sowohl sozialistisches Kinderparadies als auch Kaderschmiede. Für ausgewählte Jungpioniere gab es Südfrüchte, Eis am Stiel, moderne Unterkünfte und Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Seit der Wiedervereinigung steht das Gelände unter Denkmalschutz; heute wird es als Jugenderholungs- und Begegnungsstätte genutzt.
    Es ist Ende April und die Linkspartei hat zur diesjährigen Frühlingsakademie geladen. In aller Abgeschiedenheit wollen mehr als 90 Genossinnen und Genossen den Kopf freibekommen, um über die Herausforderungen ihrer Partei nachzudenken und über Lösungen zu diskutieren. In Workshops haben sie sich Gedanken gemacht, wie man der Politikverdrossenheit und dem Mitgliederschwund Einhalt gebieten kann.
    Fragen, für die beim Freitag beginnenden Bundesparteitag kaum Platz sein wird. Am Werbellinsee hingegen soll es um Grundsätzliches gehen. Zur Frühlingsakademie angereist sind Parteimitglieder aus der ganzen Bundesrepublik: Zwei Drittel der Teilnehmer stammen aus dem Westen, ein Drittel kommt aus dem Osten.
    In Westdeutschland gebe es einfach mehr Landes- und Kreisverbände, sagt Klaus Roth, selbst Mitglied im Kölner Kreisverband. Zum Glück seien die Ost-West-Befindlichkeiten in seiner Partei immer mehr in den Hintergrund getreten. Trotzdem, so Roth, gebe es auch sieben Jahre nach Gründung der Linkspartei noch Unterschiede.
    "Im Osten ist Die Linke mehr Volkspartei als im Westen. Im Westen gibt es einen Teil der Mitglieder, die sagen um Gotteswillen bloß nicht mit Sozialdemokraten, mit Grünen zusammen irgendwelche Regierungsverantwortung übernehmen. Ich persönlich denke, das ist falsch. Wenn man gemeinsam eine Mehrheit hat und gemeinsam die Chance, etwas zu verändern, muss man das tun. Aber man darf nicht das eigene Profil dabei verwässern."
    "Heute sind wir eine plurale Partei"
    Wie man sein Profil behält und trotzdem eines Tages im Bund mitregiert, ist ebenfalls Thema auf dem viertägigen Frühlingstreffen. In einem der Sitzungsräume steht eine Tafel, darauf die Frage: Was für eine Partei sollte Die Linke eigentlich sein? Auf keinen Fall eine Mehrheitsbeschafferin, ist zu hören. Man laufe Gefahr, wie die Grünen zu enden, also überangepasst, oder aber man halte sich aus allem raus. Dann bleibe man zwar eigenwillig, aber werde für viele auch unwählbar.
    Letzteres möchte Berry Hänel auf keinen Fall. Er lebt in Berlin-Treptow und ist vor fünf Jahren in die Linkspartei eingetreten. Er findet, dass die Partei in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht hat, wünscht sich aber grundsätzlich mehr Offenheit:
    "Das ist natürlich ein Entwicklungsprozess. Also, wir haben angefangen als eine Partei von Vielstimmigkeit. Heute, denke ich mal, sind wir eine plurale Partei, dass man schon mal gelernt hat, miteinander umzugehen. Und ich denke, der nächste Schritt wird sein, dass wir zu einer pluralistischen Partei kommen. Also dass man auch einfach Meinungen von anderen akzeptiert und das nicht einfach grundsätzlich ablehnt. Also auch die Kirchen haben ja bestimmte Ansätze, die Welt zu verändern. Und weil da so ein Kreuz an der Wand hängt, will ich mit dir nichts zu tun haben, das sind Punkte, die funktionieren nicht."
    Zumindest nicht mehr so wie früher in der PDS. Denn wenn die Partei über ihre acht bis zehn Prozent der Wählerstimmen hinauskommen wolle, brauche sie Bündnispartner. Außer mit der rechtsextremen NPD sollte man zumindest mit jedem das Gespräch suchen, findet Berry Hänel.
    "Wird jetzt vielleicht dem einen oder anderen in der Partei nicht gefallen, aber auch mit Unternehmern. Die sind Bestandteil dieser Gesellschaft, ich kann nicht einfach sagen, nee, Gegensatz von Kapital und Arbeit, es sind Realitäten, die einfach zur Kenntnis zu nehmen sind."
    Bernd Riexinger beugt seinen Kopf zu Katja Kipping, sie sitzen nebeneinander und unterhalten sich. Er hat graue Haare und eine Brille, die schulterlange rot gefärbte Haare.
    Bernd Riexinger und Katja Kipping auf dem Bundesparteitag der Linken in Hamburg am 15.02.2014 (dpa/picture alliance/Bodo Marks)
    Immerhin habe sich die Stimmung in seiner Partei wieder deutlich verbessert. Auf dem Göttinger Parteitag vor zwei Jahren schaute Die Linke noch in einen Abgrund. Die Reformer wollten sich gegen den linken Flügel durchsetzen. Ohne Erfolg. Ein Auseinanderreißen der Partei konnte nur mit Mühe abgewendet werden. Zu verdanken sei diese "Rettung in letzter Minute" den beiden neuen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, glaubt Berry Hänel. Wer sich unter den Teilnehmern der Frühlingsakademie umhört, bekommt fast nur Gutes über sie zu hören.
    Katja Kipping ist zur Abschlussveranstaltung gekommen. Die Parteivorsitzende will sich ein Bild darüber machen, welche Themen die Basis gerade bewegen. "Fragend schreiten wir voran", lautet das Losungswort der 36-Jährigen. Das kommt hier gut an. Die Linkspartei müsse sich stärker als Antikriegspartei positionieren, findet einer. Ein anderer moniert, die Partei mache nach außen nicht deutlich genug, was sie eigentlich wolle.
    "Nicht in Kleinkram verlieren"
    Den meisten Genossen scheinen die Themen Professionalisierung und Organisationskultur auf den Nägeln zu brennen. Um auch auf Bundesebene regieren zu können, müsse Die Linke endlich raus aus ihrem Sektierertum, meint eine Frau aus dem Kreisverband Gütersloh.
    "Die Gefahr an der Basis ist die, dass man zu sehr sich verliert in Kleinkram, in Organisatorischem. Und dass man auf der anderen Seite auch zu sehr dieses Trüppchen und Klübchen und so weiter, und den kannste doch nicht einladen, das ist doch ein Rechter oder Linker, das geht doch nicht. Also, Genossen, wenn ich so was höre, da klappen sich mir die Fußnägel hoch. Das können wir uns nicht leisten."
    Ein Zustand, der auf dem letzten Parteitag noch sehr anschaulich zu beobachten war.
    Auf der Landesebene ist die Frage des Mitregierens dagegen längst eine ganz praktische. In Thüringen stehen die Chancen nicht schlecht, dass demnächst der Linken-Politiker Bodo Ramelow Ministerpräsident wird, mit den Sozialdemokraten als Koalitionspartner. Und auf kommunaler Ebene lassen sich noch einfacher Schnittmengen mit anderen Parteien finden - einmal abgesehen von der NPD.
    Zwei Wochen vor der Kommunalwahl stehen in der Saarbrücker Innenstadt die Wahlkampfstände dicht an dicht: Freie Wähler, Linke, die Grünen verteilen Windrädchen aus Papier; die SPD rote, herzförmige Luftballons.
    Die SPD-Stadtratsfraktion ist mit großem personellem Aufgebot vor Ort. Seit fünf Jahren regiert die zahlenmäßig stärkste Fraktion gemeinsam mit Linken und Grünen die Landeshauptstadt Saarbrücken. An ihrer Spitze steht Peter Bauer, eine Art 'Langzeit-Stadtrat'. Seit 20 Jahren ist er fest verwurzelt in der Kommunalpolitik und neben der aktuellen Dreierkoalition aus Sozialdemokraten, Linken und Grünen hat er in Saarbrücken schon so manche politische Konstellation miterlebt.
    "Ich habe eine rot-grüne Koalition erlebt, ich habe Opposition erlebt, eine Koalition mit der FDP, eine große Koalition hatte ich noch nicht in meinem Repertoire."
    Die erste Auflage eines rot-rot-grünen Bündnisses habe sich achtbar geschlagen.
    "Die rot-rot-grüne Koalition hat wesentlich besser funktioniert, als man das erwarten konnte. Wir hatten in den letzten fünf Jahren - wenn ich recht überlege – keine einzige Niederlage im Rat; im Gegenteil, wir hatten für viele Entscheidungen in der Stadt eine deutlich breitere Mehrheit, also auch andere Parteien haben bei wichtigen Dingen in der Stadt mitgestimmt."
    Der linke Koalitionspartner hofft, dass es zu einer Neuauflage des Bündnisses kommt.
    "Es waren sehr konstruktive fünf Jahre, in denen sehr viel Sozialpolitik und auch sehr viele linke politische Themen umgesetzt werden konnten, ich denke, es sollte auch so weitergehen."
    Gabriele Ungers steht erst seit dem vergangenen Jahr an der Spitze der Fraktion. Sie ist in die Fußstapfen von Rolf Linsler getreten, dem ehemaligen saarländischen Landesvorsitzenden der Linken, der einem Krebsleiden erlag. Linsler, Gewerkschafter und über Jahre Landesvorsitzender von Verdi, galt als einer der Architekten der rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit. Als enger Vertrauter von Oskar Lafontaine hatte er sich ein klares Ziel gesetzt. In Saarbrücken, der einzigen Großstadt des Saarlandes, die von jeher das Gegengewicht zur Landesebene bildet, sollte unter Beweis gestellt werden, dass Die Linke regierungsfähig ist. Das sei auch geglückt, meint SPD-Mann Peter Bauer.
    "Es ist für Die Linke sicher eine große Herausforderung, zu sagen, wir gehen mit in die Verantwortung in einer Stadt, die ja doch unter sehr großen finanziellen Problemen leidet. Da ist Politik kein Wunschkonzert, und Die Linke hat meiner Ansicht nach durchaus bewiesen, dass sie bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, auch für die ein oder andere unangenehme Entscheidung."
    Saarbrücken: Bruchlinien zwischen Linken und Grünen
    Die Stadt steht mit über einer Milliarde Euro in der Kreide, da kann man keine großen Sprünge machen. Ideologische Grundsatzdebatten habe es nur selten gegeben, stattdessen stand die Sacharbeit im Vordergrund, sagt auch der Grüne Fraktionsvorsitzende Guido Vogel-Latz:
    "Es geht sehr stark um einen gewissen Pragmatismus, der hat uns letztendlich angetrieben, um Stabilität zu schaffen für ein sozialökologisches Bündnis. Beispielsweise, wenn wir nicht ohne Not mehr Stellen abbauen als notwendig und im ökologischen Bereich hat es damit zu tun, in der Verkehrspolitik zumindest Alternativen anzudenken. Wir sind eine unglaublich autolastige Stadt und da das Ruder rumzureißen."
    Weit gekommen ist das Bündnis in Fragen der Mobilität allerdings nicht, muss auch Guido Vogel Latz einräumen.
    "Der allgemeine Sozialdemokrat und der allgemeine Politiker wie Wähler der Linken, fährt eher Auto, als dass er Rad fährt."
    Die Landesvorsitzende der saarländischen Linken Gabriele Ungers hingegen sieht vor allem Erfolge: Der Trend zu mehr Privatisierung sei umgekehrt worden, die Stadt habe sich wieder an der Energieerzeugung beteiligt und so ein Stück öffentliche Daseinsvorsorge in die Verantwortung der öffentlichen Hand zurückgeholt, wo sie nicht nur nach Ansicht der Linken, sondern auch der Grünen hingehört. Und schließlich stünde jedem fünften Grundschüler in der Stadt inzwischen ein kostenloses Mittagessen zur Verfügung.
    "Da haben wir sehr viel erreicht, es gibt jetzt Diskussionen, ob noch Geld da ist für eine weitere Schule."
    Heikel war hingegen die Diskussion um den Ausbau der Windkraft, sagt Grünen-Fraktionschef Guido Vogel-Latz.
    "Die Bruchlinien verliefen da zwischen Linken und Grünen. Also, Die Linke war für unseren Geschmack sehr populistisch, was Windkraft betrifft. Wo wirklich sehr stark auf die Interessen von Bürgerinitiativen eingegangen wurde, die für uns nicht nachvollziehbar waren."
    Und dennoch, auch Guido Vogel-Latz zieht ein insgesamt positives Resümee: Nach fünf Jahren Zweckehe seien die Fliehkräfte zwar erheblich stärker geworden, inhaltlich habe man sich aber stets zusammengerauft, sagt der scheidende Grünen-Fraktionschef, der bei der bevorstehenden Kommunalwahl nicht erneut antritt. Die Grünen haben ebenso wie Die Linke ihr Personal komplett ausgetauscht.
    Die Linke geht mit Claudia Kohde-Kilsch ins Rennen, einer ehemaligen Tennisspielerin, die wie einst Rolf Linsler das Vertrauen von Oskar Lafontaine besitzt, jedoch über keinerlei kommunalpolitische Erfahrung verfügt. Bei der SPD macht sich daher Skepsis breit. Peter Bauer:
    "Es war ein großes Problem im Bündnis, dass die linke Fraktion über ganz wenig kommunalpolitische Erfahrung verfügt hat. Es war ein Prozess, in diese kommunalpolitische Verantwortung hineinzuwachsen. Und viele, die mit uns zusammengearbeitet haben in den letzten Jahren, sind nicht mehr dabei, es ist eine sehr unerfahrene Truppe, die da aufgestellt wurde, und von daher müsste man noch einmal einen Neuanfang machen, was Bewusstsein für Verantwortung anlangt."
    Starke inhaltliche Absetzung durch Sahra Wagenknecht
    Das Ziel der Sozialdemokraten im Westen ist es ohnehin nicht, den Steigbügelhalter für Die Linke zu spielen. Vielmehr geht es darum, an Die Linke verloren gegangene Wähler zurückzugewinnen. Denn abgesehen von der kommunalen Ebene, die vielfach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, sind SPD und Linke von partnerschaftlichem Denken weit entfernt. Zumindest gilt das für die westlichen Bundesländer. Allenfalls in den östlichen Ländern ist Die Linke als Koalitionspartner gern gesehen.
    Und auch Die Linke selbst, allen voran Sahra Wagenknecht, betont nicht unbedingt Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien. Im Gegenteil, Wagenknecht grenzt sich inhaltlich stark ab, sie hat dabei insbesondere die Grünen im Visier. Teile der Partei seien viel zu nah dran an der Union. Das werde in Hessen augenfällig, wo sich die Grünen für eine schwarz-grüne Koalition entschieden hätten und auch im Bund, findet die linke Frontfrau:
    "Wenn ich mir die Auftritte der Grünen Fraktionsspitze im Bundestag ansehe, vor lauter Konstruktivität hat man das Gefühl, manchmal vergessen sie, dass sie überhaupt in der Opposition sind. Also, das sind keine Attacke-Reden auf Frau Merkels Politik, sondern das sind tatsächlich oft Streicheleinheiten, die der Regierung verpasst werden."
    Außenpolitisch seien die Grünen inzwischen sogar rechts von der Union zu verorten.
    "Da gibt es deutliche Unterschiede auch jetzt in der Ukraine. Wieder haben die Grünen im Unterschied zu uns, die Maidan-Bewegung pauschal glorifiziert, als demokratische Revolution. Das ist sie leider nicht, da waren ehrenwerte Demokraten beteiligt, da aber waren auch Neofaschisten und Antisemiten beteiligt. Und so viel Differenzierungsvermögen sollten auch die Grünen beherrschen."
    Simone Peter, die Bundesvorsitzende der Grünen, ist wenig begeistert davon, dass Sahra Wagenknecht mit ihren zugespitzten Äußerungen in Richtung Grüne das Bild einer zerstrittenen Opposition befördert.
    "Also, wir haben es schon sehr bedauert, dass die Führung der Linken nicht versucht hat zu moderieren und die Aussprüche Einzelner, die uns rechts im Parteienspektrum verorten wegen unserer Außenpolitik, nicht zurückpfeift, denn es ist - vollkommen an irgendwelchen Realitäten und inhaltlichen Einschätzungen vorbei - einfach nur populistisch."
    Auch die euroskeptische Haltung so mancher Linken sei mit den europapolitischen Vorstellungen der Grünen derzeit unvereinbar:
    "Das habe ich überhaupt nicht verstanden im Kurs von Sahra Wagenknecht, gestützt durch Oskar Lafontaine, wie man überhaupt den Euro infrage stellen kann."
    Dennoch, die tiefen Gräben, die sich zwischen Linken und Grünen in der Außenpolitik auftun, für Simone Peter sind sie kein Grund, eine mögliche rot-rot-grüne Konstellation im Bund von vornherein abzuschreiben.
    "Das Bedürfnis oder die Notwendigkeit, mit der Linken Gemeinsamkeiten zu suchen, war in der Form auch gar nicht da. Das heißt, wir beginnen jetzt auszuloten, wie können wir anhand unserer inhaltlichen Schwerpunkte Gemeinsamkeiten herausarbeiten, da sind in der Außenpolitik und in der Europapolitik dicke Brocken wegzuräumen. Ob das gelingt, da würde ich keine Prognose abgeben, dass es uns aber abhält davon, ein solches Bündnis anzustreben, das sehe ich auch nicht."
    Nachwuchs stärker fördern
    Bernd Riexinger sitzt in seinem Büro im vierten Stock des Karl-Liebknecht-Hauses in Berlin-Mitte. Hinter ihm hängen die Porträts von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Statt sich seinen Kopf über mögliche Koalitionsbündnisse auf Bundesebene zu zermartern, kreisen Riexingers Gedanken um die eigene Partei. Einfache Mehrheitsbeschafferin wolle man nicht sein. Aber hegemoniefähig, also mehrheitsfähig, davon sei die Linkspartei noch weit entfernt, gibt der Parteivorsitzende offen zu.
    "Wir haben ja den Anspruch, die Gesellschaft insgesamt nach links zu rücken, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Demokratie durchzusetzen. Wir haben es, glaube ich, in einer Frage geschafft, das war beim Mindestlohn. Aber wir sind noch weit davon entfernt, das in mehr Fragen hinzubekommen. Also, ich denke nur, was uns zukünftig sehr beschäftigen wird, ist die Frage der prekären Beschäftigung. Das wird ein Zukunftsthema der Linken werden und da müssen wir noch viel dran arbeiten, da zum Beispiel hegemoniefähig zu werden. Nicht nur in Meinungsumfragen, sondern tatsächlich in der Durchsetzungskraft."
    Immerhin konnte die Partei den Abwärtstrend bei ihrer Mitgliederzahl stoppen. Knapp 3.000 Menschen sind im vergangenen Jahr in die Linkspartei eingetreten, ein großer Teil stammt aus Westdeutschland. Trotzdem sei Die Linke an der Basis im Westen noch zu schwach, meint Riexinger. 25.000 Mitglieder, das sei zu wenig für eine Partei, die den Anspruch habe, etwas in der Gesellschaft zu verändern. Auf der Bundesebene hätten sie ein tolles Personaltableau, aber eben nicht vor Ort in den Kommunen.
    Dort wollen sie den Nachwuchs nun stärker fördern. Um künftig Grabenkämpfe zu vermeiden, gibt es jetzt regelmäßige Telefonkonferenzen mit den Kreisverbänden. Und Die Linke will sich den Zukunftsthemen der Gesellschaft zuwenden. Dazu gehören der sozialökologische Umbau und die Energiefrage, die man sozial, demokratisch und ökologisch bewältigen möchte. Die anderen Parteien bekämen das ja ganz offensichtlich nicht hin, meint Bernd Riexinger.
    "Wir müssen in diesem Zusammenhang unser wirtschaftspolitisches Profil stärken. Die Leute haben oft das Gefühl, Die Linke kann gut verteilen. Aber für die Produktion wird ihr nicht so viel Kompetenz zugeordnet. Da müssen wir einen Entwurf machen, da sind wir auch dabei, ein Zukunftsprogramm für öffentliche Investitionen, für den wirtschaftlichen Umbau zu entwickeln, der für die Leute greifbar ist und wo sie auch das Vertrauen haben, dass ihre Arbeitsplätze gesichert werden."
    Riexinger: Viele Milieus fühlen sich angesprochen
    Trotz all dieser guten Vorsätze, hat die Partei ein Problem. Sie verfügt über keine homogene Wählerschicht wie die SPD mit ihrer Arbeitnehmermitte oder die Grünen mit ihrer kritischen Bildungselite. Bernd Riexinger wiegelt ab. Mit einer guten Parteiarbeit spreche Die Linke eben viele Milieus an. Seine Idealvorstellung eines Linkswählers?
    "Menschen, die Lust haben, die Gesellschaft zu verändern, die das nicht verkniffen machen, die anziehend sind, die aber einen klaren Standpunkt haben, die nicht opportunistisch sind und nicht sektiererisch."