Donnerstag, 25. April 2024


Die lyrix-Gewinner im April 2010

Im April diente ein Gedicht von Thomas Gsella als Vorlage für unser Leitmotiv "Kinderfragen".

27.05.2010
    In Thomas Gsellas Gedicht konfrontiert ein Kind seinen Vater mit einer unangenehmen Frage und erhält daraufhin eine patzige Antwort. Auch ihr habt in euren Gedichten Kinderfragen gestellt, die Erwachsenen peinlich sind oder auf die sie selbst nur schwer eine Antwort finden.

    Im Mai lautet unser Leitmotiv: Wie immer

    Vielen Dank für eure Einsendungen und herzlichen Glückwunsch den Gewinnern!

    Hier die Gedichte der Monatsgewinner, die unsere lyrix-Jury ausgewählt hat:


    Dummerchen

    Mama?
    Hast du mich noch lieb?
    Ich weiß ich hab mich sicher oft
    Mit Schwesterlein um nichts gezofft.

    Natürlich, Dummerchen.

    Mama?
    Wo warst du?
    Wo warst du, als ich ganz allein
    Zuhaus’ war nur mit Schwesterlein?

    Nirgends, Dummerchen.

    Mama?
    Wer ist der Mann?
    Der Mann, den du bei Mondenschein
    Lässt heimlich, still zur Tür herein?

    Niemand, Dummerchen.

    Mama?
    Wann kommt Papa wieder?
    Der Papa hast du mir gesagt
    Der kehrt zurück an einem Tag.

    Bald, Dummerchen.

    Mama?
    Weinst du, Mama?

    Niemals.


    (Hilly Ulrich aus Augsburg, Deutschland, Maria-Ward-Gymnasium, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: deutsch)


    Offensichtlich unsichtbar

    Ist das der Raum, Vater, in dem wir immer Nur nach dem größten Leben strebend Und am Leben vorbei lebend Desselben Schönheit sehen nimmer?

    Sei es die Zeit, mein Kind, in der die Rhythmen Die Schale schälen doch Kern verkennen Wir eiskalt aber heiß verbrennen Und wir uns unwichtigen Dingen widmen

    Ist das, Vater, alles was du weißt und
    Erklärt das warum ich schrecklich oft
    Von Angst erfüllt bin unverhofft
    Wie ein armer ausgesetzter Hund?

    Ausgesetzt, mein Kind, ist immer wer
    Den Strom der Oberflächlichkeit verpasst Doch ist dir Einsamkeit die größte Last Gib mir dein Herz, schwimm hinterher!


    (André Hofer aus Saarlouis, Deutschland, Robert-Schumann-Gymnasium, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: deutsch)


    Wohin?

    "Wohin ist Mäxchen gegangen?"
    - Dein Bruder spielt oben im Zimmer -
    "Wohin ist Oma gegangen?"
    - Zum Arzt, ihr Husten wurd' schlimmer -

    "Wohin ist Opa gegangen?"
    - In den Keller, er holt sich ein Bier -
    "Wohin ist Mama gegangen?"
    - Zu den Engeln, sie lächelt zu dir -

    "Papa, wohin musst du gehen?"
    - Zur Arbeit, die Pause ist aus -
    "Wenn du die Mama siehst, sag ihr,
    ich warte auf sie hinterm Haus."


    (Oliver Riedmüller aus Fürth, Deutschland, Heinrich-Schliemann-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: deutsch)


    Die Welt durch Kinderfragen sehen

    Wenn ein Sturm durch Täler braust
    in dessen Macht ich Stärke find,
    dann frage ich mich jedes Mal
    -Welche Farbe hat der Wind?-

    Wenn Sonnenhell und Himmelblau
    mich locken, wenn ich traurig bin,
    dann seh’ ich hoch und wunder mich:
    -Wo sind jetzt all die Sterne hin?-

    Wenn ich des nachts im Bette lieg
    und meine Träume mich betören,
    schon halb im Schlaf, da frag ich mich:
    -Die Zeit, kann man sie gar nicht hören?-

    Wenn ich in Mamas Händchen geh,
    im so gewohnten Sonntagstrott,
    im Kircheneingang denk ich dann
    -Wohnst du hier drinnen, lieber Gott?-

    Doch Mami kann sie mir nicht sagen,
    die Antworten auf meine Fragen,
    sie sagt sie würd die Zeit gern drehn,
    zurück zu alten Kindertagen,
    -die Welt mit Kinderaugen sehn!-


    (Anna Neocleous aus Rietberg, Deutschland, Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: griechisch und deutsch)


    Kinderabstinenz

    Früher war Familie Reich,
    wohlgelohnt und adelsgleich.
    Bis plötzlich eine Krise kam,
    die den Reichs das Brot vom Teller nahm.

    Den Kindern wurde vorgespielt,
    wie im Grand Théâtre,
    dass es hier an gar nichts fehlt,
    und bestellt wird von der Karte.

    Champagner, Lachs und haute couture,
    auf Karten und Kredite.
    Selbst der Griff der Eingangstür,
    unbezahlt.
    Und im Haus wohnt man zur Miete.

    Doch nach ein paar Wochen schon,
    kam schnell der verdiente Lohn:
    Es schrillte laut am Telefon,
    und in einem nie-gehörten Ton,
    sprach die Bank zum jüngsten Sohn.

    Als dieser dann den Vater fragte:
    "Wo ist das ganze Geld geblieben?
    Und gibt´s jetzt Essen nur nach Marke?"
    Da hat´s ihn in den Tod getrieben.

    Die Moral von der Geschicht:
    "Verzichte auf den Champus nicht!"
    Denn ungewollte Fragen,
    kann dir nur Kein-Kind ersparen!


    (Paul Weber aus Viereth-Trunstadt, Deutschland, Theresianum Bamberg, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: deutsch)


    Und hier die Gewinner aus dem Ausland:

    Die Kinder und ihre Fragen

    Kinderfragen sind,
    - dem Phönix ähnlich;
    Von der Asche
    wiederauflebend
    verschwinden wie gestorben,
    um Leben zu genießen.

    Die Eltern sind,
    - dem Feuer ähnlich;
    alle Neugierde
    verbrennend,
    um die Ruh-Überreste
    zu geniessen.

    Die Kinder,
    - fragen und fragen,
    und verschweigen,
    Um wieder
    auf-zu-fragen.

    Von dem Sinnen
    wiederauflebend,
    um zu fragen.

    Dem Phönix ähnlich...


    (Maciej Kwiatkowski aus Radom, Polen, PG 10 Radom, Jahrgangsstufe 8, Muttersprache: polnisch)


    Fragen unter dem Kirschbaum

    Mammaa…

    Warum hat der
    Kirschbaum so viele Blumen?

    Und warum sind
    sie so weiß?

    Und warum verwelken
    sie so schnell?
    Was geschieht dann
    mit den Blumen?
    Sterben sie?

    Langsamer, Schatz…
    Jede Blume muss
    einmal verwelken.
    Aber danach kommen
    schon die Früchte,
    die wir so gern essen.

    Aber warum sind
    die Kirschen noch nicht da?

    Und wenn sie kommen,
    warum sind sie sooo
    lange nur grün und hart?

    Sie brauchen doch Zeit.
    Oder bist du auch
    als Erwachsener geboren?


    (Katalin Élo aus Gyor, Ungarn, Révai Miklós Gimnázium és Kollégium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: ungarisch)


    Kinder fragen

    Mam-a, sind wir schon da?
    Nein, mein kleines Mädchen,
    noch nicht.

    Warum ist es so weit weg?
    Wie kann ein Auto fahren?
    Geht es nicht schneller?
    Ich habe Hunger!
    Dauert es noch lange?
    Ich muss Pipi machen!

    Mein Kind, es dauert noch eine Stunde!

    Warum müssen wir so weit hinfahren?
    Wie können Flugzeuge fliegen?
    Warum fliegen wir nicht?
    Ich muss etwas essen!
    Und jetzt, sind wir schon da?
    Ich weiss nicht, warum es so weit ist!

    Siehst du diese Pflanze?
    Sie wächst und wächst
    So wird es auch mit dir sein!
    Deine Kinder werden auch fragen
    und du wirst die Antwort wissen!


    (Isabella von Wallwitz aus São Paulo, Brasilien, Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe 6, Muttersprache: portugiesisch)


    KINDERFRAGEN

    Und wenn ich jetzt darüber nachdenke,
    was ich als kleines Kind gefragt habe, kommt mir ein Lächeln ins Gesicht.

    Diese Fragen waren naiv und sinnlos aber auch kindlich süß.
    Aber das heißt nicht, dass sie auch leichter zu beantworten sind.

    Ich erinnere mich immer noch an den Gesichtsausdruck meiner Mutter zu meiner Frage:
    "Was kommt früher: das Alter oder die Jugend?"
    Ich war schon immer anders...

    Und wenn ich jetzt über Kinderfragen nachdenke, fällt mir ein,
    dass ich eines Tages auch Antworten auf sie geben muss.
    Ich freue mich drauf.


    (Sajra Subasic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina, Erstes Gymnasium in Zenica, Jahrgangsstufe I-3, Muttersprache: bosnisch)