Im August befasste sich lyrix mit dem Thema 'In die Fremde'. Eure Einsendungen dazu, inspiriert von historischen Fotografien aus dem Ostasiatischen Museum Köln und einem Gedicht von Birgit Kreipe, sind sehr unterschiedlich und spielen auf verschiedensten Arten von Fremde an.
Dass es hier um etwas Unbekanntes geht, das unwohle Gefühle und auch Angst auslöst, wird in vielen der Texte deutlich. 'Fremde' wird nur in wenigen Gedichten als etwas Positives betrachtet, das erforscht werden kann und dem man mit Neugier begegnen sollte.
Es geht um ungeklärte Fragen, Unausgesprochenes oder auch um Angst vor dem was in der Ferne auf einen warten könnte. Um die unbekannten Konflikte, die noch nicht ausgefochten sind.
Fremde begegnet uns überall: auf Reisen ins Ausland, auf der Flucht in ein unbekanntes Land, oder auch als innere Fremde, die wir uns selbst gegenüber verspüren.
Dass es hier um etwas Unbekanntes geht, das unwohle Gefühle und auch Angst auslöst, wird in vielen der Texte deutlich. 'Fremde' wird nur in wenigen Gedichten als etwas Positives betrachtet, das erforscht werden kann und dem man mit Neugier begegnen sollte.
Es geht um ungeklärte Fragen, Unausgesprochenes oder auch um Angst vor dem was in der Ferne auf einen warten könnte. Um die unbekannten Konflikte, die noch nicht ausgefochten sind.
Fremde begegnet uns überall: auf Reisen ins Ausland, auf der Flucht in ein unbekanntes Land, oder auch als innere Fremde, die wir uns selbst gegenüber verspüren.
Hier kommen die vielseitigen Beiträge unserer Monatsgewinner:
die anderen
auf in die fremde bei unbekannten häusern stehn auf
unbekannte busse warten die als flache schatten kommen
und uns mit sich tragen
draußen: die zeit es dunkelt den ganzen august und weiter
an keiner der bekannten himmelsrichtungen entlang nur
vorwärts ins gelobte land das uns
zitternd wieder ein stück flieht im warmen körper eines tiers
wir verlassen jeden anhaltspunkt jeden weg zurück
und wenden wir uns flüchtig einander zu ist da die fremde
zieht uns tief ins jeweils andre ich
(Ansgar Riedißer, Jahrgang 1998)
feuchte Luft
Was ist mein gesprochenes wort an der
schmalen zungenstelle an der niemand
versteht wie sich die Lippen formen im
zwielicht einer weißen Reisenden
der Blick kreuzt sich im wind mit
ungeraden Kinderaugen über Glasnudeldampf
und zum Ende stößt er mit sich selbst zusammen
kurz vor Cambodia und dem gespiegelten Meer
flugtickets in der bauchtasche wiegen
im Anbruch der westlichen Laune so
schwer wie eintausendfünfhundert Mittag-
essen der wahren köchin am wegesrand die
stumm bleibt über diesen Umstand und nur
in unsrer sprache ihre haut verbannt, wir
sehen auf den boden, unserm essen beim
verschwinden zu
Tourismusmühlen malen auf der Karte
eifrig ziele der Vorangegangenen
in den Tempeln scheint das truglicht
der verbundenheit, der europäer,
der verzweifelt nach Meditation
aus dem Schaufenster schreit
eine Khmer Prostituierte im straßenlicht der Dunkelheit
schweigend sehen wir uns fragend an über dem hellen
Nacken ihres Freiers ist da diese Unerträglichkeit dass
jede Frage im Schweigen unausgesprochen
bleibt
(Hanna Thomschke, Jahrgang 1994)
Begegnung
Du warst eine Fremde
in der Ferne vor mir
Teil des Horizonts
dem ich mich genähert habe
so weit
dass man die Augen zusammen kneifen muss
dich zu erahnen
eine eindimensionale Erscheinung
irgendwo dort
jetzt hat das
was unbekannt war
einen Namen
deinen Namen
das was fremd war
wurde meine Heimat
alle dunklen Ecken
sind ertastet und erhellt
das hätte ich damals nie gedacht
Was Fremde und was Heimat ist
weiß man erst
wenn man ihr näher kommt
(Christine Zeides, Jahrgang 1995)
o.T.
Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen in Reihen mit Stolz asymmetrisch. Hältst du mal bitte kurz – nur ganz kurz an den Takt das Pendel das Klavierdings. Ich weiß doch auch nicht was das ist was? Da ist. Fahr mal kurz ein bisschen runter kommen zu mir. Ich kann das doch nicht wissen wie das geht mit dem sein wie man ist wenn man siebzehn ist und alleine am Bahnhof oder so ich weiß doch auch nicht. Wie man sich verhält wenn alle davon reden wie sie sich auf die Reise freuen und ich nicht einmal mehr weiß wo ich noch mal hinfahren wollte ich wo hinfahren? Ich weiß doch auch nicht wie das geht das denn? Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen. Barfuss. Das kann ich doch inzwischen. Hältst du mal bitte kurz – wir können doch nicht schon wieder weiter. Das kann ich doch inzwischen. Indianerehrenwort. Wollten immer wo hin wollten wir? Irgendwo aber doch nicht jetzt schon nicht jetzt doch nicht jetzt schon. Das ist doch absurd!
Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen. Wir wollten doch nie Zug fahren.
(Johanna Fugmann, Jahrgang 1997)
berge
vielleicht hat platon recht denkst du
und wir leben in einer höhle
einmal werden wir abhauen
raus aus der höhle hast du immer gesagt
dass du berge nicht magst
ich drehe mich um:
da bist nur noch du
dein lachen und der wind
der mich auseinanderschraubt
wie einen bausatz
bald bin ich nur noch
ein teil vom fluchtplan
(Leonard Schwob, Jahrgang 1998)
Und hier ein Beitrag "außer Konkurrenz":
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
Schöne neue Welt
Es geht ums Überleben,
um die Zukunft, die es zuhause
nicht gibt, nicht für ihn.
Träume und Hoffnung.
Angst verleiht Flügel,
Realität auch.
Der Weg ist weit und beschwerlich,
es lauern Gefahren und Soldaten.
Doch es muss gehen.
Er muss gehen.
Er will in das Land, in dem es Freiheit gibt.
Wenn er es bis drüben schafft.
Hunger. Kälte. Gefahr. Einsamkeit.
Setzt man sein Leben aufs Spiel,
einfach so, aus Spaß,
weil man nichts besseres zu tun hat?
Er weiß, was auf ihn wartet,
sollte er die Flucht überleben,
die Zäune, Mauern und Gefahren überwinden können.
Fremde Sprachen, fremde Religionen und Gebräuche,
fremde Gesetze und Gerüche.
Fremde Menschen, die ihn nicht haben wollen.
Eine fremde Welt. Eine neue Welt.
Er riskiert sein Leben, nimmt all das auf sich,
um in die Fremde zu ziehen.
Angst. Leid. Tod. Hunger. Gefahr.
Die Fremde ist seine letzte Hoffnung,
ein neues Leben zu beginnen.
Leben zu beginnen.
Kurz vor der Küste, fischt man ihn aus dem Meer.
Er ist ein Gerippe mit Haut. Matt glänzen seine Augen.
Aber sie glänzen. Er hat es geschafft.
Doch dann: Was will der hier?
Retour à l'expéditeur. Er wird zurück gebracht
- zurück ins Land des Todes.
(Magdalena Wejwer, Jahrgang 1997)