Donnerstag, 28. März 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Dezember 2013

Mit dem Thema "In Serie" endete das zurückliegende Wettbewerbsjahr 2013. Wir wollten von euch wissen, wo und wie ihr dem Prinzip der Serialität schon einmal begegnet seid.

23.01.2014
    Im Dezember war »lyrix« zu Gast im Kunstmuseum Stuttgart. Eine bis zum 2. März 2014 laufende Ausstellung ist dem Künstler Willi Baumeister gewidmet, der sein Werk in Serien erarbeitete. Als prägnantes Beispiel für das Serielle gilt seine "Montaru"-Werkgruppe, die euch gemeinsam mit dem Gedicht "erschlossener Sinn" von Ulf Stolterfoht Anregungen zu euren Texten zum Thema "In Serie" bot.
    Oftmals beschreibt ihr Serialität durch monotone Arbeitsabläufe. In anderen Texten thematisiertet ihr den Alltag, der wie in einer Endlosschleife immer wieder die gleichen Themen, Fragen und Probleme aufwirft.
    Vielen Dank für eure Einsendungen! Hier kommen die 5 Gewinnergedichte des Dezembers:
    o.T.
    Wie am Fließband.
    Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Kuss.
    Wir, Filme guckend,
    Ich in deinen Armen.
    Du, mich haltend,
    In meinem Ohr dein Atem.
    Wie am Fließband.
    Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Kuss.
    Ich verabschiede mich.
    „Komm gut nach hause!“
    Flüchtige Küsse an der dunklen Bushaltestelle.
    Dann – die Scheinwerfer, die mich geleiten,
    Weg von hier,
    Weg von dir,
    Mal wieder.
    Wie am Fließband.
    Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Kuss.
    So fing alles an
    Und so hat es geendet.
    Hat sich doch nie wirklich
    Etwas getan, etwas verändert.
    Wie am Fließband.
    Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Kuss.
    Mein Herzschlag wurde schwächer.
    Wie am Fließband.
    Ein Lächeln, eine Umarmung, ein Kuss.
    Und dann war Schluss.

    (Verena Brocker aus Meerbusch, Städtisches Meerbusch-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)
    08/15 Monat
    Montag: Schule/Französischvokabeltest
    Dienstag: Schule/Nachhilfe
    Mittwoch: Schule/Matheklausur/Klavierunterricht
    Donnerstag: Schule/Schwimmen
    Freitag: Schule/Theater-AG
    Samstag: Lernen/Fahrradreparieren
    Sonntag: Kirche/Großelternbesuchen
    Montag: Schule/Englischklausur
    Dienstag: Schule/Nachhilfe
    Mittwoch: Schule/Klavierunterricht
    Donnerstag: Schule/Schwimmen
    Freitag: Schule/Theater-AG
    Samstag: Lernen/Zimmeraufräumen
    Sonntag: Kirche/Schwimmturnier
    Montag: Schule/Kieferorthopäde
    Dienstag: Schule/Geschichtsklausur/Nachhilfe
    Mittwoch: Schule/Klavierunterricht
    Donnerstag: Schule/Bioklausur/Schwimmen
    Freitag: Schule/Theater-AG
    Samstag: Lernen/Geschenkkaufen
    Sonntag: Kirche/Geburtstagsfeier
    Montag: Schule/Chemieklausur
    Dienstag: Schule/Englischvokabeltest/Nachhilfe
    Mittwoch: Schule/Deutschklausur/Klavierunterricht
    Donnerstag: Schule/Physiktest/Schwimmen
    Freitag: Schule/Religionsklausur/Error
    Samstag: Lernen/Generalprobe/Error
    Sonntag: Kirche/Aufführung/Error
    Montag: Schule/Error
    Dienstag: Error

    (Philippe Bürgin aus Weil am Rhein, Mathilde-Planck-Schule Lörrach, Klasse 13, Muttersprache Deutsch)
    de bello
    industrieller massenmord, desinfizierende gasdusche
    kalt glühender stahl erschlägt
    adler mit pfeilköcher
    - mordet taube mit ölzweig
    oppenheimer strahlt, rote sonne in weißem himmel gehisst
    über kirchengerippe, gottes haus?
    nadelbäume verbeugen sich einvernehmlich
    thor rüstet sich mit donnergrollen
    vor seinem eisriesen, ein harnisch, der knechtet, ins dunkle treibt
    heiliger klaus und ronald, der clown
    schlachten glücklich kinder
    - vorm napalm fliehend
    mann mit turban und lustigem bart ist hasserfüllt, asche zu asche,
    staub zu staub
    brennende ölfelder
    schwarzer qualm, burka der wüste
    serieller massenmord by public demand
    schon wieder

    (Jorma Görns aus Altenholz, Gymnasium Altenholz, Klasse 12, Muttersprache Deutsch)
    o.T.
    In Serie
    die tage fliegen an uns vorbei,
    jeder tag ähnelt dem anderen,
    jeder gedanke dem vorigem,
    Apathie nimmt zu, 's mir einerlei.
    serielle Wiederholungen. Jeden Tag.
    überall das gleiche, Jeden Tag.
    aufstehen, frühstücken, rausgehen;
    träume von schönen autos - enden bei KIA,
    beim rausgehen grüßt mich das murmeltier,
    Jeden Tag. das gleiche Geschehen.
    momente werden zu Wiederholungen. Jeden Tag.
    und diese Wiederholungen wiederholen sich. Jeden Tag.
    Musterschüler kommen auf Musterlösungen
    in der fabrik von konformität.
    konformer gedankengut von konformen Pädagogen mag keine novität
    doch profilierungen mit archaischen grammatikalisierungen.
    betrachte mein leben von der couch aus. Jeden Tag.
    statist im eigenem film, nebenrolle in der eigenen serie. Jeden Tag.
    nach der schule zum sport,
    dort, wo gilt: meisterschaft durch Wiederholung,
    Jeden Tag die selbe übung, Jeden Tag die selbe übung,
    immer wieder am selben ort.
    Jeden Tag, Jeden Tag, Jeden Tag,
    dieselben leute von derselben sorte
    dieselbe freude an denselben orten
    Jeden Tag, Jeden Tag, Jeden Tag.
    Jeder Tag wie das Leben eines phönix',
    Wiederholungen enden im nichts.
    jeder tag, jeder tag, jeder tag,
    im selben sarg, im selben Sarg, im selben SARG.

    (Keywan Khodaverdi aus Hamburg, Heinrich-Heine-Gymnasium Hamburg, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)
    Jedes Jahr auf´s Neue
    Schau hinaus!
    Ein weißer Saum umhüllt die Landschaft -
    unter ihm die grünen Tannen, wie sie tanzen im Wind.
    In weiter Ferne liegt der Horizont in einen rosa Schimmer getränkt
    und die Sonne spiegelt ihr Antlitz im Kristall der weißen Welt.
    Schau! Es atmet der Kamin wieder. Ist es denn schon soweit?
    Hört ihr Leute: Es ist Winterzeit!
    Schau hinaus!
    Das Grau nimmt Abschied und weicht der Hoffnung.
    Ein neuer Geist entspringt und bringt den Menschen den Frieden zurück.
    Von oben und unten sprießen die Blüten.
    Der, der hinaus geht, badet in einem Farbenmeer.
    Manch einer erst zögerlich und zaudernd, aber mit neuer Zuversicht.
    Ja, der Frühling. Er nimmt die Schwere und wandelt sie in Lebensmut.
    Schau hinaus!
    Ein warmes Blau schwebt über den Dächern der Erde,
    sowie das Grün öffnet Herzen in Nah und Fern.
    Die Vögel beginnen ein Konzert und laden uns ein, einzuhalten und zu lauschen.
    Der Wunsch nach Freiheit keimt in uns auf und wir folgen. Ans Meer. In die Berge.
    Dort, wo wir leben: frei, unabhängig, nur mit der Liebe.
    Mit der Liebe zum Sommer.
    Schau hinaus!
    Wir kehren zurück.
    Die Natur macht sich noch einmal schön,
    um uns ihre ganze Herrlichkeit zu offenbaren, bevor sie entschläft.
    Auch das Tierreich weiß von dem baldigen Ende und verabschiedet sich mit einem guten Mahl,
    bevor es sich schlafen lägt um zu träumen den Wintertraum.
    Schau, wie das Land legt nun ab sein Gewand
    und die Wahrheit erschließt sich unseren Augen.
    Der Herbst.
    Schau hinaus!
    Ja, tu es einmal!
    Du wirst sehen, jedes Jahr geht die Natur in Serie.
    Jedes Jahr wird der Ablauf der Zeiten wiederholt. Immer gleich, immer wieder.
    Jedes Element war einst und wird einst sein.
    Wir, nur wir Menschen sind die Variable, welche die Serie immer neu prägt,
    durch unser Handeln, unser Wachsen, unser Menschsein.
    Jedes Jahr auf´s Neue!

    (Selina Rummel aus Bochum, Graf-Engelbert-Schule, Klasse 12, Muttersprache Deutsch)