Freitag, 29. März 2024


Die lyrix-Gewinner im Januar 2012

Als Inspirationsquelle für das Leitmotiv "Verwandlungen" dienten euch in diesem Monat ein Gedicht von Hedwig Lachmann sowie Fotos des Glaspalasts aus dem Museum H2 früher und heute. Jetzt stehen die fünf Gewinner für Januar 2012 fest!

23.02.2012
    Das Gedicht "Verwandlungen" von Hedwig Lachmann beschreibt Menschen, die sich verändern und ihre Eigenschaften. Diesen Prozess nennt sie Verwandlung und reflektiert in ihrem Text über die Auswirkungen der Verwandlung von Menschen.

    Weil sich nicht nur Menschen verwandeln können, sondern auch die Natur, Tiere, unsere Umgebung, Gebäude und viele andere Dinge, wollten wir von euch wissen, was euch zum Thema "Verwandlungen" einfällt.

    In vielen Gedichten, die uns erreicht haben, ging es um eure eigenen Verwandlungen und darum, wie sich Menschen mit den Jahren ändern. Aber ihr habt nicht nur über das älter und erwachsen werden gedichtet. Genauso erreichten uns Texte, die sich mit dem Wandel der Natur beschäftigten: im Herbst und Winter, beim Wechsel von Dunkelheit zu Licht und von der Kaulquappe, die zum Frosch wird. Dass sich auch Gefühle verwandeln können, zeigten eure Gedichte, in denen es um Liebe geht, die verschwindet.

    Wir gratulieren wir den fünf Januar-Gewinnern!

    Hier sind die Texte der Leitmotivrundengewinner aus dem Januar 2012:

    Kafkas Verwandlung

    Durch kleine schwarze Löcher
    Fällt das Tageslicht
    Mehr und mehr das ursprüngliche Erscheinungsbild erlischt Nunmehr kurzbeinig Von Menschenschuld bereinigt Gelöst von dem Familiären Der immerwährenden Pflicht sich zu erklären Sozusagen zum Unmündigen reduziert Einfach zum Insekt mutiert


    (Svenja Fluhrer aus Bamberg, Franz-Ludwig-Gymnasium Bamberg, Klasse: 12, Muttersprache: deutsch)


    Im Sonnenschein

    Wir standen bis zu den knien in
    laubmeeren in wortflussschlachten
    stundenlang, haben uns inseln
    aus lächelndem schweigen gebaut
    um uns sprangen lachende fische
    um uns trieben ruhende boote

    Jetzt versuchen wir einzelne blätter
    mit löchrigen netzen von der ober-
    fläche zu fischen und tauchen
    nach den letzten tropfen meer

    ich blicke dir ins gesicht und sehe
    nur zwei mandelförmige münzen
    sie schimmern tief auf dem grund
    eines wunschbrunnens


    (Benita Salomon aus Schriesheim, Kurpfalzgymnasium Schriesheim, Jahrgangsstufe: 12, Muttersprache: deutsch)


    Melancholie-erstarrte Nacht

    Ich verrenne mich Hals über Kopf in
    Den Blues bröckelnder Fassaden
    Es sind die kleinen Details die diese Stadt So besonders machen:

    Die schwermütigen Bunker als Mahnmale der Vergangenheit
    Und ein Reisender der eine Zigarette in sein Lächeln steckt
    Am Hafen laufen die Schiffe aus doch ich bleibe hier
    Und stelle mich der Heimat:

    Wir sind zu Straßenlaternen-Poeten verkommen
    Denn die Eleganz der Sterne löst sich auf in leuchtstoffröhrener Nacht I
    ch betäube mich mit Schokolade von deiner Zungenspitze
    Und ernüchtere mich an den schnapsschwangeren Linienbussen

    Als ich aussteige und sich der Regen an mir bricht
    Fallen mir die Steine zurück ins Herz
    Die du mir nicht ganz herunterkratzen konntest
    Und die mich jeden Tag mehr vernachdenklichen

    Wir bleiben vage bei allem was wir tun:
    Statt dem besagten beschwingten Erblühen Verknospen wir – ein kraftloser Frühling
    Gegen einen stur aufbäumenden Winter

    Doch die betäubende Kälte bleibt aus
    Weil du mir dann und wann
    Eine gemeinsame Stunde gewährst
    Ein Friede auf Zeit für die aufgepeitschte Seele


    (Jonas Kohnen aus Ludwigshafen, Heinrich-Böll-Gymnasium, Jahrgangsstufe: 13, Muttersprache: deutsch)


    Ein Funkeln

    Auf Erdens Grund, in Himmels Weiten,
    Es lässt sich alles zur Wandlung verleiten.
    Ein Mensch, ein Tier, die niederen Wesen,
    Selbst in Mutter Natur ist die Handschrift der Wandlung zu lesen.
    Sie liest sich langsam, sie liest sich schnell,
    Sie steht in den Wolken, entspringt im Wasserquell.
    Wandlung ist alles, Wandlung ist nichts,
    Man spürt sie im Wind und den Strahlen des Lichts.
    Wandlung ist gut und Wandlung ist schlecht,
    Wandlung ist nicht da und ist trotzdem echt.

    So wandelt die Erde, sich drehend immerfort,
    Sie erlebt Liebe, sie erlebt Mord.
    So wandelt der Himmel, hoch über uns schwebend,
    Mit Sonne und Regen, still und dennoch am Leben.
    So wandeln auch wir, als Strahlen im Dunkeln,
    Wandeln in der Dunkelheit, ein schillerndes Funkeln.


    (Elias Müller aus Heilberscheid, Mons-Tabor-Gymnasium, Jahrgangsstufe: 8, Muttersprache: deutsch)


    DEZEMBER
    still und leise
    kleine gläserne Kristalle
    bringen den Geruch von
    Zimt
    Kälte
    in weißen Wolken
    die Flocken legen sich auf dein Gesicht
    in deine Wimpern
    und dann
    das Jahr endet
    kleine Feuer dort am Himmel
    lachen
    etwas Neues
    darf beginnen
    JANUAR
    weiß und
    klein und zärtlich
    still wie Elfen
    flocken sie auf weißen Boden
    Kristalle
    schön und gläsern
    fallen vom Himmel
    in aller Stille
    sanft legen sie sich auf
    dein Haar
    hör ihnen zu
    sie erzählen Geschichten
    FEBRUAR
    weiß ist alles
    weiß und still
    nur vereinzelt das Rufen
    eines Vogels
    einheitlich
    aber dort
    unter Bäumen gut geschützt
    wird ein kleiner Keim geboren
    zart und grün
    noch ruht er unter der
    Erde
    bald


    (Lena Leix aus Augsburg, A. B. von Stettensche Institute, Jahrgangsstufe: 9, Muttersprache: deutsch)



    Ausgenommen der Wertung:
    Uns hat im Januar ein bemerkenswertes Gedicht erreicht, das auch von der Jury sehr gut bewertet wurde, aufgrund seiner Länge aber leider nicht in die Wertung eingehen kann. Bitte denkt beim Dichten an unsere Wettbewerbsregeln: Gesprochen soll der Text die Dauer von einer Minute nicht überschreiten.

    Wir möchten den Text von Larissa aber trotzdem hier veröffentlichen, weil er nach Punkten sonst ganz vorn mit dabei gewesen wäre und euch hiermit alle ermuntern: Schreibt weiter, auch wenn es mal nicht für einen Monatsgewinn gereicht hat!

    Wir
    Wir.
    Helden von heute.
    Kinder von gestern.
    Die Generation von Morgen.
    Uns.
    Braucht man,
    belächelt man.
    Will man?
    Wir.
    Sind wandelbar. Wollen immer weiter.
    Monotonie war einmal.
    Ihr.
    Seid Manager, Politiker
    Lehrer, Bankiers.
    Noch vor ein paar Wimpernschlägen
    aus den Blumenkleidern geschlüpft,
    die Ray-Ban abgelegt,
    den Kalten Krieg überstanden,
    die Einheit gefeiert.
    Noch vor einem Augenblick
    Jazz gespielt,
    Blues geträumt,
    Rock ’n’ Roll gelebt.
    Jeder Gedanke
    war ein Lichtreflex
    auf eurem Zelluloidfilm.
    Sommer of Love.
    Barfuss. Sommersprossen auf rot gebräunter Haut.
    Musik zwischen den Zähnen.
    Eure Jesuslatschen bei der Revolution verloren.
    Wir.
    Lethargie in der Mittagshitze.
    Langeweile.
    Drohnen in der Tagesschau.
    Auge um Auge war einmal.
    Ein Knopfdruck.
    Und wir sind jetzt.
    Hier.
    Lebensmotto easy-going
    doch; schneller als ihr.
    Manchmal schneller als wir.
    Wir haben keine Zeit
    zum Müßiggang.
    Zeit ist Geld.
    Wir kaufen uns alles:
    Liebe, Macht, Gerechtigkeit.
    Unmögliches wird unmöglich.
    Grenzenlos gibt’s nicht.
    Wir können alles.
    Wir stellen uns selbst her.
    Und verändern uns danach.
    Perfektion.
    Wer gegen den Strom schwimmt,
    hat eben verloren.
    Wir. Das nennt man Demokratie.
    Uns macht keiner etwas vor.
    Meinungsstark, das sind wir.
    Auch für dein Lächeln gibt es eine Kategorie.
    Wir denken in Schubladen.
    Eigentlich unnötig,
    wir haben dich eh schon aufgelistet
    2593 Einträge bei Google.
    Ein Gesicht in facebook.
    Ein Leben im Netz.
    Wir wissen alles über dich.
    Wenn du an dir zweifelst:
    Frag uns.
    Wir beurteilen. Urteilen ab.
    Posten unser leben
    und leben wenn wir damit fertig sind.
    Wir sind aufgeklärt.
    Lieben wie die Großen
    Beziehungen wie Soaps.
    Mehr Freundinnen wie Papa.
    Irgendwann kommt die Richtige.
    Vollkommenheit
    passt zu uns.
    Wir besitzen die Welt.
    Wir sind uns einig:
    wir führen mit dem Glück
    eine On-Off-Beziehung.
    Doch manchmal
    denk ich mir:
    Vielleicht
    war früher doch nicht alles besser.
    Vielleicht sind wir
    Gewinner von Morgen
    am Anfang.


    (Larissa Hieber aus Schwäbisch Gmünd, Hans-Baldung-Gymnasium, Jahrgangsstufe: 12, Muttersprache: deutsch)