Donnerstag, 28. März 2024


Die lyrix-Gewinner im Mai 2010

Im Mai haben wir euch um Gedichte zum Thema "Wie immer" gebeten.

17.06.2010
    Als Vorlage diente euch ein Gedicht von Robert Walser, in dem das lyrische Ich aus seiner Routine ausbrechen möchte, letztendlich aber alles "Wie immer" bleibt. Auch ihr habt in euren Gedichten von der Sehnsucht nach Veränderung geschrieben. Viele von euch haben monotone Alltagssituationen beschrieben, in denen man gefangen ist. Aber auch immer wiederkehrende Erinnerungen an eine glückliche oder unglückliche Liebe waren häufig Thema in euren Gedichten.

    Im Juni lautet unser Leitmotiv: Verfehlungen

    Vielen Dank für eure Gedichte! Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern!

    Hier die Gedichte der Monatsgewinner aus dem In- und Ausland:



    wie immer

    barfuß am morgen
    der spiegel im bad
    hält sorgen verborgen
    schickt dich in den tag
    monoton gehst du schwer
    nichts besser nichts schlimmer
    grau kalt und leer
    bleibt alles wie immer

    verwundet am abend
    die maske fällt ab
    hat dir nichts zu sagen
    schickt dich in die nacht
    monoton stellt der tisch
    dir ein stuhlbein im zimmer
    du fällst bis du schläfst
    bleibt alles wie immer

    friedlich die nacht
    du atmest ganz leise
    träumst mutig bedacht
    schickst dich auf die reise
    monoton wirst du farbig
    bist kurz der gewinner
    von dem grau das dich bricht
    - bleibt alles wie immer


    (Christiane Heidrich aus Vaihingen/Enz, Deutschland, Friedrich-Abel-Gymnasium, Jahrgangsstufe 9, Muttersprache: deutsch)


    Erinnerung

    Erinnerung sind meine Träume,
    nicht Hirngespinst, nicht Phantasie
    und alle Nächte kehrn sie wieder,
    erfülln den Schlaf, verschwinden nie.

    Erinnerung an vergangne Tage
    -ein Kuss im Sonnenuntergang-
    ist er auch schon lang verklungen,
    kehrt er doch ein Leben lang

    jeden Abend, immer, wieder,
    wenn der Schlaf mich sanft umschlingt
    und den Kuss in allen Nächten
    mir in Träumen wieder bringt.


    (Oliver Riedmüller aus Fürth, Deutschland, Heinrich-Schliemann-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: deutsch)


    zeitschleife

    wir klemmen tage sachte zwischen unsere finger lassen sie am abgrund fallen sehen ihnen nach wie zarten federn lange und vielleicht zu mild

    sie werden leer geboren und
    sterben leer und sterben leer
    und wenn wir das erfahren bringen sie uns mit hochrotem kopf ins krankenhaus

    Die diagnostizierte Monotonie stößt
    gellende Schreie aus
    kahle weiße Hausflure bringen sich
    selbst zum Einsturz

    Das blümchenbestickte Sofa geht
    in Flammen auf
    tägliche Routen lassen sich bereitwillig vom Erdboden verschlucken

    kochendes Blut kühlt ab

    wir klemmen tage sachte zwischen unsere finger lassen sie am abgrund fallen sehnen ihnen nach wie zarten federn


    (Jonas Kohnen aus Ludwigshafen, Deutschland, Heinrich-Böll-Gymnasium Ludwigshafen, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: deutsch)


    Alltag wie immer

    Er fuhr nach Hause wie immer.
    Er war müde wie immer.
    In der Straße stank es wie immer.
    Er seufzte tief wie immer.
    Laut quietschte die Tür wie immer
    und leise weinte die Frau wie immer.
    Sie liebte ihn,
    wie immer.
    Doch es war zu wenig wie immer.
    Der erste Schluck brannte im Hals wie immer.


    (Lena Fillies aus Hamm, Deutschland, Marie-Curie-Gymnasium, Jahrgangsstufe 13, Muttersprache: deutsch)


    Aus dem Tagebuch eines Alltagsmenschen

    Morgens:
    Im Gesicht noch den Schatten der Nacht
    Unter monoton grauen Lidern
    Und nur Uhrenzeiger unterscheiden
    Stunden
    Ein Blick in den Spiegel:
    Es ist alles wie
    Gestern

    Mittags:
    Im Gesicht noch die Fadheit des Morgens
    Unter monoton grauen Pupillen
    Und nur Wochentagsnamen unterscheiden
    Tage
    Ein Blick in den Spiegel:
    Es ist alles wie
    Morgen

    Abends:
    Im Gesicht noch die Öde des Mittags
    Unter monoton grauen Augen
    Und nur Kalender unterscheiden
    Jahre
    Ein Blick in den Spiegel:
    Es ist alles wie
    Immer


    (Anna Neocleous aus Rietberg, Deutschland, Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: griechisch und deutsch)


    Wie Immer

    Er dreht in seinem Viertel Runden
    wie immer all die Jahre lang
    Getränke, Lichter, Frauen, Stunden
    der Freiheit lieblicher Gesang

    Wie immer küsst die Nacht den Morgen
    des Nachtes Glittzer leis erlischt
    da kommen Kummer, kommen Sorgen
    von seinen Schmerzen kalt erwischt

    Er fühlt sich ganz doch ist verloren
    sie flog wie eine Möwe weg
    sein Herz für alle Zeit erfroren
    in seiner Epik schwarzer Fleck

    wie immer werden Wellen rauschen
    und er wird atmen, fröhllich tun
    und jede Woche Frauen tauschen
    denn er wird nicht ohne sie ruhn


    (Alina Karasseva aus Ketsch, Deutschland, Carl Friedrich Gaus Gymnasium, Jahrgangsstufe 9, Muttersprache: russisch)


    Mein Kaffee

    Mein Kaffee.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer perfekt.

    Er schmeckt
    nach verbotener Frucht.
    Er zergeht
    in meinem eisigen Blut.
    Er riecht
    nach Eukalyptus.
    Mit einem Tropfen bitteren Zimtes.

    Mein Kaffee.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer perfekt.

    Er brennt
    ruhig und gelassen.
    Er heizt
    meine arme Tasse.
    Er wartet
    auf deinen Atem.
    Mit einem Tropfen Schokolade.

    Du kommst.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer zu spät.


    (Valentyna Bilokrynytska aus Tscherkassy, Ukraine, Cherkaska Himnazija Nr. 31, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: ukrainisch)


    Wie immer

    Ich wache auf,
    muss zur Schule.
    ich komm' nach Haus,
    Hausaufgaben machen.
    Ich schaue aus dem Fenster,
    es ist schon Abend.

    Jeden Tag
    immer dasselbe...
    Tag und Nacht
    alles wie immer...

    Muss es sein?
    Wird sich nichts verändern?
    Muss nicht sein!
    Ich will alles verändern.

    Ich wache auf,
    die Sonne scheint.
    Ich komm' nach Haus,
    Lächeln im Gesicht.
    Ich schaue aus dem Fenster,
    meine Hündin spielt.

    Das wie immer kann sich verändern,
    man muss es nur mit anderen Augen sehen!


    (Isabella von Wallwitz aus São Paulo, Brasilien, Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe 6, Muttersprache: portugiesisch)


    Nur ein Sommer

    Rosen blühen - wie immer,
    wenn der Frühling geht,
    und der Sommer sich nähert.

    Du stehst vor mir,
    deine Augen glänzen
    im Abendsonnenschein.
    Du reichst mir Rosen,
    schöne, rote Rosen.

    Ich schließe die Augen,
    und rieche diesen süßen,
    frischen Duft, ich weiß,
    du lächelst und ich
    lächele dann zurück.

    Du stehst nicht mehr bei mir.
    Meine Augen glänzen,
    aber hinter Tränen,
    ich sehe die Blumen nicht.

    Ich weiß doch, dass
    Rosen verwelken - wie immer,
    aber das nicht, dass
    es so weh tut - wie nimmer
    vorher in meinem Leben.

    Der Wind weht Rosenduft
    abends zu mir - wie immer.


    (Katalin Élo aus Gyor, Ungarn, Révai Miklós Gimnázium és Kollégium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: ungarisch)


    Die Sonne scheint wärmer
    Die Natur erwacht
    Es ist uns lieb, wenn alles blüht
    Wie immer… Dann sind wir lustig

    Wie bewundern die Natur
    Und säen und pflanzen viel im "Garten"
    Es ist uns nützlich, arbeiten zu lernen
    Wie immer… Dann sind wir fleißig

    Da kommt der Herbst
    Wir freuen uns auf die Ernte
    Es ist uns interessant, was es uns gelungen ist
    Wie immer… Dann sind wir stolz

    Da kommt die Zeit
    Wir sind noch jung, die Eltern alt
    Es ist uns sehr angenehm, für sie sorgen zu kommen
    Wie immer… dann sind wir herzlich


    (Julija Kalysch aus Rivne, Ukraine, Geisteswissenschaftliches Gymnasium, Jahrgangsstufe 8, Muttersprache: ukrainisch)