Donnerstag, 18. April 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Oktober 2012

Wie künstlich ist eigentlich unsere Natur? Und wie künstlich sind wir vielleicht selbst? Wird Kunst durch Natur inspiriert und gäbe es ohne Natur vielleicht gar keine Kunst?

12.12.2012
    Im Oktober waren wir zu Gast im Deutschen Zusatzstoffmuseum in Hamburg, dem einzigen Museum in Deutschland, das sich mit Zusatzstoffen in Lebensmitteln befasst. Das Museum inspirierte euch mit der Geschichte des echten Karminrot: Ein natürlicher Zusatzstoff, den schon die Azteken kannten und der sich in den Gemälden vieler berühmter Maler wiederfindet.

    "Natürlich künstlich" hieß entsprechend das »lyrix«-Leitmotiv im Oktober, zu dem uns sehr unterschiedliche Gedichte erreicht haben.

    Einige eurer Gedichte projizieren Bilder von zerstörten Städten, die grau, voller Rauch und mit Ölfilmen bedeckt sind, sodass sie nichts Natürliches mehr haben. Ganz anders lesen sich die Naturgedichte, die ihr uns geschickt habt und in denen ihr eine malerische und idyllische Natur skizziert.

    Insgesamt habt ihr viele verschiedene Anhaltspunkte zum Spannungsfeld Natur und Kunst gefunden, wobei ihr letztendlich doch den Menschen ins Zentrum stellt.

    Ein Tusch für unsere Top 5 im Oktober.


    schnee im september

    herzen blinkten und
    neon

    sie trug ihr gefärbtes
    lächeln, synthetikfasern

    in hohen schuhen
    zwischen hauseingängen und

    mittag
    aus den Schaufenstern blickten

    puppen an ihr
    vorbei

    (Ansgar Riedißer, aus Renningen, Gymnasium Renningen, Klasse 9, Muttersprache Deutsch)


    künstliche unnatur

    draußen
    steht ein letzter baum
    in einer straße aus zukunftssehnsucht

    drinnen
    versucht die welt seine äste
    an kleiderständern zu imitieren

    irgendwo dazwischen
    will eine seele ihre freude zeigen
    und kommt nicht durch aufgespritzte wangen

    (Nina Rastinger, aus Gmunden, BG Gmunden, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)


    Zweimal Welt

    Natur
    Alles vollkommen
    Tausend Tropfen
    Überall auf den Blätter
    Ruhe in der Morgenfrühe
    Lichtstrahlen durchfluten
    Immer wieder
    Chlorophyllreiche Blätter strahlen
    Heute und für immer
    Klackernde Maschinen
    Übertreffen
    Natur
    Schneller, besser
    Top Qualität
    Leidende Labortiere
    Ignorierend
    Control of everything
    Heute und für wie lange?

    (Rebekka Stahlhut, Buchholz in der Nordheide, Albert-Einstein-Gymnasium, Klasse 7, Muttersprache Deutsch)


    Rausch

    So schwebe ich umher
    durch verworrene Tunnel des Daseins
    der kreischende Klang macht mich süchtig
    ich schreie auf
    falle zu Boden
    verzückt, beglückt verschlinge ich
    die ganze Magie
    diese seltsame Droge
    sind es graue Blumen
    bunte Wolken
    die mich erstrahlen lassen
    Gefühle pulsieren in meinen Venen
    der Kopf scheint mir zu platzen
    der Saft des Lebens tritt heraus
    benommen bin ich, böser Schmaus
    das ist das Wunderland
    ich lebe in Wahnsinn
    preise die Täuschung
    denn sie ist der wahre Meister.

    (Carlotta Wenke, aus Bad Homburg, Humboldtschule, Klasse 12, Muttersprache Deutsch)


    Übergang

    Iss und warte,
    bis du das Künstliche schmeckst.
    Lege dich hin und warte,
    bis du in deiner Traumwelt verschwindest.
    Höre zu und warte,
    bis du alle Lügen verstehst.
    Rieche und warte,
    bis du das Gift wahrnimmst.
    Fühle und warte,
    bis du die raue Oberfläche spürst.
    Sehe und warte,
    bis du das Künstlerische in dir entdeckst.

    (Julia Diller, aus Kranzberg, Dom-Gymnasium Freising, Klasse 8, Muttersprache Deutsch)


    Und hier die Gewinner "außer Konkurrenz"

    (Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)


    Wann fingen wir eigentlich an uns zu maskieren.
    Glitzernde Kontaktlinsen
    reflektieren das Licht ohne es eingefangen zu haben.
    Als Sonne getarnte Scheinwerfer.
    Sitzender Lidstrich, gekämmter Bart.
    Bloß nicht beides. Um Himmels willen nicht beides.
    Die Qual der Wahl zwischen schwarz und weiß
    rebellieren wir uns Klebeband ins Gesicht.
    Berechneten wir doch die Möglichkeiten das Tab zu kleben,
    legen wir es irritiert zurück auf den Nachttisch
    und lächeln dabei.
    Sind wir schließlich nicht gescheitert.
    Wollten nur mal was Neues ausprobieren.
    Stellten fest das der Stil nicht zu uns passt.
    Ich lächle dich an weil ich weiß das du zurück lächeln wirst.
    Die Pupillen Glitzernd. Vor Freude.
    Weißt du, will ich sagen. Weißt du,
    ich glaub ich fange an unter meiner gepuderten Perücke zu schwitzen.
    Denn meine Augen verlaufen irgendwie.
    Lass und die Scheinwerfer ein bisschen dimmen oder wenigstens den
    Spot von mir nehmen.
    Denn ich spüre wie sich Brandblasen unter dem Plastik bilden.
    Aber ich bleibe stark. Aus Angst vor dem Fliehen des Lächelns.
    Weinen kann ich heute Nacht wenn ich meine
    malträtierten Gesichtszüge betrachte,
    mein Lächeln sterilisiere

    (Johanna Fugmann, aus Memmelsdorf, Presentation College Tuam (Auslandsschuljahr), Klasse 10, Muttersprache Deutsch)