Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die Macht der Gewerkschaften in Griechenland bröckelt

Der Einfluss der Gewerkschaften in Griechenland war bisher sehr groß. Doch auch wenn das Parlament in Athen heute das Sparprogramm der Regierung beschließt, wird das bislang enge Beziehungsgeflecht zwischen Regierung und Gewerkschaften so keinen Bestand mehr haben.

Von Anna Koktsidou | 29.06.2011
    Protestmarsch in der Innenstadt von Athen. Der Zug der PAME, der kommunistennahen Gewerkschaftler, hat den Syntagmaplatz erreicht, den Platz vor dem Parlament. Demonstrantenstimmen:

    "Es geht nicht mehr. Die Bevölkerung verarmt. Aber die Regierung kümmert sich nur um die ausländischen Schuldner."

    "Ohne organisierten Kampf geht es nicht, und die Gewerkschaften gehören dazu."

    Der Zug der PAME zieht weiter, alleine. Die anderen Gewerkschaften beginnen ihre Kundgebungen an anderen Stellen der Innenstadt - und gehen getrennt ihren Weg. Zur Erklärung: in Griechenland gibt es zwei große Dachorganisationen: die GSEE für den Privaten Sektor und die ADEDY für den öffentlichen. Unterhalb der Dachorganisationen sind aber die verschiedenen Bünde zersplittert. Die PAME agiert unabhängig von allen. Diese Zersplitterung ist auch das große Problem der Bewegung, so eine Demonstrantin:

    "Das ist die Schwäche der gesamten Linken. Wir sind in einer Zeit, in der das Zwei-Parteiensystem von PASOK und Nea Dimokratia stirbt; der Kapitalismus steckt in einer Krise und die Linke kann keine gemeinsame Antwort geben, kann nicht als Einheit handeln."

    Der Einfluss der Gewerkschaften in Griechenland war bisher sehr groß. Entwickelt hat er sich insbesondere ab Anfang der 80er-Jahre, als die PASOK, die Sozialisten, an die Macht kamen. Andreas Papandreou, der damalige Premier und Vater des heutigen Ministerpräsidenten, stützte seine Macht unter anderem auch auf die Gewerkschaften - und bedankte sich großzügig mit Privilegien und Posten, dort wo es gut ging: bei den Staatsbetrieben. Aber auch die Konservativen machten es anschließend ähnlich: Und so entstand ein enges Beziehungsgeflecht zwischen Regierungen und Gewerkschaften. Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, lebt seit 25 Jahren in Athen:

    "Sie versuchen jetzt, mit demselben Muster, mit dem sie früher erfolgreich waren, auch ihre Besitzstände zu sichern. Ob das gelingen wird, ist sehr fraglich, denn es ist kein Geld mehr da. Dieser Diktatur der leeren Kassen müssen sich auch die Gewerkschaften fügen."

    Und vor allem: Auch die Bürger sind nicht unbedingt gut auf die Gewerkschaften zu sprechen. Immer mehr Menschen bleiben an den Streiktagen zu Hause anstatt auf die Kundgebungen zu gehen. Und die Wirtschaftskrise hat eines offenbart: Wer im privaten Sektor arbeitet, wurde durch die Sparmaßnahmen viel stärker und schneller belastet als die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Und so schwindet auch die Akzeptanz der Gewerkschaften, wie dieser Ladenbesitzer im Athener Zentrum erzählt:

    "Ich bin total gegen die Gewerkschaftler. Sie denken nur an sich, es geht ihnen nicht um die Rechte der Bevölkerung. Wenn beispielsweise die Gewerkschaftler des Stromkonzerns DEI den Strom abdrehen, dann wollen sie die Regierung Erpressung. Aber ich habe den Schaden. Ohne Strom kann ich nicht arbeiten, wenn das Zentrum zu ist, habe ich keine Kundschaft. Die, die am lautesten schreien, sind vor allem jene, die die gut versorgt sind."