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Die Medienorgel dreht sich weiter

Im Theater ist es einfach: Wenn es ganz schlimm kommt, ruft jemand "Vorhang!", und der rote Samt macht schlimmem Spiel und Peinlichkeiten ein rasches, gnädiges Ende. In der Causa Guttenberg – die zweite oder wievielte eigentlich? – ist das anders.

Christian Floto | 03.12.2011
    Die selbstreferenzielle Medienorgel dreht sich, als ob Euro und Co. die nebensächlichsten Themen wären, die auch unter "später" oder "ferner liefen" gespielt werden könnten. Freie Hand auf Zeit für die Politik, denn zumindest in Talkshows ist die Agenda besetzt durch den Freiherrn.

    Geschickt eingefädelt durch einen pfiffigen Verleger und eine Wochenzeitung, die eigentlich doch gerade diejenige Klientel zu ihrem Stammpublikum zählt, die der Baron mit Tricksen, Tarnen und Täuschen auf das Empfindlichste im Nerv der Redlichkeit getroffen hat. Doch was wäre das alles ohne den Doppelschlag: Buch plus Vorabdruck. Perfektes Timing und ein Business Modell für das Lehrbuch.

    Bleiben aber nicht nur für Medienwissenschaftler einige Fragen offen: zum Beispiel die nach der Transparenz einer solchen Wertschöpfungskette. Wer kassiert da in welcher Funktion eigentlich welche Summen? Egal ist das nicht. Denn Rezipienten fragen durchaus mal nach den Motiven von Akteuren. Und da wäre es interessant zu erahnen, ob neben unreifem Narziss vielleicht gar noch Gier mit im Spiel sein sollte?

    Selbstverständlich kann jede Zeitung im Rahmen des Rechts machen, was sie will. Dennoch liegt auch auf ihr die Last des inneren Bandes von Freiheit und Verantwortung, von der nicht nur ein Albert Camus spricht. Wer an so prominenter Position die Medienagenda – und damit auch die öffentliche Agenda – ohne erkennbaren Anlass und Zusammenhang mit einem Thema befrachtet, muss wissen und verantworten, was er tut.

    Der Journalist nennt als Chefredakteur in der jüngsten Ausgabe der "Zeit" unter anderem als Begründung für sein Guttenberg-Agenda-Setting: "Nie hat einer so viel Bewunderung und Hoffnung, aber auch so viel Ablehnung und Wut auf sich gebündelt." Wie gegenwartsverliebt und unbeeindruckt von jeglicher Politik- und Kulturgeschichte muss jemand sein, der sich zu so einer Einschätzung versteigt. Bitte – Vorhang!