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Die Nähe zwischen Labour und Murdoch

Für Premierminister David Cameron werden seine engen Kontakte zum Murdoch-Konzern zu einer zunehmenden Belastung. Ein gefundenes Fressen für die oppositionelle Labour-Partei - aber die Unterstützung des Presseimperiums haben auch Labourregierungen immer wieder gesucht.

Von Marcus Erbe | 19.07.2011
    Heftige Debatten sind im britischen Unterhaus keine Seltenheit, aber so hilflos wie Mitte letzter Woche haben die Abgeordneten den Parlamentspräsidenten selten erlebt.

    Dabei hatte sich der Gegenstand der Diskussion bereits erübrigt: Rupert Murdochs News Corporation hatte schon vor Beginn der Sitzung die umstrittenen Pläne zur Übernahme des Satellitenfernsehsenders BSkyB aufgegeben. Der entsprechende, von der Labourpartei eingebrachte Antrag, wurde im Unterhaus ohne Gegenstimme angenommen. Der Parteivorsitzende Ed Miliband sprach von einem Sieg des Parlaments über einen außer Kontrolle geratenen Medienkonzern:

    "Der Wille des Parlaments war eindeutig. Der Wille der Menschen war eindeutig. Und der mächtigste Medienunternehmer in Großbritannien musste sich nun diesem Willen beugen", so Oppositionsführer Miliband.

    Premierminister David Camerons Nähe zum Murdoch-Konzern bietet Labour günstige Gelegenheiten, die Regierung in Verlegenheit zu bringen. Aber die Unterstützung des Presseimperiums haben auch Labourregierungen immer wieder gesucht. Tony Blair war der erste Labour-Chef, der die Massenblätter des Konzerns für sich gewinnen konnte. Laut Lance Price, dem früheren Medienberater des Ex-Premiers, war Murdoch eine Art 24. Kabinettsmitglied. In vielen politischen Fragen wurde er von Blair zurate gezogen, ganz besonders in der Europapolitik:

    "Vor den Wahlen 2005 zum Beispiel wurde Tony Blair ganz klar gesagt, dass die Sun Labour nur unterstützen würde, wenn er versprach, dass es ein Referendum über die europäische Verfassung geben würde. Und siehe da, fünf Tage später war das Europa-Referendum der Aufmacher der Sun."

    Blair's enges Verhältnis zu News International ist für die Briten nichts neues und der Ex-Premier will sich zu diesem Aspekt seiner Amtszeit nicht äußern. Er sieht die Ursache des Problems heute darin, dass Politiker von den Medien abhängig sind, wenn sie den Wählern ihr politisches Programm vermitteln wollen:

    "Ich kommuniziere mit den Menschen durch euch, die Journalisten. Alles hängt davon ab, welche Fragen ihr mir stellt und was eure Redakteure mit dem Interview rüberbringen wollen. Das Beste ist, wenn wir eine offene und ehrliche Debatte über unser Verhältnis führen. Das will ich schon seit Langem, denn ich weiß, dass die meisten von denen, die in den vergangenen Jahrzehnten an der Spitze des öffentlichen Lebens gestanden haben, mit dieser Beziehung unzufrieden sind."

    Zum Beispiel Blairs Nachfolger Gordon Brown: Ihm entzogen die Massenblätter von News International ihre Unterstützung. Weil er sich weigerte, die vom Konzern gewünschte Medienpolitik umzusetzen, sei er immer wieder persönlich angegriffen worden, erklärte ein vor Wut und Sarkasmus schäumender Brown von den Hinterbänken des Unterhauses. Besonders schwer getroffen habe ihn, dass über die Krankheit seines Sohnes berichtet wurde. Das Leiden der Opfer von Verbrechen und Terrorismus, deren Telefone abhört wurden, könne er daher verstehen:

    "Viele, viele völlig unschuldige Männer, Frauen und Kinder mussten erfahren, wie in ihrer dunkelsten Stunde, als sie verwundbar waren, wie nie zuvor, ihr Privatleben, ihre persönlichen Verluste und ihr ganz persönlicher Schmerz zum öffentlichen Eigentum von News International wurden."

    Brown's Nachfolger Ed Miliband hat durch den Abhörskandal deutlich an Profil gewonnen. Er fordert jetzt die Zerschlagung von Mediengruppen, die zu viel Macht im öffentlichen Leben ausüben. Ob sich durch die Enthüllung der Affären bei News International das Verhältnis der britischen Politik zu den Medien ändern wird, ist noch nicht absehbar. Klar ist jedoch, dass die einst so ersehnte Nähe zum mächtigen Murdoch-Imperium für Politikerkarrieren vorläufig äußerst schädlich ist.