Die neue Ausgabe der Zeitschrift ''Edit''
"Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen." Sie klingt schon ein bisschen einschüchternd, die Sottise, die der Philosoph Theodor Adorno vor einem halben Jahrhundert dem Kulturbetrieb seiner Zeit entgegenschleuderte. Aber leider zwingen einen viele literarische Erzeugnisse unserer Tage, die grimmige Sentenz des Philosophen zu wiederholen. Diese schmerzhafte Erfahrung hat auch die Schriftstellerin Antje Rávic Strubel machen müssen, als sie kürzlich nach der Verlässlichkeit und der literarischen Kontur des Ich in aktuellen Gegenwartsromanen fragte. Das Ergebnis ihrer kritischen Bestandsaufnahme der allerjüngsten Ich-Stimmen ist jetzt in der neuen Ausgabe, der Nummer 31 der Leipziger Literaturzeitschrift EDIT nachzulesen, jenem "Papier für neue Texte", dem wir sehr hilfreiche Sondierungen auf dem unübersichtlichen Terrain der "jungen Literatur" verdanken. In ihrem elaborierten Essay geht Antje Rávic Strubel zu den naiven Ich-Sagern der Gegenwartsliteratur auf entschiedene Distanz. Strubels Misstrauensvotum gegen die unbedarfte Konstruktion eines selbstgewissen Ich-Subjekts beruft sich auf Beckett, dessen Romane oft nur von der Unmöglichkeit handeln, ein "Ich" zu finden, das Worte hat.