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Die neue Gleichzeitigkeit

Astronomie. - Astronomen gehen bei der Entstehung unseres Sonnensystems von einem geradezu geordneten Nacheinander aus: Nach der Sonne sollen sich die Planeten gebildet haben. Amerikanische Forscher schlagen nun ein neues Modell zur Entstehung unseres Planetensystems vor.

Von Guido Meyer | 19.03.2012
    Am Anfang war die Wolke.

    "The cloud is pre-existing.”"

    Und die existierte schon immer.

    ""The cloud exists.”"

    Und bislang war diese Wolke auch stabil, sodass nichts weiter passierte.

    ""Das ist so wie bei den Wolken am Himmel: Sie ziehen vorbei, sie drehen sich, sie formieren sich neu - aber sie sind fast immer in irgendeiner Form da. Irgendwann jedoch hat sich die Gas- und Staubwolke im All so weit abgekühlt, dass ihre Eigendrehung nicht mehr stark genug war, dem Kollaps etwas entgegenzustellen."

    Anne Hofmeister von der Washington University in St. Louis beschreibt die Initialzündung unseres Sonnensystems, das aus dieser rotierenden Wolke heraus entstanden sein soll.

    "Je mehr sich die Wolke zusammenzieht, desto stärker dreht sie sich. So wie ein Ball immer mehr Bewegungsenergie aufnimmt, wenn er einen Hügel hinunterrollt. Genauso verhält sich die Gas- und Staubwolke: Je mehr sie in sich zusammenfällt, desto schneller rotiert sie."

    Und jetzt bereits, also noch bevor im Zentrum der Wolke die Sonne zündet, entstehen die Planeten – so die neue Theorie der Wissenschaftler aus dem US-Bundesstaat Missouri. In einer Ebene innerhalb der kontrahierenden Wolke bilden die Staubpartikel eine Scheibe. Durch Zusammenballung des Staubs entstehen Planetenkerne. Sie ziehen nach und nach immer mehr umherfliegendes Material an, bis sie zu Planeten herangewachsen sind.

    "Die Gaswolke zieht sich so weit zusammen, bis ihr Durchmesser geringer ist als der der Staubscheibe. Größere Planetenkerne am Rande der Scheibe verfügen in diesen Stadium bereits über genügend Anziehung, einen Teil dieser zusammenfallenden Molekülwolke an sich zu binden. Aus ihnen entstehen die äußeren Gasplaneten. Wenn die Wolke die Vorstufen der inneren Planeten passiert, fällt sie längst mit einem Tempo zusammen, dass es den kleineren Planetenkernen unmöglich macht, noch einen Teil des Gases einzufangen. Sie haben der Anziehungskraft der im Zentrum entstehenden Sonne nichts mehr entgegenzusetzen."

    Nur so rum geht’s, argumentiert auch Robert Criss aus dem gleichen Forscherteam der Washington University in St. Louis. Sonne und Planeten müssen gleichzeitig entstanden sein.

    "Die Planeten können keinesfalls erst nach der Sonne entstanden sein. Es wäre für Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun überhaupt kein Gas mehr vorhanden gewesen. Die Kerne dieser späteren Gasplaneten waren massiv genug, um zu verhindern, dass alles Gas ins Zentrum fällt."

    So ganz nebenbei würde diese neue Gleichzeitigkeit auch die Notwendigkeit der wandernden Planeten beseitigen, so der US-Geochemiker.

    "Das derzeit gültige Modell kann die Bewegung der Planeten nicht erklären. Demnach sollen sich die Gasplaneten nahe an der Sonne gebildet haben und dann – wie auch immer – nach außen gewandert sein. Wir halten das für geradezu lächerlich. Das sind nur Notlösungen für das, was wir tatsächlich beobachten. Zu solchen Erklärungen müssen wir mit unserem neuen Ansatz aber gar nicht greifen."

    Auch dieses Modell vermag jedoch nicht alle Rätsel der Planetenentstehung zu lösen. So beobachten Astronomen in anderen Sonnensystemen regelmäßig Gasplaneten nahe an ihrem Stern. Gänzlich ausgeschlossen ist es also nicht, dass sie nach ihrer Entstehung dort allmählich nach außen wandern und dort enden, wo sich die Gasriesen in unserem Sonnensystem heute befinden.