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Die neue Lust am Protest

Die Stuttgarter haben es vorgemacht: Der Protest gegen den geplanten neuen Bahnhof hat deutschlandweit seine Spuren hinterlassen. Der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung kommt nun allerorten auf.

Von Detlef Grumbach | 22.11.2010
    "Ich sitze hier, weil mir die Grünen gesagt haben, Herr Wagener, die Stadtbahn wird kommen, koste es, was es wolle. Und dieser Satz war definitiv der verkehrte. Denn so darf Politik nicht gemacht werden. Das ist unverantwortlich."

    Andreas Wagener will die vom schwarz-grünen Senat geplante Stadtbahn in Hamburg verhindern. Er sammelt schon die Unterschriften für ein Volksbegehren. Jetzt sitzt er vor den Plänen im Bezirksamt Nord. 16 weiße Aktenordner stehen vor ihm auf dem Tisch – die Unterlagen für das erste Teilstück von sieben Kilometern Länge und einen Betriebshof. An der Wand hängen riesige Pläne und Fotomontagen. Andreas Wagener ist wütend. Denn die Informationen sind unvollständig, die Bilder zeigen nur die halbe Wahrheit. Der Bürger, so Wagener, wird in diesem Planfeststellungsverfahren belogen und betrogen.

    "Sie werden so ein Bild vom Winterhuder Markt nicht einmal Weihnachten morgens um drei Uhr sehen. Das ist eine Bundesstraße, die ist grundsätzlich voll. Alle Bilder, hier, Ohlsdorfer Straße, das ist alles geschönt. Wenn man sich dieses Bild anguckt, man weiß ganz genau, warum die Stadtbahn da in diesem Winkel reingesetzt worden ist und nicht von hier gesehen, dann würde man nämlich sehen, was für ein Koloss durch diese enge Straße geführt wird. Alles Negative, was damit auch verbunden ist, ist definitiv rausgelassen. Das ist keine ehrliche Information, die rüberkommt."

    "In Stuttgart soll der Bahnhof oben bleiben. In Brandenburg protestieren Bürger dagegen, dass Start- und Landeanflüge anders als versprochen über ihre Wohngebiete führen. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird über die Elbvertiefung gestritten, also ob auch die Containerschiffe der nächsten Generation den Hamburger Hafen anlaufen können. In Garmisch-Partenkirchen formiert sich der Widerstand gegen die Olympia-Planungen 2018. Bürger machen mobil – ganz gleich, ob es um die Planung neuer Autobahnen, Eisenbahntrassen oder Überlandleitungen geht, um den Bau neuer Windparkanlagen oder um die Suche nach einem Endlager für Atommüll. Das wirft die Frage auf, ob die üblichen Planungsverfahren mit den darin vorgesehenen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger noch zukunftsfähig sind."

    Wenn es zum Beispiel um einen Bebauungsplan oder die Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum geht, werden die Planungen von den Stadträten, also den gewählten Vertretern der Einwohner, per Beschluss erlassen. Sie liegen zwar vorher aus, einklagbares Recht haben die Bürger aber nicht. Anders bei Großprojekten, die in die Infrastruktur und die Natur eingreifen: In diesen Fällen werden sogenannte Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Dazu gehört auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

    Betroffene Bürger und Naturschutzverbände haben dann das Recht, Einwände vorzubringen und Vorschläge zu machen. Sie müssen angehört werden. Sehen sie durch die Planungen ihre Rechte oder die des Naturschutzes verletzt, dürfen sie sogar klagen. Schon die Möglichkeit, dass Planfeststellungsverfahren durch Einwände in die Länge gezogen werden, macht Politiker und Behörden nervös.

    Beispiel Elbvertiefung: Die Planungen laufen seit 2002, im April 2007 lagen die Pläne im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erstmals öffentlich aus. Zehn von nicht abschätzbar vielen Dokumentseiten beschäftigen sich allein mit den Lebensbedingungen des Schierlings-Wasserfenchels, eines "zweijährigen Doldenblüters”, der nur an der Unterelbe ansässig ist, nahezu ausgestorben war und in den letzten Jahren mühselig wieder vermehrt wurde. Einwände und Anhörungen machten immer wieder Änderungen an den Planungen nötig. Die Unterlagen für die mittlerweile dritte Planänderung haben im Mai/Juni 2010 ausgelegen. Die darauf wiederum erhobenen Einwände werden gerade ausgewertet.

    Bürgerproteste rütteln am Selbstverständnis von Politik und Behörden. Parlamente sind schließlich vom Volk gewählt. Politik und Verwaltung haben das Mandat für solche Planungen. Die Wirtschaft muss wachsen, der Verkehr muss fließen. Investoren dürfen nicht verunsichert werden. Aber irgendwann, so die Befürchtung, sind Großprojekte gar nicht mehr durchsetzbar, ist das Land weder regierbar noch zukunftsfähig.

    "Aber Regierungsfähigkeit heißt doch auch, Vertrauen schaffen für die Entscheidungen, die getroffen werden sollen. Legitime Entscheidungen treffen, die dann auch Bestand haben."

    So argumentiert Hans J. Lietzmann, Politikwissenschaftler an der Universität in Wuppertal.

    "Fortschrittsfähigkeit heißt doch auch, dass die Menschen es ertragen können, was um sie herum passiert. Die Zukunftsfähigkeit eines Landes besteht nicht nur in Kraftwerken und in Eisenbahnlinien, sondern die Zukunftsfähigkeit besteht darin, dass die Menschen in diesem Land leben können. Und da muss es doch möglich sein, dass eine qualifizierte Mehrheit in einem qualifizierten Verfahren sagen kann, bis hierhin und nicht weiter. Wir wollen das nicht."

    Wenn Bürger heute auf die Straße gehen, tun sie das nicht aus Politikverdrossenheit, wie es manchmal heißt. Sie zweifeln daran, dass Politiker noch frei genug und stark genug sind, auf die Bürger zu hören, und entdecken eine neue Lust, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen.

    Die Grünen haben Bürgerrechte und direkte Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben. In Gorleben oder Stuttgart profitieren sie vom Protest der Bürger. Die Bürger sind aber auch dagegen, wenn, ganz im Sinne der Grünen, ein Windpark gebaut wird oder wenn die umweltfreundliche Stadtbahn durch ihre Straße fahren soll.

    "Also, aus dem Grund hat man schon die grundsätzliche Frage, wie geht man mit Bürgerbeteiligung bei solchen Projekten weiter um?"

    So Malte Spitz, der sich als Mitglied des Bundesvorstands der Grünen schwerpunktmäßig mit dem Thema Bürgerrechte beschäftigt:

    "Und im Spezifischen haben wir schon seit Jahren auch bei Projekten, die für uns wichtig waren, regelmäßig einen Aufschrei, wo es gar nicht mal um große Bauprojekte ging, sondern um eine politische Veränderung, die man umsetzen will, weil man für so etwas als Partei auch bei Wahlen antritt, um seine eigenen Inhalte und Vorstellungen zu präsentieren."

    An großen Verkehrsprojekten oder am Kraftwerksbau scheiden sich die Geister, egal ob sie im Interesse der Wirtschaft liegen oder in dem eines ökologischen Umbaus der Gesellschaft. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, wie Wirtschaft, Behörden, Umweltverbände oder Bürger sich die Zukunft ausmalen, wie die unmittelbar Betroffenen zu einzelnen Projekten stehen. Immer stärker rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie ehrlich und transparent die Planungen sind, wie weit die Bürger wirklich mitentscheiden dürfen.

    "Wir haben ja in den letzten, ja, mehr als 100 Jahren würde ich fast sagen, eine Entwicklung, in der sich Demokratie sukzessiv von einem Status in den nächsten entwickelt",

    schlägt der Politikwissenschaftler Hans J. Lietzmann den großen Bogen von der konstitutionellen Monarchie über die Präsidialdemokratie zum gegenwärtigen parlamentarischen System.

    "Und wir haben momentan eine Phase, in der Bürgerbeteiligung direkt an exekutiver Planung jetzt beachtet werden möchte. Es werden Kenntnisse eingebracht, es werden Beurteilungen eingebracht, die sollen frühzeitig in Planungen eingebunden werden. Und das ist ein neues Bedürfnis. Und wir sehen zum Beispiel, in Stuttgart wird Rechtsstaat gegen Demokratie gehandelt. Und es geht jetzt darum, diese Demokratieform rechtsstaatlich abzusichern."

    Diese beiden Pfeiler des Staates, Demokratie und Rechtsstaat, sollen also neu austariert werden. Und zwar nicht nur für künftige Projekte, so Lietzmann. Auch bei einem schon weit fortgeschrittenen Megaprojekt wie zum Beispiel Stuttgart 21 müsse das noch möglich sein.

    "Wenn die Kosten sich vollständig verändern – nach einer Finanzkrise stellen sich Kosten in einem solchen Umfang vielleicht anders dar als vor 15 Jahren – muss es möglich sein in einer Demokratie, dass der Souverän sagt: Dieses Projekt passt nicht mehr in die Landschaft."

    Ulrich Karpen war für die CDU Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, an der Universität hat er sich als Jura-Professor mit dem Schwerpunkt Verwaltungsrecht lange mit dem deutschen und europäischen Planungsrecht beschäftigt. Er kennt die Probleme also aus zwei Perspektiven:

    "Die Bürger sind nicht bereit, das so einfach hinzunehmen und sich sagen zu lassen, das entspricht dem Gemeinwohl, sondern die Frage kommt dann: Ja, gehöre ich denn nicht zur Gemeinde dazu? Wo ist mein Wohl berücksichtigt?"

    Der Raum, in dem solche Fragen gestellt werden können, werde aber immer enger. Den die Planungsverfahren für Großprojekte werden immer komplizierter, völlig verschiedene Politik- und Verwaltungsbereiche und -ebenen greifen ineinander, unterschiedliche Kompetenzen müssen koordiniert werden.

    "Es kommt immer zusammen eine Bauplanung, eine Raumplanung plus eine Fachplanung, sei dies eine Wasserplanung, wenn ein Kanal verbreitert wird, sei es im Fall Stuttgart die Verkehrswegeplanung des Bundes und des Landes, und das Planungsverfahren ist deswegen so kompliziert, weil die Fachplanungsgesetze andere Voraussetzungen enthalten, natürlich spezifischere Voraussetzungen enthalten als die Raumordnung und die Landesplanungsgesetze. Und das zu integrieren ist eigentlich Aufgabe zunächst der Verwaltung und ist dann Aufgabe des offenen Planungsverfahrens."

    Planungsverfahren, also eines, an dessen Ende auch das Ergebnis stehen kann, dass ein bestimmtes Projekt eben nicht gebaut wird, findet jedoch selten statt. Die Entscheidungen für und wider werden in den parlamentarischen Gremien und den zuständigen Behörden getroffen. Erst dann beginnen die Planungen im Detail, erst dann kommt es zu einem Planfeststellungsverfahren und einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Erst dann, wenn also der prinzipielle Baubeschluss bereits gefasst ist, dürfen die Bürger ihre Meinung sagen.

    Beispiel Stadtbahn Hamburg: Jeder Baum, jeder Strauch, jede Hecke auf den ersten sieben Streckenkilometern ist in den Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens erfasst. Schallmessungen, Erschütterungsmessungen, Leitungen für Strom, Telefon, Wasser und Abwasser – alles wird hier dargestellt: 16 Ordner, seitenlange Zahlenkolonnen, detaillierte Pläne jeweils für ein paar hundert Meter. Man sieht, wo die Stadtbahn im "grünen" Bereich fährt, der Bau also problemlos möglich ist und wo es Probleme gibt. In fotografische Karten ist eingezeichnet, wo die Rechte des Schutzguts "Mensch, Kultur und Stadtbild”, "Tiere und Pflanzen”, "Wasser und Boden, Luft und Klima” verletzt werden, auch, wie Abhilfe oder ein Ausgleich geschaffen werden sollen. Vier Wochen lang liegen diese Pläne öffentlich aus.

    "Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde Einwendungen gegen den Plan erheben."

    So heißt es im Verwaltungsverfahrensgesetz. Insgesamt bleiben den

    "Das Planfeststellungsverfahren kann eine frühzeitige und transparente Bürgerbeteiligung nicht ersetzen",

    urteilt Manfred Braasch vom BUND in Hamburg, der sich immer wieder in solche Verfahren eingemischt hat:

    "Das ist eine Form, die auch ihre Bedeutung an sich hat, weil es da auch viel um fachliche Fragen und juristische Auseinandersetzungen geht, aber den Bürger und die Bürgerin mitnehmen, das erreichen sie nicht durch die Auslegung innerhalb von vier Wochen von 30 Aktenordnern."

    Planfeststellungsverfahren, so Braasch, werden von den Behörden oft als Alibi gesehen. Wünsche nach kosmetischen Veränderungen oder kleine Einwände werden hier und da berücksichtigt. Kritik, die an die Substanz geht, wird meistens zurückgewiesen. Wenn Bürger oder Verbände das nicht akzeptieren wollen, müssen sie klagen. Die Folge: Gesellschaftspolitische Auseinandersetzung über die Zukunft einer Region wird auf die Gerichte verlagert, und der Weg durch die Instanzen dauert lange.

    "Aber die Mitnahme zu einem frühen Zeitpunkt, wo noch nicht alle Entscheidungen gefällt sind, wo noch nicht alle Verträge geschlossen sind, um diesen Zeitpunkt geht es. Und Bürgerinnen und Bürger merken sehr schnell, wenn es nur eine Alibiveranstaltung ist und das ist immer dann der Fall, wenn alles schon in trockenen Tüchern und unterzeichnet ist."

    "Behörden planen und stellen fest, Bürger regen an oder wenden ein” – so charakterisiert der Alt-Liberale Burkhard Hirsch in der Süddeutschen Zeitung die eingeübte Rollenverteilung, die den Bürgern nur eine Nebenrolle zubilligt. Doch selbst parlamentarische Gremien drohen zunehmend auf die Zuschauerbank verbannt zu werden. So lässt sich jedenfalls die Forderung von Bundestagspräsident Norbert Lammert lesen, die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nicht am Bundesrat vorbei zu organisieren. Lammert fürchtet nicht nur die Ausbootung der Bürger, sondern auch eine wachsende Schwäche der Parlamente. Im globalen Wettbewerb der Standortvorteile werde die Politik immer abhängiger von Wirtschaftsinteressen, Lobbyisten und Investoren, die Bedingungen einfach diktieren, sagt der Politikwissenschaftler Hans J. Lietzmann.

    "Und auf diese zunehmende Schwäche der nationalen oder auch der regionalen, in Stuttgart auch der kommunalen Träger reagieren jetzt die Bürger, die auf die Straße gehen und sagen, wir wollen gehört werden. Mir liegt fast auf der Zunge zu sagen: Wir sind das Volk."

    Der Protest der Bürger ist so gesehen also ein Protest gegen die Entmachtung ihrer gewählten Vertreter. Aber haben die Bürger dabei auch wirklich immer das Gemeinwohl im Auge? Oder geht es zunehmend darum, wer sich als erster und am lautesten zu Wort meldet, um seine persönlichen Interessen vor der eigenen Haustür durchzusetzen?

    Noch einmal das Beispiel Stadtbahn Hamburg: Die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs ersetzt Autoverkehr, spart Energie und reduziert den CO2-Ausstoß. Ein ganzer Stadtteil, der bisher nur per Auto oder Bus erreichbar ist, soll ans Schienennetz angeschlossen werden. Viele Bürger wollen das durchaus! Der Protest regt sich jedoch nebenan, im vornehmen Eppendorf und Winterhude, durch das die Trasse geführt werden soll.

    "Die Leute, die sich engagieren, in ihrem Bezirk, in ihrem Umkreis soweit, die werden ihre Interessen eher durchsetzen können als die, die sich nicht drum kümmern und dann irgendwann irgendwoher erfahren, dass etwas gemacht wird und dann erst aufstehen."

    Andreas Wagener von der Initiative gegen die Stadtbahn scheut diese Diskussion jedoch nicht. Die Hamburger Grünen, sagt er, wollen das Projekt bis zur nächsten Wahl durchziehen. Sie sehen sich legitimiert und stehen unter Zeitdruck. Vier Jahre nur haben sie in dieser Koalition, um zu planen, das Volk zu beteiligen, und mit dem Bau zu beginnen. Unter diesem Zeitdruck leide das Planungsverfahren, und das dürfe nicht sein. Wahltermine sollten deshalb auch dafür genutzt werden,

    "dass man vorher die Leute einfach befragt. Das sind ja Projekte, die über einen längeren Zeitraum gehen und man hat eine Wahl zwischen drin oder eine gehabt oder es wird demnächst eine anberaumt, dann kann man planen und legt zum nächsten Termin einfach mal eine Befragung mit dabei."

    Die Proteste gegen Stuttgart 21 haben die Probleme mit Großprojekten bundesweit offenkundig gemacht. Und gerade in Stuttgart wird deutlich, dass eine politische Legitimation für solche Projekte durch vorangegangene Wahlen nicht reicht. Wie kann aber eine angemessene Bürgerbeteiligung in einer transparenten, ergebnisoffenen Planungsphase aussehen? Wie kann ein rechtsstaatliches und demokratisches Verfahren entwickelt werden, das tatsächlich das Gemeinwohl ins Zentrum rückt? Ministerpräsident Stefan Mappus schlägt vor, künftig alle Karten von vornherein auf Tisch zu legen und eine Moderation vor dem Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Die Entscheidung bliebe dann, und so favorisiert es auch der Verwaltungsrechtler Ulrich Karpen, bei den Parlamenten:

    "Der Schnitt geschieht in der Tat durch Handaufheben bei der Gesetzgebung im Parlament und beim Planfeststellungsverfahren. Und vielleicht sind wir hier in einer Übergangszeit. Es muss sich bei den Bürgern tatsächlich durchfressen, und das geschieht im Augenblick: Was politisch entschieden wird, entscheide ich mit."

    Auch Hans J. Lietzmann sieht die Demokratie in einer Übergangsphase. Seine Forderungen aber gehen weiter. Moderationen ohne Entscheidungsbefugnisse allein reichen seiner Auffassung nach nicht aus, um wirklich das Gemeinwohl zu stärken.

    "Wir werden zunehmend dahin kommen, dass die politisch gewählten Akteure aktiv werden, um Bürgerbeteiligung voranzutreiben. Nicht nur, um die Bürger stark zu machen, sondern um selber wieder Stärke zu gewinnen gegenüber Investoren, gegenüber dem Regierungspräsidenten, die Landesfürsten werden darauf gucken, dass sie gegenüber dem Bund stärker werden."

    Auch Malte Spitz von den Grünen setzt deshalb darauf,

    "solche Angebote auch der Politik an die Hand zu geben, selber so einen Schritt zu gehen und zu sagen, hier wollen wir eine Abstimmung haben, weil es so eine große Veränderung bedeutet für unsere Stadt, für unsere finanzielle Situation."

    Im Verfahren Stuttgart 21 wird jetzt die Schlichtung abgeschlossen, um den Flughafen Berlin-Brandenburg und in Garmisch-Partenkirchen formiert sich weiter der Protest. In Hamburg sammelt Andreas Wagener Unterschriften dafür, dass man über die Stadtbahn noch einmal gründlich nachdenkt, vor allem, dass der Bürger ehrlich informiert wird:

    "Nur wenn die Bürger aufgefordert werden, Verantwortung auch zu tragen, dann fangen sie erst an abzusehen von ihren eigenen, ureigenen Interessen, ihre Ängste ein bisschen an die Seite zu stellen und auf das zu schauen, was ihre Community, ihre Stadt, ihr Land dauerhaft nach vorne bringt."

    Es kann der Beginn einer neuen Art Demokratie werden. Letztendlich sind die Bürger gefragt. Die Bürger müssen sich aktiv daran beteiligen oder möglichst viele eben interessieren.