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Die Niederlande drehen zögerlich am Rad

Die Niederländer wollen erneuerbare Energien fördern. Aber Kritikern zufolge tun sie das nur halbherzig und nicht konsequent. Trotz idealer geografischer Voraussetzungen haben die Dänen sie bei Windkraft schon überholt. Und die EU-Energierichtlinie ist bis 2020 zu erfüllen.

Von Kerstin Schweighöfer | 23.08.2011
    "Die jüngsten Milliardäre in Deutschland sind mit Windenergie reich geworden, Windenergieproduzenten sind in Deutschland Bestverdiener. Das ist ja auch alles ganz legal, die Frage ist bloß, ob man das als Regierung für erstrebenswert halten sollte, denn es ist so einseitig."

    Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte über die deutsche Energiepolitik. Den Haag hingegen setzt auf einen - so nennt es jedenfalls die niederländische Regierung - ausgewogenen Energie-Mix. Und dazu gehört neben Wind, Sonne und Biomasse, Gas und Kohle auch nach wie vor die Atomkraft.

    Bislang haben die Niederländer nur ein Atomkraftwerk, jetzt planen sie ein zweites, mit dem Bau soll 2014 begonnen werden. Den deutschen Atomausstieg halten sie nicht für nachahmenswert; genauso wenig, wie das in ihren Augen einseitige Subventionieren von Windenergie : "Wenn alle Deutschen auf einmal in Lederhosen herumlaufen, heißt das doch noch lange nicht, das ich das auch tun muss!”schrieb der niederländische Wirtschaftsminister Maxime Verhagen kürzlich in der Tageszeitung "NRC Handelsblad".

    Sein Premierminister Mark Rutte formuliert es etwas anders:

    "”Es ist eine Illusion, zu glauben, dass Deutschland die Kernenergie kurzfristig durch nachhaltige Energie ersetzen kann! Der Atomausstieg macht Deutschland zum Nettoimporteur von Energie - und das wird sehr oft auch Kernenergie aus Frankreich oder den Niederlanden sein. Das ist ja paradox. Aber gut, das müssen die Deutschen selbst wissen. Wir jedenfalls werden mit Sicherheit nicht aussteigen, Kernenergie muss in den nächsten 30 oder 40 Jahren Teil unseres Energie-Mix' bleiben. Aber unsere Industrie profitiert natürlich vom deutschen Ausstieg, denn dadurch können wir exportieren.”"

    Mit einem zweiten Atomkraftwerk wollen die Niederländer doppelt soviel Atomstrom produzieren wie derzeit. Berührungsängste haben sie dabei keine. Das kann auch Simon Smits bestätigen, Generaldirektor für internationale Beziehungen im niederländischen Außenministerium:
    "Es gibt keinerlei Widerstand von Seiten der Bevölkerung, ganz im Gegenteil. Vielleicht sind wir Niederländer dazu einfach zu nüchtern. Bislang ist es gut gegangen, und wir gehen davon aus, dass es - natürlich unter Beachtung strengster Sicherheitsstandards - auch weiterhin gut gehen wird. Und deshalb wird die Firma, die dieses zweite Atomkraftwerk betreiben wird, wohl auch mit offenen Armen empfangen.”"

    Bloß: Es gibt da auch noch eine EU-Energierichtlinie - und an die müssen sich auch die Niederländer halte Bis 2020 soll der Anteil aller erneuerbaren Energien in den Niederlanden auf 14 Prozent steigen. Derzeit jedoch liegt er bei bloß vier Prozent.

    Dass sie die fehlenden zehn Prozent innerhalb der nächsten neun Jahre noch schaffen könnten, halten Energiexperten für illusorisch - auch Ernst Worrell, Professor für Energie und Grundstoffe an der Universität Utrecht:

    ""Von der EU-Richtlinie sind wir weit entfernt. Trotzdem denken wir Niederländer immer noch, dass wir Klassenbester in Europa sind. Dabei sind wir bloß Mittelmaß - und wenn wir nicht aufpassen, landen wir bald in der letzten Reihe!"

    Bei erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne, so warnte auch die deutsch-niederländische Handelskammer, drohen die Niederlande den internationalen Anschluss zu verlieren. Mit Schuld daran ist die so genannte Subventions-Instabilität: Mal subventioniert Den Haag erneuerbare Energien, mal nicht, klagt auch Direktor Marco Savelsbergh von der Stroomplantage, einer Firma, die Sonnenpanele vertreibt:

    "”Natürlich dürfen erneuerbare Energien nicht von Subventionen abhängig bleiben, aber anfangs geht es nicht ohne, und dann ist es wichtig, dass diese Subventionen konsequent sind und dauerhaft und sich nicht alle zwei Jahre ändern. Das sorgt für Unsicherheiten und Verwirrung, das schreckt Investoren ab.""

    Geschäfte mit seinen Sonnenpanelen macht Savelsbergh deshalb hauptsächlich jenseits der Grenze, in Deutschland - und nicht in seiner Heimat, den Niederlanden.