Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Die "Orbanisierung" der ungarischen Kultur

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban gibt auch im kulturellen Leben den Ton an. Neues Machtzentrum in Sachen Kulturpolitik ist die Budapester Kunstakademie unter dem neuen erzkonservativen Präsidenten György Fekete. Der 80-Jährige will die Künste auf Linie trimmen.

Von Stephan Ozsváth | 28.12.2012
    "Die Künste sind frei. Tretet aus."

    Rufen die Aktivisten der Gruppe "Freie Künstler" Mitte Dezember vor dem Kristall-Haus in der Budapester Innenstadt. Drinnen tagt die Vollversammlung der Ungarischen Kunst-Akademie. Dem Aufruf der Protestierer, aus der Akademie auszutreten, folgt etwa ein Dutzend Mitglieder. Darunter der prominente Maler Imre Bukta.

    Die Ungarische Kunst-Akademie ist das neue Machtzentrum der nationalkonservativen Regierung Orbán in Sachen Kulturpolitik. Ursprünglich ein Freundeskreis von etwa 200 Nationalkonservativen, ist es nun qua Verfassung ein staatliches Organ. Präsident ist der erzkonservative Innenarchitekt György Fekete:

    "In staatlichen Einrichtungen sollte es nicht gegen die Kirche gehen, sagt er. Ungarn baut schließlich auf einer christlichen Kultur auf. Man muss nicht immer provozieren. Ich bin gläubiger Christ und Presbyter und so bin ich auch als Präsident der Ungarischen Kunst-Akademie."

    Und so wie die Kirche im ungarischen Lehrplan an den Schulen wieder massiv Terrain gewinnt, wird der 80-jährige Fekete dafür sorgen, dass auch die Künste auf Linie getrimmt werden: christlich-national-konservativ. So ist auch die umstrittene Verfassung grundiert worden. Feketes erstes Opfer: Gábor Gulyás, der bisherige Leiter der Budapester Kunsthalle. Er – obwohl ein Konservativer -wollte die Einrichtung weiter international ausrichten. Fekete vor allem national und traditionell.

    "Alle Arbeit der jetzigen Regierung baut auf der nationalen Zusammenarbeit auf. Ein Direktor einer staatlichen Einrichtung wie der Kunsthalle, der sein Geld vom Staat bekommt, ist verpflichtet mit anderen Institutionen zusammen zu arbeiten. Das hat die Kunsthalle nicht getan."

    Streitpunkt laut Fekete: ein nationaler Salon. Aber auch um eine Ausstellung des Volkstümlichen Architekten Imre Makovecz gab es Streit. Wes Geistes Kind die Mitglieder der Nationalakademie sind, beschreibt der ehemalige sozialistische Kulturminister István Hiller so:

    "Das, was den Kreis der Gründer und Betreiber der Kunst-Akademie eint, ist neben der Liebe zur Kunst eine ganz bestimmte Weltsicht."

    Und die ist rechtsnational-konservativ. Sie wird auf der Internetseite der Kunst-Akademie zur Schau gestellt - in einer Art Manifest der "nationalen Künstler". Es richtet sich gegen die angeblichen Lügen der linksliberalen ungarischen Intelligenzija, die vom Westen aus gegen Ungarn hetze. Wer Mitglied der Akademie werden will, der wird nicht nur fachlich auf Herz und Nieren geprüft. Auch ideologisch. György Fekete:

    "Die Mitglieder müssen sich zu Ungarn und seiner Sprache bekennen. Sie müssen sich hier zu Hause fühlen und nicht ins Ausland reisen, um von dort aus Ungarn zu beleidigen."

    György Fekete, der Mann mit dem markanten Prinz-Eisenherz-Haarschnitt, wird künftig so viel Macht wie ein Kulturminister haben: Er kann Institutionen auflösen. Und er kann Geld verteilen.

    Gegen diese Kulturpolitik setzen die Demonstranten vor dem Budapester Kristall-Haus ihre Forderungen: autonome Kunst. Die Unabhängigkeit der Kunsthalle. Sie fordern: Weg mit der einseitigen Finanzierung von Kultur.

    Doch die Uhren in der Kulturpolitik in Ungarn gehen anders: Oper, Nationaltheater, Kulturstiftung, Kunsthalle – überall werden nationalkonservative Getreuen in Führungspositionen gehievt. Eine Trennung von Staat und Kirche will Fekete nicht:

    "Ich pfeife auf so eine moderne Demokratie, denn die ist weder modern noch Demokratie."