Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die Polizeidatenaffäre der Billens

Am 19. September wird CDU-Mann Michael Billen vor Gericht stehen: Er soll seine Tochter, eine Polizistin, dazu angestiftet haben, ihm brisante Informationen über Geschäftspartner des Nürburgrings zu beschaffen. Doch die Affäre ist nicht nur ein Problem der CDU.

Von Margarate Ruschmann | 15.09.2011
    Michael Billen ist bekannt für deftige Sprüche und ein hohes Maß an Eigensinn. Jeder andere hätte in seiner Lage längst das Feld geräumt. Der CDU-Landtagsabgeordnete - der sich ab Montag vor Gericht verantworten muss – hat auf stur gestellt. Angeklagt? Strafrechtliche Konsequenzen? Soll doch das Gericht erst einmal entscheiden:

    "Ich sehe dem Prozess gelassen entgegen. Ich bin froh, dass es jetzt zum Prozess endlich kommt, damit wir mal einen halbwegs Schlussstrich kriegen. Ich werde, egal wie der Prozess ausgeht, auf jeden Fall Abgeordneter bleiben. Oder wollen Sie jeden aus den Parlamenten ausschließen, der schon mal ein Bußgeld oder ein Strafgeld bezahlt hat?"

    Es ist Landtagssitzung und Billen setzt sich auf seinen angestammten Platz in der zweiten Reihe der CDU-Fraktion. In der vergangenen Legislaturperiode war er noch auf die hinterste Bank verbannt worden. Aber jetzt tritt er als erster Redner der Opposition ans Rednerpult. Es geht um Windkraft und den Ausbau alternativer Energien.

    Seit den Landtagswahlen im März ist der 55-Jährige rehabilitiert. Denn: Trotz Kritik an ihm und dem bevorstehendem Prozess hat er für die CDU das Direktmandat in seinem Wahlkreis in der Eifel geholt. Vor knapp zwei Jahren sah alles noch ganz anders aus. Damals schien der Abgeordnete am Ende seiner politischen Karriere zu sein. Zerknirscht und den Tränen nahe, trat Michael Billen am 25. November 2009 vor die Presse und verkündete, dass er und seine Tochter, die Polizistin ist, einen Fehler gemacht hätten.

    "Mir tut es unendlich leid, dass meine Tochter da reingezogen wird. Das ist für mich schwer zu ertragen."

    Rein zufällig, behauptete er, habe er bei seiner Tochter Unterlagen entdeckt, die brisante Informationen über Geschäftspartner des Nürburgrings enthielten. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass Billen seine Tochter dazu angestiftet hat, ihm die geheimen Dokumente zu besorgen. Vorwürfe, die Konsequenzen hatten: Der Abgeordnete musste seinen Platz im Nürburgring-Untersuchungsausschuss räumen. Und fast wäre er auch aus dem Parlament geflogen. Für den damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Baldauf war Billen ein Querkopf, den man loswerden wollte.

    "Ich habe ihm empfohlen, auf sein Mandat zu verzichten und Schaden von der CDU-Fraktion abzuwenden. In dieser Situation sollten persönliche Interessen hinter übergeordneten Zielen und Aufgaben zurückstehen."

    Aber Billen hatte auch viele Freunde in der Partei, die zu ihm hielten. Weshalb die Fraktion der Kraftprobe aus dem Weg ging – und ihn nicht ausschloss. Für die Regierungspartei SPD ein Beweis, dass es der CDU an Führung fehlen würde. Generalsekretärin Raab sagte der CDU damals düstere Zeiten voraus.

    "Der Streit wird zum Rosenkrieg. Wenn das der neue Führungsstil des Spitzen-Duos Baldauf - Klöckner ist, dann sage ich: herzlichen Glückwunsch."

    Die rheinland-pfälzische CDU war wieder einmal über sich selbst gestolpert. Wie so oft in den vergangenen 20 Jahren, die sie nun schon in der Opposition sitzt. Dabei hatte der Landesverband mit Julia Klöckner gerade eine neue Hoffnungsträgerin gefunden. Aber die Landesvorsitzende war schnell von der Vergangenheit eingeholt worden. Kaum an die Spitze der Partei gewählt, kam eine pikante Geschichte über illegale Parteifinanzierung ihres Vor-Vorgängers Christoph Böhr ans Licht der Öffentlichkeit. Dieses Kapitel war jedoch noch nicht abgehakt, da kam es zur Anklage gegen Michael Billen. Und mit dem Prozess wird auch die Nürburgring-Affäre der damaligen SPD-Landesregierung wieder Thema. Denn mit den Papieren, die sich der CDU-Abgeordnete illegal besorgte, wollte er bewiesen, dass sich das Land beim Bau einer Freizeitanlage am Nürburgring auf unseriöse Geschäftspartner eingelassen hatte. Vorwürfe, die auch der Landesrechnungshof erhebt: Unternehmer und Manager hätten sich bei der Freizeitanlage auf Kosten der Steuerzahler bereichert. Soviel ist sicher: Die Regierung von Ministerpräsident Kurt Beck muss sich auf einen ungemütlichen Herbst einrichten. Dem nicht genug: Die CDU muss damit rechnen, dass einer ihrer wortgewaltigsten Landtagsabgeordneten wegen Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen verurteilt wird. Sollte Michael Billen aber freigesprochen werden, dann darf sich die CDU-Fraktion auf einen unbequemen Mitstreiter mit neuem Selbstbewusstsein freuen. Ein Politiker, der auch als Angeklagter noch viele Freunde in seiner Heimat, der Eifel, hat.

    "Hoffentlich wird er nicht bestraft. Was er gemacht hat, war richtig. Es muss einer die Sachen aufklären, auch, wenn es nicht ganz legal war."

    Die Freunde von Michael Billen sind in den Landtag gekommen. Auf der Besuchertribüne verfolgen sie die Debatte über alternative Energien. Unten am Rednerpult warnt der Abgeordnete Billen vor einem unkontrollierten Ausbau von Windrädern.

    Für Michael Billen ist dies eine Landtagssitzung wie jede andere auch. Seit 15 Jahren ist er schon Abgeordneter, ihn scheint nichts mehr zu erschüttern. In wenigen Tagen muss er vor Gericht erscheinen. Na und, scheint er zu fragen.